Lauter als die Wirklichkeit

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Ich fühlte mich garnicht wohl. Ich zitterte und schwitzte. „Hey ganz ruhig. Du steigerst dich gerade rein. Du musst atmen." Der hatte gut Reden. Versuch mal zu atmen, wenn du Panik bekommst und um dich herum lauter Menschen sind die du nicht kennst. „Marilena, nicht abschweifen, hier bleiben. Versuch zu atmen.", redete Pau weiterhin ruhig auf mich ein. „I i i ch versuch's ja.", „Ssshh. Schon gut. Ich weiß. Nicht reden, atmen, Okay?" Ich nickte und atmete so langsam ein und aus, wie es ging. Aber die ganzen Leute hörten sich so dermaßen laut an. Ich wusste, dass es nur meine Einbildung war, aber ich konnte nichts dagegen machen. Manchmal spielte mein Gehör mir Streiche. „Pau?", sagte ich mit zitternder Stimme. „Laut?" Ich nickte. Pau hatte solche Situationen schon ein paar Mal erlebt. Er sah mir mittlerweile an, wann ich meine Umgebung wieder viel lauter empfand, als sie tatsächlich war.
„Komm her Engel.", sagte er liebevoll. Ich setzte mich auf seinen Schoß und lehnte mich an ihn an. Pau umarmte mich so, dass meine Ohren durch seine Arme abgeschirmt waren. Ich hörte seinen Herzschlag und beruhigte mich dadurch. Er strich mir währenddessen durch die Haare und redete mit Papa als wäre nix gewesen. Ich war ihm dafür sehr dankbar, denn ich hasste es, wenn mich alle anschauten.
Kurz darauf hörte ich wie eine Kellnerin an den Tisch kam. „Alles in Ordnung bei ihnen?" Na super. Jetzt hatte die das auch noch mitbekommen. Zum Glück antwortete Papa ihr und sagte: „Ja alles bestens. Sie fühlt sich nur etwas unwohl.", „Alles klar. Wollen sie denn schon etwas bestellen?", „Also ich würde ein Pils nehmen.", meinte Papá zufrieden. Er schien sich sichtlich darüber zu freuen ein Bier zu trinken, warum auch immer. „Ich nehme erstmal eine Flasche Sprudelwasser.", „Okay. Sonst noch etwas?" Ich war der Kellnerin sehr dankbar, dass sie mich nicht direkt fragte, denn dann hätte ich mich nur geschämt. „Limo?", flüsterte Pau an mich gewandt. Ich nickte vorsichtig. „Eine hausgemachte Limo noch. Essen bestellen wir später.", „Alles klar. Getränke kommen sofort. Soll ich ihnen Brot mit Olivenöl und Aioli bringen, so als kleine Vorspeise?", „Gerne.", sagten Paps und Pau fast im Einklang. „Okay. Ich bin gleich wieder da." Sie ging und Pau wandte sich an mich.
„Besser Engel?", „Ja. Tut mir leid, dass ich so empfindlich bin.", „Hey, keine Entschuldigung für etwas wofür du nichts kannst. Das hatten wir doch besprochen. Aber schön, dass es dir besser geht. Willst du dich wieder auf deinen Stuhl setzen?", „Ja", sagte ich und setzte mich wieder auf meinen Platz.
„Marilena?", „Si papá?", „Sagst du mir was gerade passiert ist? Nur wenn du willst. Ich will nicht, dass du dich schlecht fühlst.", „Meine Ohren spielen mir manchmal einen Streich und dann hört sich alles um mich herum viel viel lauter an als es wirklich ist, vorzugsweise in Situationen, in denen ich sowieso schon gestresst bin.", „Okay. Und für den Fall, dass das passiert wenn wir Beide alleine sind. Was soll ich dann machen, was hilft dir da?" Ich zögerte und wusste nicht ganz was ich sagen sollte. Pau sprang mir zur Seite. „Nimm sie in den Arm. Schirm sie mit deinem Oberkörper ab, damit die Töne gedämpft werden. Das hilft oft. Lass sie sich an dich lehnen, damit sie deinen Herzschlag hört und wenn sie das nicht von alleine macht, dann lehn sie vorsichtig an dich an. Sie ist dann so sehr gestresst, dass sie das nicht von alleine machen würde.", „Das mit dem Herzschlag hat dich früher auch immer beruhigt.", sagte Paps und lächelte mich an. Ich lächelte zurück. Das stimmte. Als ich noch in der ersten Klasse war, da hatte ich bereits meine ersten Panikattacken. Dann hat Papa, Pau, Rick oder Fede mich in den Arm genommen und ich habe mich dann durch ihren Herzschlag beruhigt.
„Eine Sache noch Papa. Mach einfach ganz normal weiter. Wenn du mit jemandem am reden warst, dann rede weiter. Wenn du gerade Fernsehen geschaut hast, dann schau weiter. Mach einfach weiter, als wäre nichts passiert. Sonst gibst du ihr das Gefühl, dass alle Aufmerksamkeit auf ihr liegt und das würde es nur noch schlimmer machen. Halt sie einfach fest in deinen Armen und sei für sie da. Mehr braucht sie in dem Moment nicht.

Ich und meine 5/3 BrüderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt