Fernsehabend

1.6K 65 27
                                    

Ich saß auf der Couch, während Jarvis den Film aussuchte. Seine schlanken Finger fuhren bedächtig über seine große Sammlung an DVDs, ehe er zielstrebig eine der Hüllen aus dem Regal nahm. Ausgerechnet Bridget Jones's Diary.
„Wenn ich mich recht entsinne, war das einer deiner Lieblingsfilme, oder nicht?"

Meine Tränen waren mittlerweile getrocknet, aber meine Augen fühlten sich noch immer wund geheult an. Ich wusste nicht, ob er wirklich eine Antwort auf die Frage eben wollte. Deshalb entschied ich mich vorerst dazu, nichts zu sagen.
Ich würde mir diesen Film vermutlich nie wieder unbeschwert ansehen können,  das wusste ich jetzt schon.  Vor mir stand eine dampfende Tasse heiße Schokolade, an der ich nun vorsichtig nippte.

Jarvis schien mein Schweigen als Zustimmung zu deuten. „Die Filme zu streamen ist schön und gut, aber es geht doch nichts über einen altmodischen DVD-Abend zum Kennenlernen."

Ich wollte ihn nicht kennenlernen.

Er legte den Film ein und breitete eine der großen, bunten Wolldecken auf der Couch über mich aus, ehe er sich zu mir setzte. Die  unmittelbare Nähe zu ihm ließ meine Nackenhaare aufstehen. Jarvis beobachtete meine Reaktion aufmerksam.

„Heute werden wir uns einfach nur einen Film ansehen, also keine Sorge."
Ich hoffte, dass er die Wahrheit sagte. Gerade studierte ich das Karomuster auf der Tagesdecke, als würde mein Leben davon abhängen. Es war der klägliche Versuch, mich abzulenken.

„Okay", antwortete ich dieses mal und fühlte mich dabei irgendwie wie ein ausgeleierter Plattenspieler.

Ich wusste nicht, welche Reaktion er von mir jetzt erwartete. Und das machte mir, wenn ich ehrlich sein sollte, fast noch mehr Angst als die unmittelbare körperliche Nähe zu ihm.
Sagte ich zu viel, würde er vielleicht wieder die Geduld verlieren, so wie vorher am Esstisch. Aber wenn ich ihm gar keine Antwort gab, würde er mir das vielleicht auch negativ auslegen.
Nachdem ich gesehen hatte, wie schnell sich seine Laune ändern konnte, war ich noch viel vorsichtiger geworden.

Ich beobachtete, wie er sich im Sprachmenü zu schaffen machte, um den Film auf Deutsch umzustellen. Ich knetete meine Finger, während ich praktisch versuchte, unsichtbar zu sein.

Jarvis seufzte. „Wenn ich dir sage, dass du wirklich nicht so viel Angst vor mir haben brauchst, würde dir das dann helfen?"

Ich schüttelte zögerlich den Kopf.
Über diesen Punkt waren wir schon längst hinaus.

„Ich weiß, dass du nicht freiwillig hier bist. Ich habe nicht vor, dich hier dauerhaft einzusperren. Aber es gibt ein paar grundsätzliche Regeln, von denen ich nicht abweichen werde. Fluchtversuche sind beispielsweise tabu."
Er presste die Lippen aufeinander und schwieg für einen Moment. Offenbar erkannte er, dass er weit übers Ziel hinaus geschossen war.
„Ich gebe zu, dass meine Drohung vorher nicht nett war, aber mir bleibt aktuell auch keine andere Wahl", sagte er schließlich. „Ich hoffe, dass du verstehst, dass ich dich nicht aus Boshaftigkeit so behandelt habe. Du kannst ganz normal mit mir reden, okay? Du bist mein Prey, nicht meine Sklavin."

„Ist das so?"

Zum allerersten Mal wich Jarvis meinem Blick aus. Ich konnte sehen, wie er sein Kiefer zusammenbiss und nach Worten suchte.
„Mir wäre es auch lieber, wenn ich es anders anstellen könnte. Aber so weit ich weiß, gibt es keinen anderen Weg für uns als diesen hier. Ich brauche dich, Beatrice."

Für uns? Ich merkte, wie die meine Anspannung ein Stück weit auch der Wut wich.
Ohne dieses „uns" wäre nichts von all dem hier je geschehen!

„Es geht dir also nur ums Blut?", fragte ich.
Einen Moment sah es so aus, als wollte er den Kopf schütteln, doch dann hielt er inne.  „Wenn es so wäre, was dann? Würdest du es mir freiwillig geben?"

In seinen FängenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt