In der Woche zwischen Weihnachten und Silvester habe ich mich in die Notaufnahme geschmuggelt. Da in dieser Zeit weniger OPs stattfanden (war nur für zwei kleinere eingeteilt) und die meisten Studenten Urlaub genommen hatten, wollte ich die Gelegenheit nutzen, in der Notaufnahme möglichst viel sehen und machen zu können. Wusste ich, auf was ich mich da einlasse? Findet's heraus... Da ich unglaublich viel gesehen habe, kommt diese Woche der erste Notaufnahmen-Teil und nächste Woche der zweite, sonst würde dieses Kapitel den Rahmen sprengen ;-)
Emergency Room, endlich Leben retten. Alle rennen hektisch umher, ein Schwerverletzter nach dem nächsten wird eingeliefert, jede Sekunde zählt. Läuft das so ab wie in der Serie?
Meistens nicht, jaja, ich war auch überrascht. Die ersten beiden Stunden ist nämlich überhaupt nichts passiert. Dazu muss man wissen, dass in der interdisziplinären Notaufnahme verschiedene Fachärzte arbeiten. Je nachdem, welcher Patient eingeliefert wird, überlässt man dann dem Kollegen das Feld. Wenn zum Beispiel ein Patient mit Verdacht auf Herzinfarkt eingeliefert wird, hetzt der Internist ins Zimmer, während der Unfallchirurg noch einen Kaffee trinkt. Ist eine ältere Dame die Treppe herabgestürzt und hat sich das Bein gebrochen, läuft es stattdessen umgekehrt. Den Halbgott in Weiß, der vom Ileus (Darmverschluss) über die Frühgeburt bis hin zum Schädel-Hirn-Trauma alle Patienten perfekt behandelt, gibt es wohl nur im Fernsehen.
Los ging meine Woche dann relativ unspektakulär mit der BG-Sprechstunde (BG steht für Berufsgenossenschaft). Grob gesagt geht es dabei um Arbeitsunfälle, bei denen statt der Krankenversicherung die Unfallversicherung zahlt. Die Chirurgen hassen die BG-Sprechstunde, weil die jede Menge Papierkram mit sich bringt. Man verbringt mindestens doppelt so viel Zeit, um Formulare auszufüllen wie mit dem Patienten und das ist echt ätzend. Deutsche Bürokratie eben. So geht's in der Sprechstunde relativ flott voran: Verband abnehmen, Wunde/OP-Narbe auf Infektion prüfen, DMS (Durchblutung-Motorik-Sensibilität) bewerten, Patient über weitere Behandlung aufklären (Reha? Physiotherapie? Wann darf Patient wieder belasten? Typische Patientenfrage: Wie lange dauert das denn noch? Typische Patientenreaktion auf Antwort: Och nö, so ewig?) und neuen Verband anlegen. Von vom Gabelstapler angefahren über Kiste auf den Kopf bekommen sieht man alles, was auf der Arbeit passieren kann. Ist nur nicht so actionreich, weil es ja die Kontrolluntersuchung ist.
Was ist jetzt mit den Notfällen? Bin ich nur im Schildkrötentempo vom Aufenthaltsraum zur Sprechstunde geschlurft?
Glücklicherweise nicht. Nach den ersten zwei Stunden hat es nämlich doch gepiepst und auf der Anzeigentafel, auf der die Patienten aufblinken, die mit dem Rettungswagen eingeliefert werden, stand "Häusliches Umfeld-Unfallchirurgie". Ob es sich lohnt, in Panik zu verfallen oder nicht, sieht man auf der Tafel praktischerweise dank des Ampelsystems: Blinkt es grün, ist der Patient stabil, bei gelb sollte man schon mal das Brötchen beiseite legen und einen Zahn zulegen und bei rot sollten die Alarmglocken schrillen. Auch wer gebraucht wird (Neurologie, Innere etc.) und ob der Schockraum benötigt wird, wird auf der Tafel angekündigt. Der Schockraum dient zur Erstverletzung schwerverletzter Patienten, aber dazu später mehr, wenn ich selbst mal da war.
Bei meiner ersten Patientin blinkte es glücklicherweise grün. Bald danach wurde sie von den Rettungssanitätern gebracht, die uns eine kurze Übergabe mitlieferten (Wer? Wann? Wo?) und uns halfen, die Patientin in ein Bett umzulagern. Die durchtrainierten Sanis sind übrigens ein Pluspunkt, wenn man in der Notaufnahme arbeitet, es schadet ja nichts, ab und an mal ein paar hübsche Kerle (oder für die Männer unter uns Damen) zu sehen :D Und sie sind so selbstbewusst, retten an der Frontline Leben und haben meistens auch Muskeln, denn so eine Trage hochzuheben erfordert einiges an Kraft. Aber genug, ich schweife ab... Schadet aber nichts, für harte Arbeit ab und an ein Augenschmankerl als Belohnung zu bekommen, egal wo man arbeitet :D
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Medic to be
Não FicçãoMein letztes Studienjahr (oder auch Praktisches Jahr/PJ) im Krankenhaus. Werde ich im OP umkippen? Vor den Patienten so rüberkommen, als wüsste ich, was ich da tue? Und wie war das gleich nochmal mit der Pandemie? Feiert mit mir meine Erfolge und sc...