Station lahm gelegt, Studenten-Mobbing: Eine nicht so tolle Woche

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Bis zur letzten Woche lief mein Chirurgie-PJ wirklich gut und all die Vorurteile, die ich vor der Chirurgie hatte, hatten sich bis dahin nicht bestätigt (à la "Student soll nur Haken und Klappe halten", jeder hackt auf jedem herum, man muss den kompletten Tag bis zur Erschöpfung pausenlos am Tisch stehen etc.). Letzte Woche dagegen habe ich leider doch zu spüren bekommen, dass man als Student auf der niedrigsten Stufe der Hierarchie steht und somit eine willkommene Zielscheibe für allen möglichen Frust ist, der sich (in dieser anstrengenden Zeit und allgemein) angestaut hat. 

Omikron rauscht durch: Offizieller Ausbruch und Abriegelung der Station

Am Freitag der Vorwoche wurde klar, dass sich die Hälfte des Pflegeteams mit Omikron angesteckt hatte. Somit herrschte auf der Station krasse Unterbesetzung, weshalb ein Aufnahmestopp verhängt wurde. Das heißt: Soweit es irgendwie ging, wurden die Patienten entlassen und neue allgemeinchirurgische Patienten auf anderen Stationen untergebracht. Das verwirrte mich, da man plötzlich Patienten auf der Neurologie und der Inneren besuchen und am Morgen bei der Visite ungefähr fünf verschiedene Stationen abklappern musste. Auf der Allgemeinchirurgie traf man die Woche über viele neue Gesichter, da Pfleger und Krankenschwestern von anderen Stationen aushilfsweise dorthin geschickt wurden. Natürlicherweise wurde es manchmal chaotisch, da viele sich nicht auf der Station auskannten. Auch die elektiven OPs waren für die komplette Woche abgesagt, damit das Pflegeteam entlastet wurde und ausreichend Zeit hatte, sich um die anwesenden Patienten, bei denen viele komplizierte Fälle dabei sind, zu kümmern. 

Offiziell wurde für die Station ein "Ausbruch" verkündet, was oben genannten Aufnahmestopp für neue Patienten sowie ein Besuchsverbot beinhaltete. Zudem mussten sich alle, die sich auf der Station aufhielten, statt zweimal pro Woche jeden Tag per Schnelltest testen. Auch der Assistenzarzt, mit dem ich die Woche davor jeden Tag mehrere Stunden lang bei der Visite oder beim Verbände wechseln verbrachte, wurde positiv auf Corona getestet. Deshalb erwartete ich, dass auch mein Schnelltest im Laufe der Woche positiv ausfallen würde. Überraschung: Die Tests waren immer negativ. Und das, obwohl besagter Assistenzarzt gerne mal ohne Maske im Arztzimmer saß. Mein Fazit: Konsequentes FFP2-Masken tragen, außer wenn man mal kurz etwas isst oder trinkt, schützt auch bei Omikron sehr gut. Denn ich kleiner Hygienestreber hatte meine Maske auch im Arztzimmer immer durchgehend auf. Auch die Arztassistentin erzählte mir, dass sie bei einer Patientin mit schwierigen Venen ewig im Zimmer war, um den Zugang zu legen, sich bei ihr und ihren beiden danach positiv getesteten Zimmergenossinnen aber nicht ansteckte. Also Leute: Hygienemaßnahmen schützen, auch wenn ihr euch länger in der Nähe von Corona-positiven aufhaltet.

Ungewohnter Leerlauf im OP: Biathlon schauen im PJ-Raum

Die Absage der elektiven OPs machte sich auch im OP bemerkbar, denn während normalerweise den ganzen Tag über eine Studentin im OP eingeteilt war, gab es nun Tage, an denen wir alle drei nach der Visite und den Verbandswechseln nichts mehr zu tun hatten. Selbst beim Blutabnehmen konnten wir nicht helfen, da die Arztassistentin dies bei den wenigen Patienten auf Station bereits erledigt hatte. Insofern schaffte ich es zum ersten Mal während meines Tertials in den PJ-Raum. Dort stehen zwei Computer und Lehrbücher, damit man sich fortbilden kann, wenn gerade Leerlauf herrscht. Da wir am Vormittag allerdings nicht in der Stimmung fürs Lernen waren, schalteten wir den Computer ein und sahen uns ein olympisches Biathlon-Rennen an. Vorher hatte ich mit dem Assistenzarzt, der die Notaufnahme betreut, abgemacht, dass er uns anrufen sollte, wenn er dort Patienten hat (was er nicht tat, entweder weil wirklich keine Patienten kamen oder aus einem anderen Grund, den ich weiter unten noch schildere). Hatten wir uns in den Wochen vorher manchmal gewünscht, weniger häufig in den OP zu müssen oder in Ruhe Mittagessen zu können anstatt nach fünf Minuten angerufen zu werden, fanden wir nun heraus, dass nichts zu tun zu haben nach einer Weile auch keinen Spaß mehr macht. Die Stunden zogen sich wie ein Kaugummi dahin, weshalb ich nach dem Biathlon-Rennen noch eine Folge "Emily in Paris" sah und mir im Atlas Bilder vom Bauchraum ansah. Da wir so viel Zeit hatten, aßen wir zwei Stunden lang zu Mittag und waren froh, als endlich der Unterricht anfing und das Herumsitzen ein Ende hatte.

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