Kapitel 57

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Christal's POV

Andy ist im Zirkel. Er ist im Zirkel und unser Feind. Dabei war er mal unser bester Freund.

Ich lag immer noch vor ihm, während er mich immer noch mit seinem furchteinflößenden Grinsen auf mich herabsah, wie er es in alten Zeiten so oft getan hatte.

Ich rutschte von ihm weg und versuchte, aufzustehen. Als ich mich aufrappelte, knickte mein Fuß unter mir weg und ich brach wieder zusammen. Mit zusammengepressten Lippen stützte ich meine Hände auf den kalten Kellerboden und verfluchte mein ganzes Leben. Ich drehte mich um und hielt mir den Fuß.

"Verdammt", zischte ich, als ich ihn bewegte. Er war definitiv verstaucht, vielleicht sogar geprellt.

"Tja, Chrissy. Das kommt davon.", höhnte Andy und stand auf. Von unten sah er noch bedrohlicher aus. Dann wandte er sich an seine Leute

"Nehmt sie mit nach oben!", befahl er, drehte sich um und marschierte aus dem Raum. Hasserfüllt sah ich ihm hinterher. Ein Fluch bildetet sich auf meiner Zunge, den ich ihm am liebsten noch an den Kopf geknallt hätte, doch ich wurde vons einen Handlangern unterbrochen. Sie packten mich zu beiden Seiten unter den Armen und hievten mich nach oben. Der eine ließ von mir ab und ging voran. Der andere schleifte mich mit sich. Ich gab mir alle Mühe, Schritt zu halten, jetzt wo ich so schwach war, dass ich mich stützen ließ. Doch kaum waren wir aus meiner Gefängniszelle herausgetreten, standen wir am Fuß einer langen, steilen Treppe. Ich spürte, wie mir alle Farbe aus dem Gesicht wich und schluckte. Gerade wollte ich einen Schritt auf die Treppe zu machen und sie erklimmen, als ich einen Seufzer von meiner Seite vernahm und mit einem Ruck hoch gehoben wurde.

Der Junge, der mich stützte, trug mich die Treppe hinauf und ich konnte nicht anders, als ihn im ersten Moment verblüfft anzustarren. Ich hatte mit allem gerechnet. Mit Schmerzen und Schlägen, sogar mit Folterung. Ich war davon ausgegangen, dass sie mich diese Treppe hoch prügeln würden. Daher überraschte mich diese Nettigkeit.

"Lass mich runter.", verlangte ich. Nichtsdestotrotz wollte ich stark wirken.

"Ich will heute noch ankommen.", murrte der Junge und ich kniff die Augen zusammen.

"Lass mich runter!", wiederholte ich. Der Typ sah mich an. Er hatte braune Augen und dunkle Haare und war ziemlich attraktiv.

"Sei still.", war alles, was ich als Antwort bekam. Schön, wenn er mir diese Bitte verweigerte, dann wollte ich mal sehen, was ich sonst so aus ihm raus bekam.

"Wo bin ich hier?", fragte ich und legte genügend Nachdruck in meine Stimme. Wir waren mittlerweile oben am Treppenabsatz angekommen und steuerten auf das Wohnzimmer zu.

"Ich werde dir deine Fragen nicht beantworten.", sagte der Junge und ließ mich kurz darauf auf einem weißen Ledersofa nieder. Sofort fühlte ich mich noch schmutziger mit diesem starken Kontrast.

Andy kam herein und nickte meiner Wache zu.

"Danke Ashton. Du kannst gehen.", entgegnete Andy und lächelte dem Typen zu. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf mich. Auch ich lächelte, wobei ich einen gewissen Hass nicht aus meinen Zügen verbannen konnte.

"Wie immer höflich.", bemerkte ich. Andy lachte leise und ließ sich mir gegenüber in einem ebenso weißen Sessel nieder. Zwischen uns befand sich ein Couchtisch mit offenem Fach in der Mitte. Es war allerlei Zeug unter der Glasplatte. Fernseherzeitungen und Tischdeckchen.

"Natürlich", erwiderte Andy und schlug die Beine übereinander. Sie steckten in einer Designer Jeans und ließen ihn sehr elegant wirken. Ich gab mein Lächeln auf und blickte ihn ernst an.

"Wieso bin ich hier?", fragte ich und starrte Andy durchdringend in die Augen.

"Kannst du das nicht erraten, Chrissy?" Er hatte einen Ellenbogen auf eine Lehne gestützt und hielt sich die Finger galant vor den Mund, um sein Schmunzeln zu verbergen.

"Du benutzt mich als Druckmittel, stimmt's?", fragte ich und wusste die Antwort im selben Moment in dem ich die Worte ausgesprochen habe.

"Richtig.", lobte er mich und nickte. "Du warst nicht unser eigentliches Ziel, aber während wir dich dort vorfanden, hielten wir es für wesentlich einfacher, dich zu benutzten. So können wir Ort und Zeit bestimmen." Entmutigt ließ ich den Kopf hängen. Es hatte keinen Sinn ihm entgegen zuschreien, dass das ja niemals funktionieren würde, wie es in schlechten Filmen immer der Fall war. Ich wusste, dass bereits jemand auf dem Weg war.

"Wo sind wir hier?", fragte ich stattdessen

"In einem großen Haus in England.", antwortete Andy und ich starrte ihn böse an.

"Das weiß ich!", rief ich. "Wo genau?"

"Wenn du denkst, dass ich dir das verrate, dann haben sie euch auf dieser Möchtegern-Schule noch weniger beigebracht, als gedacht.", lachte Andy und blickte höhnisch zu mir herüber. Ich schluckte. Er hatte Recht. Ich bin Agentin!

"Wieso bist du gegangen?", fragte ich, um ihn abzulenken und betrachtete unauffällig das Zimmer. Als Fluchtmöglichkeiten gab es nur das Fenster und die Tür zu anderen Bereichen des Hauses. Ich betrachtete das Fenster hinter Andy. Während er irgendetwas schwafelte, prägte ich mir die Landschaft ein. Es war ein großer Garten zu sehen und ich vermutete, dass ich mich in einer kleinen bis mittelgroßen Villa befand. Das bedeutete, dass es ein langer Weg bis hinter die Grundstücksgrenze war. Ich musste mehr vom Haus sehen!

"Ich habe Hunger.", unterbrach ich Andy und machte ein möglichst mitleidiges Gesicht, sodass er meinen reifenden Plan nicht bemerkte.

Andy stoppte in seiner Rede und sah mich an. Er blinzelte und es war offensichtlich, dass ich ihn überrumpelt hatte.

"Bitte. Ich habe schon ewig nichts mehr gegessen.", fügte ich hinzu und legte etwas Flehentliches in meine Stimme. Andy seufzte resigniert und stand auf.

"Gut. Daran hätte ich denken sollen.", gab Andy zu und lief zur Tür. Blitzschnell betrachtete ich den Tisch und langte in den Bereich unter Glasplatte und Schubladenfach. Leise tastete ich mich umher, in der Hoffnung irgendwas Brauchbares zu finden. Und siehe da! Ein Taschenmesser, nachlässig unter einem Tischdeckchen begraben. Schnell griff ich es und steckte es in meinen Schuh. Gerade rechtzeitig, als Andy mit Ashton zurück kehrte.

"Bring sie in die Küche und mach ihr etwas zu essen.", befahl er und blickte kurz auf mich herab. "Bring sie dann zurück in den Keller. Ich rede morgen noch einmal mit ihr." Dann ging er und ich wandte mich Ashton zu. Dieser kam soeben zu mir und hob mich hoch. Wir liefen aus dem Wohnzimmer und ich befand mich in einem Flur. Eine Treppe führte nach oben und ich sah gerade noch, wie Andy im oberen Stockwerk verschwand. Dann ging Ashton mit mir auf dem Arm in die Küche. Auch sie war in hellen Farben gehalten.

"Es gibt Nudeln.", sagte er und setzte mich auf einem Stuhl an einem kleinen Tisch ab. Ich nickte und kurze Zeit später aß ich etwas und trank ein Glas Wasser.

"Ich muss nochmal auf die Toilette.", sagte ich und machte Anstalten aufzustehen. Ashton nickte und trug mich zum Bad, nicht weit von der Kellertreppe entfernt. Als er Anstalten machte, mich ins Bad zu begleiten, hielt ich ihn auf.

"Also bitte, ja?", entgegnete ich und zog eine Augenbraue nach oben. Ashtons Blick verdüsterte sich.

"Du hast 5 Minuten.", informierte er mich, bevor er den Schlüssel aus dem Schloss zog und die Tür zu knallte. Ich stellte als erstes den Wasserhahn an, sodass er mich nicht gut hören konnte und durchwühlte dann die Schränke, fand aber auf den ersten Blick nichts Brauchbares. Im Kopf zählte ich die Sekunden und als ich noch 2 Minuten übrig hatte, ging ich auf Toilette. Sobald ich gespült hatte, riss Ashton die Tür wieder auf und sah mir zu, wie ich mir die Hände wusch.

Kurz darauf war ich wieder im Keller und lauschte Ashtons Schritten, die sich langsam entfernten. Ich zog das Klappmesser aus meinem Schuh und betrachtete es. Die Klinge war nicht sehr scharf, aber es war besser als nichts. Dann ließ ich es wieder zuschnappen und lächelte.

Ich würde mich nicht sofort auf sie stürzen. Ich würde abwarten und sie in Sicherheit wiegen, so dass sie Fehler machten. Ich würde warten und weitere Waffen sammeln und in dem Moment, in dem sie es am wenigsten erwarteten, würde ich zuschlagen.

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