2. Erster Eindruck

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Diese Nacht hatte ich kein Auge zutun können. Über das Wochenende hatten wir alle mit anpacken müssen, um unser neues Haus möglichst schön einzurichten. Immerhin standen wir nun nicht mehr in einem Meer aus Kartons, aber fertig waren wir noch nicht. Unsere Schlafzimmer waren soweit fertig, das Wohnzimmer und Mutters Büro benötigten allerdings noch etwas Handwerkkunst.
Ich öffnete meine (a/f) Augen und blinzelte leicht dem Licht entgegen, welches sich durch meine hellen Vorhänge kämpfte. Erster Schultag.
Ich war so aufgeregt, dass ich nichts von dem Frühstück runter kriegte. "Wenigstens etwas Reis, (d/n).", sprach meine Mutter. "Du brauchst doch Kraft, an deinem ersten Tag.", wies sie ernst, aber mit einem sanften Gesichtsausdruck an. Ich lächelte etwas gequält und hob beschwichtigend meine Hand. "Ja, okay...", murmelte ich und versuchte mich an ein paar Stäbchen.
Die Nervosität, sorgte für einen unangenehmen Kloß in meinem Magen und ließ nicht zu, dass ich auch nur einen, weiteren Bissen zu mir nehmen konnte. Also erhob ich mich, brachte das Geschirr in die Küche und wusch ab, ehe ich mich dem Flur zuwandte.
"Ikuto. Bitte geh mit deiner Schwester. Zu zweit verirrt ihr euch sicher nicht." Ich warf meinem Bruder einen Blick zu und er erwiderte ihn wenig begeistert. "Hm.", grummelte er leise und zuckte einmal kaum merklich mit den Schultern. "Gehe aber nicht langsam für dich, Nervensäge." Das letzte Wort sprach er auf Deutsch. Einen Titel, den er mir verlieh, seit wir in Deutschland gelebt hatten. "Würdest du mich bitte nicht mehr so nennen?", erwiderte ich und stolperte ihm aus dem Haus hinterher. Ich winkte meiner Mutter noch einmal zu. Ab morgen würde sie ihren neuen Job antreten und ich würde etwas früher aufstehen, um für das Frühstück zu sorgen.

Der Weg zur Schule war um einiges verwirrender, als ich es gewohnt war. Vermutlich war es Gewöhnungssache, doch die vielen Menschen und Bahnverbindungen, waren im ersten Augenblick durchaus einschüchternd.
Mein Bruder hatte nicht gelogen, als er meinte, er würde auf mein Tempo keine Rücksicht nehmen. Er war quasi ein Riese, ungefähr 1,90. Entsprechend hatte er kein Problem damit, sich durch die Menge zu drängen. Er stieß sich höchstens hin und wieder mal den Kopf.
Als es auf dem Bahnsteig ein großes Drängeln gab, verlor ich ich den Anschluss zu meinem Bruder und als direkt hinter ihm die Tür zuging, konnte ich nur dabei zu sehen, wie er mir mit einem amüsierten Ausdruck in den Augen zuwinkte. "Das kann doch nicht dein ernst sein...", murrte ich leise und stieß einen genervten Seufzer aus. "Blöder Idiot...", fluchte ich leise vor mich hin und bemerkte gar nicht, dass ich völlig im Weg stehen geblieben war. Das wurde mir spätestens dann bewusst, als ein Junge mit blonden Haaren und schwarzem Ansatz, geradewegs in mich hinein lief. Überrascht stolperte ich nach hinten und landete auf meinem Hintern. "W-Was zum...?", stieß ich überrascht aus. Der Junge sah mich mit unverändertem Gesichtsausdruck an, in seiner Hand hielt er eine kleine Spielkonsole. Mit der anderen, beugte er sich vor, um mir auf die Beine zu helfen. "Sorry.", murmelte er eher, als dass er sprach, wandte doch sogleich seine Augen wieder von mir ab. "Ä-Ähm. Ist okay.", sprach ich und klopfte mir den Staub von meinem Rock. Hoffentlich war dort nun kein Fleck. Der Junge wandte sich direkt wieder ab, um näher an das Bahngleis zu gelangen, als ich seine Schuluniform realisierte. Meine (a/f) Augen weiteten sich leicht und aus einem Reflex heraus, hielt ich den Jungen am Arm fest. "Ahh, warte mal kurz."
Etwas irritiert drehte sich der Junge zu mir um und blickte mir entgegen. "Ja?"
Verlegen löste ich meine Hand von ihm und zog sie wieder zurück. "A-Also, du gehst zur Nekoma Oberschule, oder?" Der Junge nickte. "Ich bin neu dort. Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich dich begleite? Ich bin mir nicht so sicher, wie ich dahin komme und mein Bruder ist.. abgehauen." Der Junge legte seinen Kopf leicht schief und zuckte dann mit den Schultern. "Klar. In welche Klasse gehst du?" Erleichtert bildete sich ein Lächeln auf meinen Lippen. Gemeinsam betraten sie die nächste Bahn, die einfuhr und stellten sich nebeneinander. "Ich gehe in den dritten Jahrgang. Aber ich weiß noch nicht, in welche Klasse. Das erfahre ich im Schulbüro.", erklärte ich lächelnd und warf einen neugierigen Blick auf die Konsole des Jungen. Er spielte gerade irgendein Jump 'n' Run Spiel. "Und du?", erkundigte ich mich und hob meinen Blick zu seinem Gesicht. "2 c.", sprach er und verzog leicht sein Gesicht, als ein Game Over auf seinem Bildschirm erschien. "Das heißt also, du bist ein Sempai.", stellte er leise fest und löste seinen Blick von der Konsole, um mich anzugucken. Ich kratzte mir verlegen am Hinterkopf und lächelte leicht. "Ah.. diese Umgangsformen bin ich gar nicht mehr gewohnt.", gab sie leise zu. "Ich bin übrigens (d/nn) (d/vn). Und du?" Der Junge steckte seine Konsole ein. Offensichtlich mussten sie gleich aussteigen. "Kozume Kenma.", stellte er sich ruhig vor und deutete mit einem Finger zum Ausgang. "Wir müssen raus." Kenma schien kein Junge vieler Worte zu sein, doch er war trotzdem höflich. Es erleichterte mich irgendwie, schon mal jemanden kennengelernt zu haben. Schade, dass er eine Klasse unter sie ging.
Gemeinsam liefen sie das letzte Stück von der Haltestelle zur Schule. Mit jedem Schritt, schnürte sich mir die Luft in meiner Kehle etwas mehr zu. Was, wenn ich mich total blamierte? Ich war es nicht mehr gewohnt, eine japanische Schule zu besuchen. Drei Jahre lagen zwischen dem letzten Mal. Ich blieb vor dem Eingangstor stehen und grub meine Finger in meine verschränkten Arme. Kenma blieb stehen und warf einen Blick über seine Schulter. "Alles okay? Ich bringe dich noch zum Schulbüro." Ich warf ihm ein dankbares Lächeln zu und nickte. "Ja, ich komme."
Sie betraten das große Gebäude und sofort spürte ich allerhand Blicke auf meiner Haut. Ob es Einbildung war, oder nicht, wusste ich nicht. Immerhin hasste ich es, großartig aufzufallen. "Siehst du die da?" Ich folgte Kenma in schnellen Schritten. Dadurch, dass ich eine Bahn später genommen hatte, war ich später dran, als ich wollte. Dennoch war ich scheinbar noch im Zeitrahmen. "Ja. Habe ich noch nie gesehen. Ist die neu?" "Sie ist total hübsch." "Wie aufregend, ob sie wohl aus Japan kommt?" "Ein ausländisches Modell eventuell?" "Sieht zickig aus." "Bestimmt eingebildet." "Hoffentlich nicht in meiner Klasse." Ich presste leicht meine Lippen aufeinander und versuchte, das Getuschel zu ignorieren, welches ich hinterließ.
"Hier ist es." Kenma löste mich aus meinen tunnelartigen Gedanken und überrascht blinzelte ich. "Oh, danke.", sprach ich und warf ihm noch ein freundliches Lächeln zu. "Ich weiß das wirklich zu schätzen. Eventuell sieht man sich ja mal auf dem Flur, Kozume-kun." Der Junge nickte und warf mir noch einen letzten Blick zu, ehe er sich, mit der Konsole in seinen Händen, abwandte.
