Nimm mich! Nimm sie!

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Trigger Warnung! Das Buch erscheint nicht umsonst in der Kategorie Horror.

Emotionale und körperliche Misshandlung kommen vor, sowie die Erwähnung von Selbstverletzung. Unschöne Dinge werden gesagt und unschöne Dinge passieren.

Wer zart besaitet ist, sollte jetzt einfach denken: Okay, Bea ist nach dieser Strafe am Ende und hat die Tortur ihres Lebens hinter sich.

Und dann kannst Du im nächsten Kapitel weiterlesen. Du bist gewarnt...

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Jarvis sprach kein Wort.

Mit heulendem Motor jagte er den Wagen raus aus der Stadt über die verlassenen Landstraßen. Sobald die Stadt hinter uns lag, endete auch die Straßenbeleuchtung. Der Regen prasselte unaufhörlich auf die Scheibe, tauchte alles in einen undurchsichtigen Nebel, den auch die Scheinwerfer nicht vollständig durchdringen konnten. In der Dunkelheit hörte ich meinen eigenen gehetzten Atem umso deutlicher.

In meiner Hilflosigkeit krallte ich meine Finger in meine Jacke, ein kläglicher Versuch noch irgendwo Halt zu finden. Meine Hände waren so verkrampft, dass ich spürte, wie mein Nagelbett zu bluten begann. Ich wagte es nicht mehr, ihn auch nur anzusehen. Vor meinen Augen lag nur die dunkle Straße im fahlen Lichtschein der Schweinwerfer. Ein Weg, der für mich nach wie vor ins Nirgendwo führte.

Ich war orientierungslos und verängstigt. In diesem Moment dachte ich an meine Familie, an meine Oma, an meine Mama, an meinen Bruder. Und zum ersten Mal seit mein Vater meine Familie verlassen hatte, betete ich zu Gott. Ich sprach und rang mit ihm, wie ich es seit Jahren nicht mehr getan hatte. Aber wie schon damals blieb mir der Herr auch nun eine Antwort schuldig.

Jarvis verlangsamte das Auto und bog in einen Waldweg ein. Die Scheibe reflektierte mein verzerrtes Spiegelbild. In meinem Gesicht starr vor Furcht sah ich eine Träne meine Wange hinablaufen. Meine Unterlippe zitterte, doch ich hatte keine Stimme, um der kalten Angst in mir Ausdruck zu verleihen, die mein Herz in einem Käfig aus knöchernen Fingern gefangen hielt.

Er stellte den Motor ab.

Die Sekunden vergingen im Takt meines pochenden Herzschlags.

Er entriegelte die Türen und stieg aus. Ich hörte, wie er um das Auto herum ging, dann öffnete er die Beifahrertüre.

„Steig aus dem Wagen."

Meine zitternden Finger waren kaum fähig, den Gurt zu öffnen. Draußen ging noch immer der Regen nieder, als hätte der Himmel die Erde aufgegeben. Noch bevor ich aus dem Wagen steigen konnte, packte Jarvis mich. Er zog mich an Haaren und Kleidern vom Sitz.

Ich schrie auf.
Jarvis stieß mich von sich in die Kälte hinaus. Ich strauchelte in der Dunkelheit und fiel. Auf Knien, meine Hände aufgeschürft von Steinen und Dreck, meine Kleidung bereits vollständig durchnässt, wagte ich es nicht, mich weiter zu bewegen. Ich wagte es nicht und gleichzeitig konnte ich es nicht.

Ich war wie gelähmt, als würde mir mein Körper nicht gehören. Als wäre ich nur Zuschauer in meinem eigenen persönlichen Horrorfilm. Seltsam entrückt von meinem eigenen Schicksal und gleichzeitig in jeder Pore so vom Terror durchsetzt, dass ich komplett handlungsunfähig war.

Mein Körper war taub, mein Kopf aber feuerte ein Signal nach dem anderen. Rapide, elektrisch, gehetzt brachen die Gedanken über mir wie die unberechenbaren Wellen eines Sturms auf hoher See. Mein Kopf war voll, aber wie ein Mann über Bord konnte ich weder Richtung noch Halt im Chaos in der Finsternis finden.

Lediglich ein einziger Gedanke durchschoss mich immer und immer wieder, so wie ein Blitz die Nacht zerreißt:

Ich will nicht sterben. Ich will nicht sterben. Ich will nicht sterben.

In seinen FängenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt