Großstadtschock im Gesundheitsamt

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TRIGGERWARNUNG: Es werden die Themen Drogen, Prostitution und schwierige Lebensumstände angesprochen. Wenn ihr euch mit diesen Themen nicht wohl fühlt, überspringt das Kapitel bitte.

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Ein weiterer spannender Abschnitt meines Wahlfachs waren drei Tage Schnupperpraktikum in einem Gesundheitsamt einer Metropole. Je größer das Gesundheitsamt, desto vielfältiger ist der Aufgabenbereich und in einer großen Stadt sind die sozialen Probleme, die das Amt teilweise auffangen muss, auch deutlicher sichtbar als in einem kleineren Ort. Da die Gesundheitsämter vor allem in der Pandemie ins Gespräch gerieten und man als Medizinstudent im Studium keinen umfassenden Einblick ins Öffentliche Gesundheitswesen bekommt, nahm ich das Schnupperpraktikum als tolle Möglichkeit wahr, mich in diesem Bereich umzusehen.

Public Health/Öffentliche Gesundheit-Was ist das?

Der öffentliche Gesundheitsbereich ist in Deutschland im Vergleich zu englischsprachigen Ländern klein und wenig bekannt. Dort sind Public Health Studiengänge und entsprechende Jobs zur Gesundheitsprävention viel verbreiteter. Auch im Studium kommt das Fach zu kurz. Außer einer Vorlesung gab es im Studium hierzu keine Angebote und bis zur Pandemie durften Medizinstudenten im Gesundheitsamt weder Famulaturen (4-wöchige Praktika während des klinischen Abschnitts des Medizinstudiums) noch das Praktische Jahr (mit Ausnahme einer einzigen Uni in Deutschland, wobei man hierfür zum PJ an diese Uni wechseln musste) absolvieren. Wie schon erwähnt, hätte ich "Öffentliche Gesundheit" gerne als Wahlfach im PJ gewählt, weil ich Projektplanung zur Gesundheitsförderung (Public Health) sehr spannend finde und man damit eine Menge erreichen kann. 

Generell kann man präventive Maßnahmen in drei Bereiche aufteilen: Im primären Bereich verhindert man Erkrankungen, bevor sie überhaupt entstehen (z.B. durchs Anbieten von Impfungen), im sekundären Bereich zielt man auf die Frühererkennung von Krankheiten ab (frühes Erkennen von Darmkrebs durch Vorsorgeuntersuchungen etc.) und im tertiären Bereich möchte man die Folgen einer bereits bestehenden Erkrankung mildern (bspw. Physio- und Ergotherapie nach einem Schlaganfall). 

Besonders in der Pandemie hat der Public Health Bereich durch Information der Bevölkerung mit Hilfe von Infokampagnen (AHA- Abstand halten, Hände waschen, Atemschutzmaske) und breit angelegten Impfangeboten an Bedeutung gewonnen. Hier hat sich gezeigt, dass die Gesundheitsämter über Jahre unter Sparmaßnahmen gelitten haben und in der Pandemie folglich qualifiziertes Personal fehlte. Bis zur Pandemie war die Öffentliche Gesundheit nicht nur ein Randthema im Studium, sondern es wurde Medizinstudenten auch untersagt, ein Praktikum in diesem Bereich anrechnen zu können. Jetzt beginnt man umzudenken und seit einer Weile sind nun auch Famulaturen sowie das PJ im Gesundheitsamt erlaubt (diese Erlaubnis kam für mein eigenes PJ leider zu spät). Es gibt sogar eine spezielle Quote für Medizinstudenten, die sich gegen die Zusicherung eines Studienplatzes verpflichten, später zehn Jahre im öffentlichen Gesundheitsdienst zu arbeiten. Dies zeigt, wie groß der Mangel an Ärzten im Gesundheitsamt ist, was auch an der schlechteren Bezahlung im Vergleich zur Klinik liegt. Mehr in das öffentliche Gesundheitsystem zu investieren würde sich aber finanziell sehr lohnen, denn es ist deutlich billiger, Krankheiten durch entsprechende Programme zu verhindern oder früh zu behandeln als die Behandlung einer fulminant ausgebrochenen Krankheit zu bezahlen.

Abgesehen vom Pandemiemanagement hat ein Arzt/eine Ärztin im Gesundheitsamt natürlich auch andere alltägliche Aufgaben. Hierzu gehören die Schuleingangsuntersuchungen, bei denen überprüft wird, ob die Kinder gesund und altersgerecht entwickelt sind oder speziellen Förderbedarf benötigen. Außerdem werden zukünftige Beamte wie Lehrerinnen oder Polizeibeamte untersucht, da ihrer Verbeamtung keine gesundheitlichen Probleme im Weg stehen dürfen (was leider manchmal dazu führt, dass diese Personen vor allem psychische Krankheiten nicht behandeln lassen, um sich die Verbeamtung nicht zu vermiesen). Auch Masernausbrüche in Kitas oder Beratungsangebote für Familien zählen zu den Aufgaben des Gesundheitsamtes. 

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