8. Spieleabend

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Mit einem Blumenstrauß stand ich am Nachmittag vor Julians Wohnungstür und zögerte, die Türklingel zu betätigen. Bereits zwei Mal hatte ich die Hand gehoben und dann doch nicht den Finger auf den Knopf gelegt. Ich war nervös und unsicher, wie Julian reagieren würde, wobei es in meinen Augen egal war, was er zuvor zu Jakob gesagt hatte. In jedem Fall hätte er mein volles Verständnis dafür, wenn er mir die Tür vor der Nase zuschlüge. Aber das wäre seine Entscheidung. Mir würde es nur um Julia und Jakob leidtun, da sie Julian wirklich mochten. Für meine Nerven war es im Moment auch nicht sonderlich hilfreich, dass ich sie hinter mir wusste. Sie standen in der offenen Tür und deutlich war Julias aufgeregtes Trippeln auf dem Laminat zu hören. »Nun mach schon!«, drängte Jakob.

»Jaaa! Mach!«, forderte auch Julia.

Ich verdrehte die Augen. Aber das sahen die beiden zum Glück nicht. »Ja, nur einen Moment«, sagte ich über die Schulter.

»Soll ich für dich drücken?«, erbot sich Jakob.

Nun wandte ich mich doch zu meinen Mäusen um. »Was haltet ihr davon, wenn ihr drinnen wartet?«, schlug ich vor, stieß jedoch auf taube Ohren. Stattdessen hibbelte Julia nur noch aufgeregter herum und Jakob meinte: »Dann hören wir aber nicht, was Julian sagt.«

Gutes Argument, das er da vorbrachte. »Ich erzähle euch alles.«

Zweifelnd sah Jakob mich an. »Versprochen?«, hakte er nach. Erst als ich zustimmend nickte, ergriff er Julias Hand und zog sie in den Flur zurück, damit er die Tür schließen konnte.
Noch einmal tief durchatmen, gerade hinstellen, Schultern nach hinten und ... bevor ich den Finger auf den Klingelknopf legen konnte, wurde auch schon die Tür geöffnet. Unvermittelt sah ich mich Julian gegenüber.

»Tratsch im Treppenhaus?« Grinsend lehnte er sich mit der Schulter gegen den Türrahmen. »Ich glaube, ihr ward bis unters Dach zu hören.«

»Hast du einen Moment Zeit?«, fragte ich, ohne auf seine Bemerkung einzugehen. »Ich würde gern mit dir sprechen.«

Sein Lächeln verblasste und wich einem Stirnrunzeln. Gleichzeitig gab er die entspannte Haltung auf und trat zur Seite. »Ja, klar. Komm herein.«

Julian ging voraus in das Wohnzimmer, das von einer gemütlich aussehenden Eckcouch bestimmt wurde sowie einem großen Flachbildfernseher, der auf stumm gestellt war. In der Mitte des Raums blieb er stehen und wandte sich zu mir um.

»Nun?« Das Wort klang hart und herausfordernd und zugleich frostig und mit vor der Brust verschränkten Armen bot Julian ein Bild der Ablehnung. Nichts war mehr von der Lockerheit vorhanden, mit der er nur Augenblicke zuvor in der Tür gestanden hatte.

In dem Moment wäre es mir lieber gewesen, er hätte sie mir vor der Nase zugeschlagen. Aber nun stand ich hier mit einem Blumenstrauß in der Hand und wusste nicht, wie ich beginnen sollte.

»Deine Mutter hatte ihre Meinung klar zum Ausdruck gebracht«, sprach er weiter.

»Das ist ihre Meinung, nicht meine«, stellte ich richtig und fühlte mich zurecht entrüstet über diese Anschuldigung. »Ich wollte mich nur für mein bisheriges Verhalten entschuldigen. Stattdessen sollte ich wohl für das meiner Familie um Verzeihung bitten«, blaffte ich zurück und streckte Julian zum Zeichen meiner guten Absichten den Strauß entgegen. Im ersten Moment schien er danach greifen zu wollen, doch dann ließ er die Hände sinken. Verdenken konnte ich es ihm nicht. »Ich hatte mich dafür bei dir bedanken wollen, dass du mit den Kindern und mit mir so viel Geduld bewiesen hast und du eingesprungen bist, ohne etwas dafür zu verlangen«, sagte ich. »Mutter hatte mir die Augen geöffnet und angeboten, dir die Kosten zu erstatten. Da hatte ich bereits eine Ahnung davon, wie sie dir gegenüber eingestellt ist. Aber ich hatte es nicht sehen wollen, weil ...«

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