Tatütata: Mein Tag mit dem Notarzt und Bye, bye Chirurgie

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Endich war es soweit und meine letzten beiden Wochen in der Chirurgie standen vor der Tür. Zehn Tage und ich würde nie mehr einen OP betreten müssen! Unglaublich. Während des Tertials zogen sich die Stunden am Operationstisch manchmal ewig in die Länge und während mein Magen knurrte und mir langsam schwindlig wurde, sehnte ich den letzten Tag Chirurgie das ein oder andere Mal herbei. An anderen Tagen machte sich so etwas Melancholie breit, denn abgesehen von den langen OPs gefiel es mir in der Klinik sehr gut. Die netten Leute (ja auch die allermeisten ChirurgInnen), der häufige Studentenunterricht, das gemeinsame Mittagessen in der nun immer häufiger auftauchenden Sonne... 

Obwohl ich es nie für möglich gehalten hatte, hatte ich mich in der Chirurgie gut eingewöhnt und ging an den meisten Tagen gerne zur Arbeit. Während der letzten beiden Wochen gab es wieder Corona-Ausbrüche beim Pflegepersonal, was die Zahl der OPs reduzierte (weil nicht genügend Betten für frisch operierte Patienten zur Verfügung gestanden hätten) und somit den studentischen Alltag entspannte. Es blieb also Zeit, mich mit meiner netten Mitstudentin im Arztzimmer zu unterhalten oder auch mit dem neuen Assistenzarzt aus der Ukraine, den die Situation in seiner Heimat natürlich belastet. Glücklicherweise wohnen seine Eltern, seine Frau und sein Sohn in Deutschland und Portugal, doch er hat noch Freunde in der Ukraine, um die er sich Sorgen macht. Als ukrainisch sprechender Chirurg wird er in Deutschland aber hoffentlich vielen Menschen aus seiner alten Heimat helfen können. 

Helden in Rot-Weiss: Mein Tag mit dem Notarzt

Dank des durch Corona entrümpelten OP-Programms schaffte ich es, mir in meiner letzten Woche Chirurgie den Notarzt-Pieper zu schnappen. Das ist ein kleiner Pieper, den man auf der Intensivstation abholt und der piept, wenn ein Notarzteinsatz stattfindet. Es ist gar nicht so einfach, sich den Pieper zu sichern, denn als PraktikantIn beim Notarzt wollen viele Ärzte, die die Zusatzausbildung zum Notarzt machen und Studenten mitfahren. Die Ärzte in Ausbildung haben Vorrang, was bedeutet, dass man als Student den Pieper schnell wieder los ist, wenn um halb acht gleichzeitig ein ärztlicher "Konkurrent" auf der Intensivstation erscheint, um den Pieper abzuholen. Das ist einer anderen Studentin ein paar Mal passiert und natürlich wirklich enttäuschend. In meiner letzten Woche hatte ich allerdings "Glück", denn viele der Anästhesisten, die die Ausbildung zum Notarzt machen, waren entweder in Quarantäne oder wurden im OP gebraucht, um den Ausfall ihrer Kollegen zu kompensieren. Vor dem Notarzt-Praktikum muss man sich auch spezielle Sicherheitsschuhe ausleihen und eine rot-weiße, feste Notarztjacke mitnehmen, falls man zu einem Verkehrsunfall geschickt wird (zur besseren Sichtbarkeit, ich habe die Jacke am Anfang auch vergessen, aber dazu später mehr). 

Als Student und vermutlich auch als Fernsehzuschauer stellt man sich den Notarzteinsatz so vor, dass der Pieper ununterbrochen losgeht, man von einem Einsatz zum nächsten hetzt und am laufenden Band reanimiert. Die Realität ist ein wenig unspektakulärer, denn ich schleppte den Pieper erstmal 3 Stunden auf der Station mit mir herum, ohne dass etwas passierte. Ich persönlich fand es stressig, den Pieper dabei zu haben, denn man wartet ständig darauf, dass etwas passiert, weshalb ich angespannt war und mich auf die reguläre Stationsarbeit nicht gut konzentrieren konnte. Glücklicherweise hatte ich ab zehn nicht mehr viel zu tun (denn es wäre sehr ärgerlich wenn man gerade einen Verband wechselt und nicht gleich weg kann und dann der Pieper losgeht) und konnte im Arztzimer auf meinen Einsatz warten. Irgendwann entspannte ich mich und rechnete nicht mehr damit, dass bald ein Einsatz folgen würde (ich fragte mich sogar, ob ich den Pieper falsch eingeschaltet hatte und er deswegen nicht anschlug?). Gerade als ich der anderen Studentin erzählte, wie schade es ist, dass ich nun den Notarzt-Pieper habe und nichts passiert, ertönte der schrille Signalton. Wie von einer Tarantel gestochen sprang ich auf und rannte aus dem fünften Stock ins Erdgeschoss und auf die Tür, die als Treffpunkt dient, zu.

 Vor der Tür parkte bereits das NEF (Notarzteinsatzfahrzeug), das von einer Notfallsanitäterin gesteuert wurde. Das NEF sieht aus wie ein kleiner Van und besitzt neben zwei Sitzen vorne für den Notarzt und die Notfallsanitäterin einen "Praktikantensitz" hinten und einen riesigen "Kofferraum" mit jeder Menge Material. Da der Notarzt noch nicht da war, machte ich die hintere Tür auf, quetschte mich ins Fahrzeug und stellte mich mit den Worten "Hallo, ich bin Studentin, ist es okay, wenn ich heute mitfahre?" vor. Da beim Notarzt ständig Praktikanten mitfahren, sind die Sanitäter daran gewöhnt und ich durfte bleiben. Ein paar Minuten später kam auch schon der Notarzt angerannt und nun hieß es anschnallen-denn dann ging es mit "Tatütata" und in einem Affenzahn auch schon los zum Einsatzort. Normalerweise bin ich kein Adrenalin-Junkie und auch keine Angeberin, aber ich muss zugeben, dass es ein megageiles, den Herzschlag erhöhendes Gefühl war, mit Blaulicht durch die Gassen zu düsen :D Ich kam mir schon toll vor, so als "Retterin in Rot-Weiß" im Praktikum mitzuhelfen, einen Patienten zu retten :D Angst hatte ich erstaunlicherweise keine, obwohl das NEF sich in hohem Tempo an Autos vorbei schlängelte, die den Weg blockierten, und dann die kurvige Landstraße entlang raste. Notfallsanitäter müssen sehr gut Auto fahren können (ich vermute, sie bekommen extra Fahrstunden :D), denn in dem Tempo hätte ich persönlich keinen Van durch die Stadt steuern können, ohne überall anzuschrammen. 

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