Tschüss Innere: Allein auf der Station, jede Menge Iso-Zimmer und Muffins backen

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Nachdem ich gut erholt aus dem Urlaub zurück auf der Station angekommen bin, schlug das Corona-Chaos leider wieder mal zu. Ich dachte eigentlich, ich hätte meine letzten eineinhalb Wochen in der Inneren Medizin jede Menge Zeit, noch mal in die Funktionsabteilung oder die Notaufnahme zu gehen, da geplanterweise drei Fachärztinnen, eine leitende Oberärztin und eine Assitenzärztin auf der Nephro wären-Pustekuchen. Es stellte sich heraus, dass die leitende Oberärztin zwei Wochen im Urlaub ist und das wäre ja noch gut zu managen gewesen. Nur leider arbeiten zwei der Fachärztinnen aufgrund ihrer Kinder nur 80%, was bedeutet, dass jede von ihnen nur vier Tage pro Woche kommt. Zudem haben die Ärztinnen noch manchmal Nachtdienst und fallen am darauf folgenden Tag aus. Dann musste die Assistenzärztin noch in Quarantäne, weil sie positiv getestet wurde- und schon gab es wieder die Situation, dass nur noch eine einzige Ärztin auf der Station war, da die andere anwesende Ärztin die leitende Oberärztin in der ambulanten Dialysepraxis vertreten musste. Statt einer gechillten Zeit mit jeder Menge Ärztinnen auf der Station, während der die Studentin nicht gebraucht wird und sich nochmal an die interessantesten Orte in der Klinik mit dem größten Lerneffekt für Studenten verdrücken kann (also Notaufnahme und Funktionsdiagnostik), erwartete mich leider der stressige Stationsalltag.

Handlangertätigkeiten, Materialmangel und eine Studentin allein auf der Station

Vor allem die erste Woche nach meinem Urlaub war leider so ganz und gar nicht spannend, denn dadurch, dass außer einer Ärztin und mir niemand auf der Nephro war, wurde ich noch viel mehr zu Hilfsdiensten verdonnert als die Wochen zuvor. In einem gewissen Maß ist es zwar verständlich und völlig in Ordnung, wenn man als Student Hilfsarbeiten wie Blut abnehmen, faxen, Befunden hinterher telefonieren oder CDs mit Röntgenbildern aus der Radiologie holen muss, wenn man aber den Großteil der Zeit damit verbringt, ist das deutlich zu viel. Schließlich werden PJ-Studenten ja mit der Begründung so mies bezahlt (bei einem Stundenlohn von zwei Euro gehört man im PJ schon zu den am besten Verdienenden), dass wir "zum Lernen" in der Klinik sind. Aus dem gleichen Grund werden uns auch grundlegende Arbeitnehmerrechte wie Krankheitstage verweigert (die werden von den erlaubten 30 Urlaubstagen im PJ abgezogen, von denen sowieso schon 3-4 Wochen am Ende des dritten Tertials fürs Lernen draufgehen). Wenn man also all diese Nachteile hat und nicht als regulärer Mitarbeiter, sondern als Praktikumsstudent, der "zum Lernen" da ist, gilt, möchte ich bitte schön einen gewissen Teil des Tages auch was lernen und nicht nur Handlangerarbeiten verrichten. Ich kann verstehen, dass die Ärzte teilweise zu gestresst sind, um den Studenten was beizubringen und ihren eigenen workload reduzieren, indem sie den unangenehmen, langweiligen Teil an die Studenten abdrücken, aber ich finde es trotzdem nicht gut. 

Immerhin bekam ich in der Woche genug Bewegung, denn ich musste ständig die Treppe zur Radiologie hinauf und hinunter rennen (siehe Röntgen-CDs abholen), zur ambulanten Dialysepraxis im Gebäude nebenan laufen, um eine Versichertenkarte abzugeben, auf eine andere Station laufen, um zu faxen, da das Faxgerät auf der Nephro kaputt war... Zusätzlich zum Personalmangel auf der Station kamen dann noch Lieferprobleme für Material. So waren teilweise keine Butterflys mehr vorhanden (dünne Blutabnahmenadeln mit langem Schlauch, die besonders für dünne Venen geeignet sind und das Blut abnehmen deutlich vereinfachen) und wir mussten mit dicken, kurzen Nadeln Blut abnehmen, die den Patienten mehr weh tun, die verrutschen, wenn man das Röhrchen wechselt und bei denen man schlechter sieht, ob man die Vene überhaupt getroffen hat. Den Ärger der Patienten bekommt dann natürlich der Student ab, auch wenn wir für die Lieferprobleme nichts können. Laut einer Schwester werden wohl auch die Iso-Kittel knapp und der Chefarzt erwähnte neulich in der Morgenbesprechung, dass es Lieferprobleme bei bestimmten Blutverdünnern gibt (wohl wegen der Unterbrechung von Lieferketten im Rahmen der Corona-Krise). Einfacher wird die Arbeit in der Klinik damit definitv nicht.

Die Woche über war ich aufgrund der oben genannten Gründe schon relativ gestresst und genervt. Dazu kam, dass ich am Nachmittag häufiger komplett allein auf der Station war, wenn die Ärztin im Haus unterwegs war, um Patienten mit Nierenproblemen auf anderen Stationen zu betreuen. Natürlich riefen genau dann Angehörige an, die über den Gesundheitszustand eines Patienten reden wollten (und ich mich teilweise einfach nicht erinnern konnte, was genau der aktuelle Zustand des Patienten war, da ich die Visite aufgrund von Blutabnahmen verpasst hatte), die Schwestern platzten mit Fragen zur Medikation ins Arztzimmer oder es sollten Dokumente unterschrieben werden, die man als Student nicht unterschreiben darf (man darf als Student weder Rezepte noch Arztbriefe unterschreiben). Als MedizinstudentIn muss man ein wenig lernen zu schauspielern, um möglichst professionell mit Angehörigen und Schwestern zu reden, auch wenn man sich unsicher ist, ob das, was man gerade sagt, überhaupt so stimmt.

Iso-Zimmer und unverhoffter Nachmittag am interessantesten Ort im Krankenhaus

Dadurch, dass die Corona-Station inzwischen geschlossen wurde und die Corona-Patienten, die eine andere Hauptdiagnose und zusätzlich Corona haben, auf die Normalstationen verteilt werden (die Patienten, deren Hauptdiagnose Corona ist, werden in eine spezielle Lungenklinik verlegt), gibt es mittlerweile überall Iso-Zimmer. Iso bedeutet Isolation und vor diesen Zimmern hängt ein Schild, das darauf hinweist, sich vor dem Betreten wie ein Astronaut zu verkleiden. Haube, Maske, Gesichtsschild, Schutzkittel und Handschuhe gehören zur Standardausrüstung bevor man ein Iso-Zimmer betritt. Man verbringt also jede Menge Zeit mit an- und auskleiden, denn die Schutzkleidung muss, nachdem man den Patienten im Zimmer untersucht hat, noch im Zimmer wieder in einen speziellen Mülleimer abgeworfen werden. Die Corona-Patienten sind allerdings nicht die einzigen, die isoliert werden. Auch Patienten mit MRSA, Norovirus und Immunsupprimierte (mit Zustand nach Nierentransplantation oder Mukoviszidose) werden isoliert. Andere Infekte als Corona scheinen auf dem Vormarsch zu sein, so gab es beispielsweise viele Patienten mit dem Norovirus oder anderen Atemwegsinfekten. Das liegt sicherlich zum einen daran, dass die Immunsysteme vieler Leute durch jahrelanges Maskentragen nicht auf dem neuesten Stand sind und zum anderen daran, dass die Leute mittlerweile wieder mehr Sozialkontakte haben. Bei den Iso-Zimmern muss man noch mehr als sonst auf Hygiene achten und mehrmaliges Hände waschen und desinfizieren ist Pflicht. 

Wie gesagt habe ich die Woche über jede Menge Diagnoseblätter und Anordungsbögen ausgefüllt (mittlerweile bin ich darin ganz gut geworden), Befunde angefordert und sortiert sowie fleißig gefaxt und kopiert (Gruß an alle anderen Praktikanten :D) und habe es aufgrund des riesigen Aufgabenbergs auf der Nephro leider nicht mehr in die Wundsprechstunde der Chirurgen geschafft. Das war sehr schade, denn es hätte mich sehr interessiert, wie man diabetische Fußwunden versorgt. In meinem Chirurgie-Tertial war ich nämlich nie in der Ambulanz, wo man so etwas lernt. In der Woche darauf gab es aber noch eine positive Überraschung, denn an einem Tag wurden so viele Patienten entlassen, dass ich es doch noch einen Nachmittag lang in die Notaufnahme schaffte. Die ist mein Lieblingsort im Krankenhaus, da man dort so viel praktisch arbeiten kann und so viele interessante Dinge sieht. An dem Nachmittag war auch viel los und ich konnte gemeinsam mit dem mexikanischen Arzt zwei Patienten aufnehmen. Als Ausklang meines Innere-Tertials fand ich es sehr cool, dass ich nochmal in die Notaufnahme konnte.

Backe, backe Muffins und winke, winke Innere Medizin

Zum Abschluss meines Innere-Tertials hieß es mal wieder Muffins backen (sogar zweimal, da ein Teil der Ärzte ja immer im dienstfrei ist) und verabschieden. Vor allem die anderen StudentInnen und die mexikanischen ÄrztInnen werden mir fehlen, da wir in unserer Freizeit viel gemeinsam unternommen haben. 

Fazit: Meine Zeit in der Inneren Medizin war durchwachsen. Es gab etliche gute Momente (sehr lehrreiche Wochen in der Notaufnahme und auf der Intensivstation, die Ärztinnen von der Nephro, die sich bemüht haben, mir viel zu erklären), aber auch etliche negative (nicht genügend Zeit, um Untersuchungen in der Funktionsabteilung anzusehen, nicht gelernte praktische Skills wie Pleurapunktionen, ständig ausfallender Unterricht, zu kurze von der PJ-Verantwortlichen genehmigte Zeit in der Notaufnahme). Natürlich haben Corona und Personalmangel die Lehre beeinträchtigt, aber diese Probleme hatte die Klinik, in der ich für mein Chirurgie-Tertial war, auch und da hatten wir trotzdem viel mehr Unterricht und durften oft in die Notaufnahme. 

                                                                 *

Ich habe dank Studientagen (Tagen, die manche Kliniken den StudentInnen zusätzlich zum Lernen geben und die nicht von den Fehltagen abgezogen werden) ein paar Tage frei, bevor mein letztes PJ-Tertial in meinem Wahlfach beginnt. Diese Zeit verbringe ich zuhause (mit täglichen Corona-Tests, denn eine der Studentinnen, mit denen ich Montag Abend zum Abschied im Restaurant war, wurde Dienstag früh positiv getestet-Leute, ich hab die Nase so voll von Corona, dachte wenigstens im Sommer hat man seine Ruhe). Sonntag Nachmittag ziehe ich dann zum letzten Mal im PJ um, und zwar in meine Studienstadt, in der ich mein Wahlfach absolvieren werden. 

Was für ein Wahlfach ich wohl habe? Ratet mal, ihr werdet vermutlich nicht drauf kommen ;-)

Medic to beWo Geschichten leben. Entdecke jetzt