Ich atmete noch einmal tief ein und aus, als ich dann das Büro betrat. "Guten Morgen. Mein Name ist (d/nn) (d/vn) und ich sollte mich hier melden, damit ich meiner Klasse zugewiesen werden kann. Mein großer Bruder war vermutlich auch schon hier..." Ein relativ junger Lehrer erhob sich und warf mir ein freundliches Lächeln zu. "Natürlich, (d/nn), wir haben dich schon erwartet. Folge mir." Ich nickte und strich mir aufgeregt über den Stoff meines Rockes. Mit jedem Schritt, den wir der Klasse näher kamen, wurde mir mehr und mehr schlecht und mein Herz schlug mir beinahe bis zum Hals. "Du hast gleich Geschichte.", erklärte der Lehrer höflich und deutete auf meinen neuen Klassenraum. 3 Jahr, Klasse 5. Ich schluckte kaum merklich und nickte. "V-Vielen Dank.", sprach ich und verbeugte mich leicht. Die Schüler schienen alle schon drinnen zu sein und zu sitzen, auch die Lehrerin war bereits da. Unsicher schob ich die Tür zur Seite und presste leicht meine Lippen aufeinander. "G-Guten Tag. Es tut mir leid für die Verspätung, ich musste mich erst noch im Schulbüro melden, weil ich neu bin.", stellte ich mich mit leicht bebender Stimme vor. "Ah! Mit dir habe ich schon gerechnet. Bitte stelle dich der Klasse einmal vor." Ich nickte und stellte mich neben die Lehrerin nach vorne, ehe ich mich leicht verbeugte. "Mein Name ist (d/nn) (d/vn). Ich bin gerade aus Deutschland zurück hierher gezogen. Ich freue mich auf gute Zusammenarbeit.", stellte ich mich vor und versuchte die Röte auf meinen Wangen zu ignorieren.
Erneutes Getuschel zog sich durch die Reihen. "Eeeeh.. wie aufregend, eine halb Japanerin?" "Ist die süß." "Sie spricht akzentfrei japanisch..." Ich löste mich aus meiner Verbeugung und ließ einmal meinen Blick über die Klasse schweifen. Zu meiner Erleichterung, war Ikuto nicht hier.
Die Lehrerin klatschte einmal in ihre Hände und warf mir einen Blick zu. "Gut. Dankeschön. Du kannst dich auf den freien Platz, dort hinten neben Kuroo setzen.", erklärte sie ruhig. Mein Blick folgte ihrem Finger und landete zunächst auf dem freien Platz, dann auf dem dunkelhaarigen Jungen daneben. Er erwiderte meinen Blick aus seinen honigfarbenen Augen heraus und auf seinen Lippen lag ein leichtes Grinsen. Irgendwie... kam er mir bekannt vor.
Ich ging zu dem Platz, der mir zugeteilt wurde und setzte mich. Ich spürte den Blick des dunkelhaarigen Schülers auf meiner Haut, doch ich blickte konzentriert nach vorne. So ein internationaler Schulwechsel tat sich nicht, ohne, dass man Schulstoff aufholen musste, so viel war sicher.
Als die Klingel zur Pause läutete, stieß ich einen erleichterten Seufzer aus. Zumindest um Geschichte brauchte ich mir keine Sorgen zu machen, ich konnte dem Unterrichtsstoff bisher gut folgen. "Hallo.", riss mich eine Stimme aus meinen Gedanken. Ich sah von meinem Platz herauf, direkt in die honigfarbenen Augen meines Sitznachbarn. "H-Hallo.", erwiderte ich mit einem zurückhaltenden Lächeln. Ganz schön groß, der Kerl... Er warf mir ein Grinsen zu. Und gutaussehend... "Hast du schon vorher in Tokyo gelebt, (d/nn)-san?" Ich schüttelte leicht meinen Kopf und erwiderte seinen Blick. "Ich komme ursprünglich aus Miyagi.", erklärte ich. "Wir sind dann für drei Jahre nach Deutschland gezogen und nun zurückgekehrt." Kuroo ließ einen kleinen Pfeiflaut über seine Lippen gleiten und seine Hände verschwanden in seiner Hosentasche. "Ah echt? Und wie war es in Deutschland?" Bei den Erinnerungen an meine Zeit in Deutschland, drehte sich mir gleich wieder der Magen um. Diese Zeit war von Streit zwischen ihren Eltern geprägt, von Hänseleien in der Schule und von purem Heimweh. Es war nichts, auf das ich mit Freude zurückblickte. Mit Ausnahme von wenigen, guten Freunden, die ich nun gewiss vermissen werde. "Ähm, es war.. eine gute Erfahrung.", wich ich der Frage so halb aus und strich mir leicht über meinen Arm. "Hey Tetsurou.", sprach eine mir bekannte Stimme. "Kenma!", stieß Kuroo grinsend aus und ging zu seinem Freund, um ihm den Arm um die Schultern zu legen und ihn zu mir zu ziehen. "Das ist-", setzte der dunkelhaarige Schüler an. "(d/nn).", sprach Kenma ruhig. Irritiert löste sich Kuroo und blickte zwischen mir und dem blonden Jungen hin und her. "Ihr kennt euch?" Ich lächelte erfreut und sah hinüber zu Kenma. "Ja, er hat mir heute den Weg zur Schule gezeigt. Vielen Dank nochmal.", sprach ich. "Kenma, du machst dich an eine ältere Schülerin ran? Also wirklich. Du hast ja Mut." Bei Kuroos Worten, legte sich eine Röte auf mein Gesicht. "Nein. Das überlasse ich dir.", murmelte Kenma ruhig. "Tut mir leid, dass du mit ihm in einer Klasse bist." Kenma warf mir einen Blick zu und ich musste etwas kichern. "Hey!", verteidigte der dunkelhaarige sich, doch Kenma schnappte sich unbeirrt einen Stuhl und setzte sich zu mir an den Tisch, um an seiner Konsole zu spielen. "Dachte, du hast heute morgen verschlafen. Warst nicht da, bin also alleine los.", murmelte er abwesend. Kuroo schüttelte den Kopf. "Nee, musste vorher los. Noch etwas für den Club vorbereiten. So als Kapitän.", erklärte er mit seinem Grinsen. Das schien wohl sein Markenzeichen zu sein. "Club?", wiederholte ich interessiert und setzte mich auch wieder auf meinen Stuhl. "Ja! Kenma und ich sind im Volleyballteam." Meine (a/f) Augen weiteten sich vor Erstaunen. "Oh, ich habe auch Volleyball gespielt! Gibt es hier auch ein Mädchenteam?" Hoffnung lag in meiner Stimme, die sofort ihr jähes Ende fand, als Kuroo mit dem Kopf schüttelte. "Du magst Volleyball? Das trifft sich gut. Wir haben nämlich noch keine Managerin." Kenma hob seinen Blick kurz von der Konsole. "Nur, weil sie Volleyball mag, heißt es nicht, dass sie deshalb Lust darauf hat, unser Team zu babysitten." Managerin? Meine Gedanken übertönten die Diskussion zwischen Kuroo und dem abwesenden Kenma im Hintergrund. Ob mir das liegen würde? Ich hielt mich ja eigentlich eher bedeckt... Und dann waren da auch nur Jungs. Aber wenn es kein Volleyballteam für Mädchen ging, konnte ich so zumindest trotzdem mit dem Sport verbunden sein? Wenn sie gut waren, würden sie bestimmt auch Turniere machen, das könnte spannend sein... "Und?" Kuroos Stimme riss mich aus meinen Gedanken. "I-Ich weiß es nicht. Ich würde mir gerne vorher euer Team angucken.", gab ich vorsichtig zu. Ich würde jetzt nicht blindlinks zusagen und am Ende in etwas feststecken, was mir keinen Spaß machte. Kuroo grinste zufrieden. Das schien ihm als Antwort zu genügen. "Gut, dann komm heute nach dem Unterricht mit zum Training.", schlug er vor. Ich nickte lächelnd. "Okay. Ich folge dir dann."
Die Klingel ertönte und veranlasste, dass Kenma sich von seinem Stuhl erhob. "Also dann bis später.", sprach er und wandte sich ab, die Augen noch immer auf seine Konsole gerichtet. Ein Wunder, dass er nicht hinfiel, so unaufmerksam, wie er dahin schlenderte.
Managerin... Das klang zumindest vielversprechend. Kein schlechter Start.

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Ich schreibe heute im Laufe des Tages / Abends definitiv noch weiter. (: Werde generell versuchen, täglich etwas hochzuladen.
Sorry für die langen Kapitel, aber ich mags einfach lieber, wenn nicht alles von jetzt auf gleich passiert, haha.
Für Wünsche, Kritik und Äußerungen bin ich offen!
Hoffentlich gefällt es euch bis dahin, falls das überhaupt jemand liest. xD

Eins zu sieben Milliarden (Kuroo x Reader)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt