Kapitel 36

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Man sagt, wenn zwei Menschen sich küssen, schlagen die Herzen einen Moment genau gleich. Ich kann euch sagen: Bei mir war das nicht der Fall.

Sobald Jason mich packte und mich wie aus dem Nichts küsste, war es, als wäre ich gelähmt. Im ersten Moment erstarrte ich und schon im nächsten Bruchteil einer Sekunde schlug mein Herz so schnell, dass ich Angst hatte, es würde mir aus der Brust springen. Mein Puls schoss in die Höhe und ich riss meine Augen auf, geschockt über das, was ich hier tat. Und dann, ganz plötzlich, entspannte ich mich und erwiderte seinen Kuss. Und Himmel, wie ich ihn erwiderte.

Jason drückte mich gegen die Wand und ich spürte den kalten Stein in meinem Rücken. Doch, obwohl es den Anschein hatte, als wären wir in diesem winzigen Moment allein, als gäbe es nur uns, als wären wir nur ein Junge und ein Mädchen, so standen wir dennoch im kalten Mauerwerk eines uralten Schlosses und belauschten eigentlich unsere Lehrer, die uns etwas verheimlichten. Und deshalb war es auch Mrs. Miller, die uns wieder aus dieser kleinen Zweisamkeit herausholte.

"Wir können ihr doch nicht einfach sagen, dass das arme Mädchen in Gefahr schwebt. Sie hat so schon genug zu tun!", rief sie aufgebracht und ich schielte kurz an Jason vorbei, starrte jedoch nur in völlige Dunkelheit. Er tippte mir kurz ans Kinn und als ich aufsah, bedeutete er mir, still zu sein. Dann wandten wir uns wieder herum und wir drückten uns wieder an das alte Holz, um durch die Ritzen unsere Lehrer zu belauschen. Zum Glück waren sie so sehr in ihre hitzige Diskussion vertieft, dass sie nicht mitbekamen, dass ich kurz davor gewesen war, loszuschreien.

"Wieso nicht? Sie kann hier doch nirgendwo hin. Ich finde, dass wenn wir sie hier lassen, sollte sie erfahren, warum. Sie wollte von Anfang an nicht hier sein.", meinte Ms. Haydn.

"Das stimmt.", warf plötzlich Coach Crown ein. "Aber sie könnte eine erstklassige Spionin werden."

"Sicher? Sie widersetzt sich allen Befehlen und ist stur wie ein Esel. Und das ist nicht gerade hilfreich für eine Agentin.", sagte Ms. Haydn.

Wütend ballte ich meine Hände zu Fäusten. Am liebsten hätte ich das morsche Holz mit einem gezielten Tritt eingetreten, wäre wutentbrannt in das Büro gestürmt und hätte allen Beteiligten ein lautes "Hört auf, über mich zu reden!" an den Kopf geknallt. Und es juckte mich wirklich gewaltig in meinen Füßen.

Jason spürte offenbar meine Anspannung, denn er legte mir eine Hand auf meinen Arm. Doch das hatte nicht den gewünschten Effekt der Beruhigung. Meine Güte, einmal Knutschen mit ihm und meine Hormone tanzten Samba!

"Schluss jetzt!", rief Mr. Miller und stützte sich auf seinen Tisch. "Sie bleibt hier und wir werden ihr gegenüber nichts erwähnen." Alle anderen nickten entweder oder seufztend ergeben. Damit war das Machtwort gesprochen und alle standen auf, um zu Gehen. Auch Jason zog mich langsam in Richtung Ausgang.

Kurze Zeit später standen wir wieder auf einem der Hauptgängen in End's Abbey.

"Ich bin im Zeugenschutzprogramm.", sagte ich und schlang die Arme um meinen Oberkörper.

"Du weißt aber nicht warum.", beruhigte mich Jason und legte eine Hand auf meine Schulter.

"Was auch immer meine Mutter getan hat, ich stecke mit drin. Deswegen sind diese Typen hinter mir her.", flüsterte ich und sah Jason mit großen Augen an. Jason Städte stumm zurück und dann zog er mich mit einem Ruck zu sich heran und ich lag in seinen Armen.

"Wir passen auf dich auf. Ich passe auf dich auf. Dir wird nichts passieren, hörst du? Ich werde nicht zulassen, dass dir was zustößt, Kate!", sagte er energisch und drückte mich noch fester an sich. Ich nickte an seiner Brust und spürte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen. Schnell löste ich mich von ihm und wandte mich ab.

"Kate?", fragte er irritiert und machte einen Schritt auf mich zu. Mit jeder Faser meines Körpers spürte ich ihn hinter mir, spürte seinen Atem an meinem Hals, da er um einiges größer war als ich.

"Alles okay.", log ich und wischte mir schnell über meine Wange. Ich hörte ihn hinter mir nur spöttisch lachen, ehe er mich packte, herumwirbelte und gegen die nächstbesten Steinwand drückte.

"Ich bin ein Agent, Kate. Ich merke es, wenn jemand lügt. Ich habe meine Kindheit damit verbracht, Gesichtsmimik zu studieren und anhand der Stimme Lügen zu entlarven.", wies er mich zurecht und ich senkte meinen Blick.

"Sieh mich an.", verlangte er, doch ich drehte meinen Kopf weg und versuchte mich loszumachen. Doch Jason wäre nicht Jason, wenn er seinen Griff nicht verstärken würde und mich wieder zu sich ranzog.

"Kate!", warnte er und ich hob widerstrebend meinen Kopf. Seine eisblauen Augen bohrten sich in meine grünen und ich schwöre, ich hab vergessen, wie man atmet.
Liebevoll strich er mir über meine Wange und strich eine Träne weg.

"Los komm.", sagte er dann und nahm meine Hand. Wir liefen durch das Schloss und landeten schließlich wieder auf dem kleinen Türmchen. Dem höchsten Punkt des alten Gebäudes. Wir setzten uns wieder auf das Gestein und starrten in die Nacht.

"Versprichst du mir was, Kate?", fragte Jason und blickte über die Landschaft.

"Kommt darauf an.", entgegnete ich und konnte erkennen, wie Jason grinste.

"Stur wie eh und je.", lachte er und schüttelte den Kopf. Doch dann wurde er wieder ernst.

"Bitte geh nicht zu diesem Treffen.", verlangte er, jedoch nicht in forderdem Ton sondern bittend, fast schon flehend.

"Du kennst meine Meinung dazu.", erwiderte ich knapp.

"Dann nimm mich mit."

"Jason.", mahnte ich, doch er sprang von der Fensterkante.

"Entweder das oder du gehst nicht.", erklärte er und lehnte sich hinunter zu mir. "Ich lasse nicht zu, dass dir nochmal jemand weh tut, vor allem nicht, wenn ich es verhindern kann."

"Dieser jemand tut mir nicht weh.", sagte ich, warm lächelnd. Ich war gerührt von seiner Sorge.

"Aber du weißt nicht, was alles in der Dunkelheit lauert."

"Ich werde es mir überlegen.", beruhigte ich ihn, hoffte aber innerlich, dass er es vergessen würde. Immerhin waren es noch ein paar Tage.

Jason nickte und wollte gerade ansetzen, um etwas zu sagen, als wir eine Stimme hörten.

"Jase.", ertönte es und Jasper erschien im Treppenaufstieg. "Gut, Kate du bist auch hier."

"Was ist los?", fragte Jason und richtete sich auf, er war in höchster Alarmbereitschaft.

"Kate, deine Mutter..", stammelte Jasper. "Sie ist hier. Und sie will dich sehen."
Mein Blick wanderte sofort zu Jason und ich nickte.

"Gut. Wir haben einiges zu klären."

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