Du bist anders als sie

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Das erste, was mir an Adrien auffiel, waren seine Haare: Lockig, in einem natürlichen, dunklen Rotton, wie man es in Deutschland nur selten zu sehen bekam. Doch im Gegensatz zu vielen anderen Rotschöpfen, trug er diese Haarpracht voller Stolz. Seine Haare waren fast doppelt so lang wie die meinen.

Das zweite, was mir auffiel, war der Schalk in seinen haselnussbraunen Augen. Adrien betrat den Raum und musterte mich aufmerksam von oben bis unten. Ich fühlte mich wie ein Stück Papier im Scanner, genauso durchleuchtet und durch die Mangel gedreht.

Er setzte sich ans Bett, überschlug die Beine, stützte den Kopf in die Hand und starrte. Ich wartete darauf, dass er anfing zu reden, doch der Vampir lächelte zunächst nur verschlagen.

„Ich hab gehört, dass du ein paar anstrengende Wochen hinter dir hast", sagte er schließlich. „Du siehst ziemlich mitgenommen aus, Kleine. Seit wann genau bist du Prey?"

Anstrengende Wochen? Jarvis hatte mich gekidnappt, hatte mir gedroht, versucht mich wie ein Tier abzurichten und beinah hätte er mich umgebracht. Ich ballte die Hände unter der Decke zu Fäusten, als die Wut in mir aufstieg.

„Ich bin seit drei Wochen hier."

„Und ich nehme an, dass du liebend gern hier raus willst, oder?"

Adrien lächelte zwar, aber mir lief es trotzdem kalt den Rücken hinunter. Ich biss mir auf die Zunge, anstatt eine Antwort zu geben. Ich kannte diesen Mann nicht und er war mir unheimlich. Die Art und Weise, wie er mich anstarrte, war mir nicht geheuer. So als würde er mich austesten wollen.

Adrien zuckte mit den Schultern. „Schon gut, mein eigenes Prey hat Anfangs auch versucht, vor mir davonzulaufen. Das tun sie alle. Roger war keine Ausnahme."

„Und jetzt ist er tot?", fragte ich.

„Natürlich nicht! Er ist wie ein Sohn für mich. Nicht jeder bringt sein Prey gleich halb um, nur weil es davonläuft."
Sein Blick war entrüstet und amüsiert zugleich, als er das sagte. Dann jedoch wurde Adrien ernst.

„Ich kann verstehen, dass du keinem von uns traust, aber lassen wir doch die Floskeln und die Feindseligkeiten. Ich weiß, dass du unser Gespräch vorher mitbekommen hast. Lass uns einfach ganz ehrlich miteinander reden. In-Su und der Doktor schlafen, eine bessere Gelegenheit dafür werden wir kaum bekommen."

Er wollte ehrlich mit mir reden? Dass ich nicht lachte!

„Du willst meine ehrliche Meinung?" Die Verachtung in meiner Stimme überraschte mich beinah selbst. Adrien nickte, sein Blick wurde scharf.

„Ich will hier raus. Ich will mein altes Leben zurück. Ich brauche kein Trostgespräch mit einem wildfremden Vampir. Ich brauche jemanden, der mich und meine Familie vor Jarvis schützt und mich hier rausholt." Adrien und ich starrten uns über das Bett hinweg gegenseitig an. „Kannst du das?"

Sein Mundwinkel zuckte. Er antwortete nicht sofort, studierte stattdessen meinen genähten Oberarm.

„Beatrice, normalerweise gehört es unter uns Vampiren zum guten Ton, sich nicht in die Angelegenheiten von anderen Vampiren und ihrem Prey einzumischen."

Ich schnaubte verächtlich. „Warum bist du dann überhaupt hier?"

„Weil In-Su krank ist, Beatrice!"

Er fletschte die Zähne. Rein instinktiv schrak ich zurück, aber Adrien ließ mich nicht so leicht davonkommen. Blitzschnell versperrte er mir den Fluchtweg. Ich war eingekeilt zwischen der Wand und einem wütenden, knurrenden Vampir. Sein Mund war nur wenige Zentimeter von meinem Ohr entfernt, als er weitersprach.

In seinen FängenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt