Kapitel 11

1 0 0
                                    


Endlich wieder zu Hause ließ ich mich erst mal gegen die schwere Haustüre sinken und musste seufzen. Unter so vielen Menschen zu sein war ich nicht mehr gewohnt. Es zehrte an meinen Nerven, denn auch wenn ich meine Kräfte nicht mehr hatte konnte ich trotzdem gut ihre Gefühle deuten. Dafür brauchte ich meine Kräfte nicht, das war reiner Instinkt. Tiere waren mir meistens lieber, sie waren ehrlicher wie die Menschen. Wenn ein Hund dich hechelnd mit wedelndem Schwanz anschaut, dann meint er das auch genauso. Menschen sagen Dinge und tun das genaue Gegenteil. Das ermüdete mich immer wieder. In meiner Hand wurde die Tüten langsam schwer, ich sollte die Einkäufe wegräumen.
Meine Tasche und die Einkäufe legte ich in die Küche. Nachdem ich alles im Kühlschrank verstaut hatte ging ich gleich nach oben und stellte mich unter die warme Dusche. Das war schon purer Luxus, wenn man bedachte wie schnell das warme Wasser aus dem Hahn strömte. Früher mussten die Diener das warme Wasser über dem Feuer erhitzen und zu einer Wanne tragen um diese zu füllen. Jetzt konnte ich mir das Wasser so einstellen wie ich es haben wollte, mal warm und mal kalt. Ich genoss es.
Als ich aus der Dusche stieg war das Badezimmer voller Wasserdampf und ich öffnete erstmal das Fenster um frische Luft hereinzulassen. Ich stand vor dem Spiegel und wischte den Dampf ab um mich betrachten zu können. Meine blauen Augen stachen durch den ganzen Dampf hervor. Mein Gesicht wirkte ausgelaugt und müde. Ich sah so aus, wie ich mich fühlte. Ich löste das Handtuch um meine Haare und diese vielen mir in dunkelblonden Locken bis über die Schultern, ich begann sie zu kämmen und sah mich weiter im Spiegel an.
Nachdem meine Haare trocken waren ging ich durch den schmalen Flur in mein Schlafzimmer und öffnete auch hier das Fenster. Ein leichter Wind wehte herein, ich legte mich unter die warme Bettdecke und starrte an die Decke.
Ich musste an Lilly denken. Ob sie wohl ahnte, dass sie ein magisches Wesen war? Ich überlegte ob es mir auch so gegangen wäre, wenn ich nicht bei meinem Großvater, sondern bei meiner Mutter aufgewachsen wäre. Hätte sie mir von meinem Vater erzählt oder hätte sie es für sich behalten? Hätte ich irgendwann gemerkt, dass ich Kräfte besitze, die kein normaler Mensch hatte? Irgendwann hätte ich gemerkt, dass ich nicht alterte, aber wäre es dann bereits zu spät gewesen? Wie hätte Mutter darauf reagiert? Der Gedanke, dass ich meine Mutter nie wirklich kennengelernt habe machte mich traurig. Ich war noch viel zu klein als sie gestorben ist. Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit mit ihr verbringen können. Ich wünschte ich könnte mich an sie erinnern. Sie hätte mir zeigen können wie ich unter Menschen leben konnte. Wie man mich vielleicht für normal hielt.
Nach langem Grübeln schlief ich endlich ein. Und begann wieder zu träumen...

Ich stand in unserem alten Garten, der Koiteich war direkt vor mir. Sie schwammen munter umher, mein kleiner weißer Freund direkt vor mir, freudig mich zu sehen. weiter weg sah ich Ay wie sie sich mit einer Dienerin unterhielt und mir zulächelte und winkte. Ich war froh sie nach all den Jahren wiederzusehen. Ich vermisste sie.
Der Wind wehte leicht und umspielte mein Gewand. Die Kirschbäume standen in voller Blütenpracht, so hatte ich es immer am liebsten. Die rosa Blüten gaben dem Garten erst die Atmosphäre die ich so sehr liebte. Ich ging über die kleine Brücke und setzte mich auf die Bank unter dem Pavillon. Hier hatte ich den ganzen Garten im Blick. Die Diener die vorbei gingen verbeugten sich vor mir und gingen weiter ihrer Arbeit nach. Ich sah neben mich auf die Bank. Dort lag der Brief den Kiro mir in der Nacht hinlegte als er gegangen war. Ich nahm ihn in meine Hand und hob ihn an mein Gesicht. Er roch nach ihm. Nach meinem Geliebten. Ich drückte ihn mir an die Brust während mir Tränen die Wangen runter rannen. Ich schloss die Augen und atmete seinen Geruch tief ein.
Als ich die Augen wieder öffnete stand ich nicht mehr in meinem geliebten Garten, sondern am Ufer des Sees vor meinem Haus in Westin.
Es war nicht mehr so warm und mitten in der Nacht. Ich fror und legte meine Arme um mich. Der Nebel stieg auf und ich konnte innerhalb von wenigen Sekunden nichts mehr sehen. Ich stand noch immer am Ufer und konnte mich nicht bewegen, ich wusste nicht in welche Richtung ich gehen musste. Der Nebel war so dicht, dass ich das Gefühl hatte er würde mich verschlingen. Es fühlte sich an wie eine seidenweiche Umarmung. Ich stand da und schloss die Augen, es fühlte sich gut an. Nach einiger Zeit bemerkte ich, wie jemand hinter mir stand.
Ich öffnete blitzschnell die Augen und versuchte mich zu orientieren. Ich konnte noch immer nichts sehen. Der Nebel lichtete sich soweit, dass ich hinter mir die Umrisse eines Mannes erkennen konnte. Er legte seine Hände auf meine Schultern und trat dicht an mich heran.
Mein Körper spannte sich an und mein Atem ging immer schneller. Mein Herz machte einen Satz.
Hinter mir stand kein Unbekannter.
Ich entspannte mich sofort und ließ mich gegen den Mann sinken.
Ich spürte seinen Körper ganz nah an meinem. Ich konnte versuchen mir einzureden, dass er es nicht war, aber meinen Körper konnte ich nicht belügen. Er kannte ihn zu gut.
Ich flüsterte seinen Namen: >> Kiro... << und schloss dabei die Augen. Seine Arme umschlangen meine Körpermitte, seinen Kopf legte er auf meine Schulter.
>> Ich bin hier. <<
Ich unterdrückte die Tränen und wollte mich zu ihm umdrehen. Er hielt mich in der Umarmung fest, sodass ich mich nicht umdrehen konnte
>> nicht <<, flüsterte er an meinem Ohr >> du bist noch nicht bereit. <<
Ich blieb stehen und legte meine Hände auf seine starken Arme. >> Bereit wofür? <<, fragte ich ihn.
Er drückte mich näher an sich und schüttelte nur seinen Kopf >> das werde ich dir bald sagen <<, er strich mir eine Haarsträhne aus der Stirn.
Dann flüsterte er: >> Hast du meinen Brief schon gelesen? <<, ich zuckte zusammen. >> Welchen Brief meinst du? <<, er lächelte und gab mir einen Kuss auf die Wange >> den auf deinem Nachttisch <<, ich nickte und flüsterte schuldbewusst: >> Nein, ich habe ihn im Garten liegen gelassen als ich zu dir gekommen bin. Um dich zu retten <<, ich wurde traurig als ich daran dachte und schaute nach unten >> es tut mir so unendlich leid, Kiro << schluchzte ich.
Kiro tröstete mich indem er mich hin und her wiegte. >> Wieso tut es dir leid? Du hast nichts Falsches getan <<, ich schluchzte noch immer: >> Ich war zu spät <<, ich konnte nicht aufhören zu weinen. >> Ich hätte dich retten können, aber ich war zu spät! <<
Endlich drehte er mich zu sich um und ich konnte ihn ansehen. Er zog mich in eine tiefe Umarmung und flüsterte mir ins Ohr: >> Du hättest nichts tun können. Es war vorherbestimmt. <<
Ich löste mich soweit von ihm um ihn ansehen zu können. >> Du denkst also, dass es Schicksal war? Dich sterben zu sehen und dich zu verlieren war also Schicksal? <<, ich wurde wütend.
>> Fühle ich mich für dich etwa tot an? <<, seine Hände an meinem Gesicht zogen mich nach oben für einen innigen Kuss.
Nein, er fühlte sich absolut nicht tot an.
Ich schüttelte meinen Kopf und murmelte traurig: >> Aber das ist doch nur ein Traum... <<, er schaute sich lachend um >> stimmt, das hier ist nur ein Traum. << fand er das etwa witzig?
>> wir sehen uns wieder, wenn du bereit dafür bist <<, sagte er bevor er mich küsste und dann verschwand.
Er löste sich langsam im Nebel auf und ich stand wieder alleine am Ufer des Sees und schaute auf mein Haus. 

Truly LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt