Troy umklammert den Bombenkoffer. Adrenalin rauscht durch seine Adern und wird von komplizierten Algorithmen in reine Energie umgewandelt. Wenn ich in meinem eigenen Körper stecken würde, hätte ich mich beim Blick in die vielen Pistolenmündungen bestimmt eingenässt. Aber Troy denkt gar nicht ans Scheitern oder Sterben. Natürlich nicht. Er ist ein Androide und auch wenn er heute seinen ersten eigenständigen Gedanken hatte, bedeutet das nicht, dass er plötzlich über den Tod nachgrübeln würde. Statt in Panik zu verfallen, analysiert er seine Gegner und sucht nach einer Schwachstelle.
Plötzlich erscheint SCARLET zwischen den Nefariern. Sie hält einem von ihnen Zeige- und Mittelfinger gegen die Schläfe und tut so als ob sie abdrücken würde. Dann posiert sie mit ihrer "Waffe" und zwinkert uns zu.
Im nächsten Moment geht der Feueralarm los. Die Nefs sind für einen winzigen Moment irritiert. Diese Millisekunde reicht Troy vollkommen aus. Er wirft sich zur Seite und platzt, begleitet von einem Splitterregen, durch die gläserne Wand ins angrenzende Zimmer. Scherben schneiden in seine Haut und bleiben in seinem Fleisch stecken, doch ich empfinde keinen Schmerz.
Sofort ist Troy wieder auf den Beinen und rennt weiter. Plasmageschosse zischen ihm um die Ohren. Glas splittert. Eines der Geschosse streift seine Hüfte, aber wieder spüre ich keinen Schmerz. Nur ein intensives Kältegefühl, gefolgt von einem Prickeln und Stechen.
Troy durchquert das Hotelzimmer und platzt erneut durch eine Glaswand in eine größere Suite. Dort sind ein fetter, ziemlich behaarter Mann und eine dürre Rothaarige soeben dabei sich zu lieben. Als sie unser Eindringen bemerken, halten sie überrascht inne und beobachten aus weit aufgerissenen Augen, wie Troy an ihnen vorbei zur Tür spaziert.
Auf dem Flur werden wir sofort wieder angegriffen. Ein Nefarier in einem dunklen Kampfanzug richtet seine Waffe auf Troys Kopf, aber Troy ist zu schnell für ihn. Er packt seinen Arm und rammt ihn gegen die Türkante, sodass die Unterarmknochen splittern und der Nefarier seine Pistole fallen lassen muss. Dann verpasst er ihm einen Faustschlag mitten ins Gesicht. Der Nef stolpert rückwärts. Troy hebt seine Waffe auf und schießt ihm in den Kopf. Sein zweiter Schuss trifft einen weiteren, heranstürmenden Nef in die Brust. Die anderen Nefs gehen auf dem Flur in Deckung und nehmen uns unter Beschuss. Troy weicht ihren Geschossen aus und rennt den Korridor hinunter.
Hinter einer Gangbiegung stoßen wir auf zahlreiche Hotelgäste, die vom Feueralarm aus ihren Zimmern gelockt worden sind und wenig begeistert zum Treppenhaus strömen. Troy mischt sich unter die Flüchtenden und lässt sich vom Strom davontragen.
›WHISKEY?‹, denke ich, in der Hoffnung, dass Ingrids Programm über eine Gehirnwellenerkennung verfügt.
Der Kater erscheint auf dem Kopf eines glatzköpfigen Mannes, der vor uns die Treppe hinunterstolpert. »Ihr müsst in den Keller«, sagt er. »Von da aus gibt es einen Zugang zum unterirdischen Tunnelsystem.«
›Denkst du, wir schaffen das, bevor die Bombe hochgeht?‹
WHISKEY mustert mich aus seinen indifferenten, goldenen Katzenaugen. »Um diese Frage zu beantworten, habe ich nicht genug Daten.«
›Wir schaffen das‹, höre ich TROYs Stimme in meinem Kopf – das heißt in seinem Kopf. Beinahe so als säße er direkt neben mir.
›Was hast du-‹
Ich schnappe gedanklich nach Luft, als Troy den Handlauf packt, sich über das Geländer schwingt und mitsamt dem Koffer in die Tiefe springt. Sein hässliches Hemd flattert hinter ihm in der Luft, dann landen wir auch schon im Keller. Ich spüre den Aufprall in den Knien. Ein normaler Mensch hätte diesen Sprung mit Sicherheit nicht überlebt, aber Troy kommt dabei nicht mal ins Schwitzen.
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Shorts
Short StoryEine Sammlung meiner Kurzgeschichten. Enthält: PEOPLE SICKNESS (Ideenzauber 2019) Faulig (Ideenzauber 2020) Ein Sommernachtsalbtraum (Sommernachtsträume 2020) Erdbeernächte (Sommernachtsträume 2020) Operation Troy Lyrenvogel (Ideenzauber 2022) Tr...