Die Infektio-Sprechstunde

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Natürlich arbeite ich in meinem Wahlfach nicht nur in der Reiseberatung, sondern darf auch andere spannende Dinge erleben. Häufig bin ich zum Beispiel mit den Tropenärzten in der Sprechstunde. Dort schneien allerdings nicht nur Tropenrückkehrer mit exotischen Krankheiten herein, sondern es werden auch viele Patienten mit in Europa verbreiteten Infektionskrankheiten behandelt.

HIV, Hepatitis und Co.: Die ambulante Infektiologie-Sprechstunde

Häufig kommen Menschen mit Infektionskrankheiten wie HIV oder Hepatitis (meistens C, manchmal auch B) in der Sprechstunde vorbei. Da diese Krankheiten oft mit einem Stigma verbunden sind, ist es wichtig, dass es darauf spezialisierte Ärzte gibt. Bei der Behandlung dieser Erkrankungen ist es nämlich wichtig, dass der Arzt nicht nur weiß, welche Medikamente helfen, sondern auch, wie man mit den betroffenen Patienten umgeht. Im Gegensatz zu einer "normalen" Sprechstunde in der Hausarztpraxis landen dort nämlich oft "besondere" Personengruppen, das bedeutet Menschen mit Migrationshintergrund oder homosexuelle Paare. Da HIV und Hepatitis in den meisten Fällen sexuell übertragen werden, muss der behandelnde Arzt dafür sorgen, dass die Patienten sich nicht verurteilt fühlen. Als StudentIn muss man in der Sprechstunde damit rechnen, ab und an mal aus dem Zimmer geschickt zu werden, da sich nicht jedem wohl dabei ist, seine persönliche Geschichte mit fremden Leuten zu teilen (obwohl Studenten natürlich ebenfalls der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen).

Bei den meisten Patienten ist die HIV- oder Hepatitis-Erkrankung bereits bekannt und sie kommen alle drei Monate zur Kontrolle. Das bedeutet, der Arzt fragt sie danach, ob sie die Medikamente regelmäßig einnehmen und ob diese Nebenwirkungen verursachen. Danach wird Blut abgenommen, um die Viruslast zu überprüfen. Bei den meisten Patienten kann beim Blut abnehmen nichts passieren, selbst wenn man sich aus Versehen mit der Nadel stechen sollte, weil die Viruslast unter der Nachweisgrenze liegt. Diese Patienten können auch ihre Partner eigentlich nicht anstecken (obwohl es sehr seltene Fälle gibt, in denen das doch passiert). Auch ein Kind kann auf natürlichem Weg zur Welt gebracht werden, ohne dass es bei der Geburt infiziert wird, wenn die Viruslast der Mutter unter der Nachweisegrenze liegt. 

Bei den Patienten, deren Viruslast noch hoch ist (die also ansteckend sind), muss sich jeder Student selbst überlegen, ob er es sich zutraut, bei ihnen Blut abzunehmen. Ich habe das am Anfang getan, mittlerweile habe ich aber entschieden, dass ich mich dabei zu unwohl fühle und das doch lieber den Arzt machen lasse. Der hat einfach mehr Übung im Blut abnehmen und sticht sich wesentlich seltener mit der Nadel als ein Anfänger. Bei infektiösen Krankheiten gilt in puncto Ansteckung durch Nadelstichverletzungen übrigens die "Dreier-Regel": Bei HIV liegt das Risiko, sich zu infizieren bei 0,3%, bei Hepatitis C bei 3% und bei Hepatitis B bei 30%. Gegen Hepatitis B kann man sich aber vorbeugend impfen lassen (mittlerweile werden auch alle Kleinkinder schon dagegen geimpft).

Besondere Herausforderungen: Sprachbarrieren und Medikamenteneinnahme mit Nebenwirkungen

Die meisten HIV oder Hepatitis-Patienten haben, wie oben schon erwähnt, einen Migrationshintergrund oder sind homosexuell. Das liegt daran, dass die Krankheiten in Ländern des globalen Südens oder in Osteuropa häufiger vorkommen als in Westeuropa und Menschen von dort in ihren Heimatländern logischerweise ein höheres Ansteckungsrisiko haben. Auch deutsche Männer, die eine asiatische oder afrikanische Freundin haben, trifft man in der Sprechstunde an. Homosexuelle haben im Vergleich zur Restbevölkerung eine höhere Infektionsrate, da sie statistisch gesehen eine höhere Anzahl an Sexualpartnern haben als Heterosexuelle. In der Sprechstunde ist es also manchmal nötig, mit den Patienten Englisch oder Französisch zu sprechen, was bei Vokabelproblemen manchmal in Pantomime oder einem interessanten Sprachenmischmasch endet. Ab und an sind allerdings Übersetzer anwesend, was die Kommunikation sehr erleichtert. 

Einige Patienten sind noch nicht lange in Deutschland und sprechen nur Arabisch oder Ukrainisch, müssen aber von der Notwendigkeit aufgeklärt werden, die Medikamente regelmäßig einzunehmen. Bei HIV muss die sogenannte antiretrovirale Therapie lebenslang eingenommen werden, damit es keine Langzeitschäden gibt. Dafür ist natürlich die Mitarbeit des Patienten nötig, denn jeden Tag Tabletten zu schlucken ist nicht einfach. Hepatitis C-Patienten nehmen für acht Wochen Medikamente, kämpfen aber teilweise mit heftigen Nebenwirkungen (Fieber, Schüttelfrost, Anämie) und müssen somit überzeugt werden, dass es sich trotzdem lohnt, die Therapie durchzuhalten. Im Gegensatz zu HIV kann man Hepatitis C aber heilen, bei guter Compliance können die Patienten wieder gesund werden. Gegen Hepatitis B kann man wie gesagt vorbeugend impfen, sodass deutlich weniger Menschen damit infiziert sind als mit HIV oder Hepatitis C.

Viele Patienten gehen sehr gut mit ihrer Erkrankung um und nehmen die Medikamente vorbildlich ein. Das ist nicht selbstverständlich, denn die Medikamente haben Nebenwirkungen, die mal leichter (Magen-Darm-Beschwerden), mal schwerer ausfallen können (Leberschäden). Mit der lebenslangen Therapie haben HIV-Patienten dann ungefähr die gleiche Lebenserwartung wie Gesunde, da das AIDS-Stadium mit den schweren Krankheitsbildern gar nicht auftritt, wenn die Viruslast unter der Nachweisgrenze liegt. 

Leider passiert es in seltenen Fällen, dass die Therapie unterbrochen wird, zum Beispiel wenn junge Menschen sich in einer Phase befinden, in der sie keine Lust haben, jeden Tag Tabletten zu schlucken. So war ein junger Mann in der Sprechstunde, der nur noch an Krücken gehen kann, da er in der Therapie-Pause eine Polyneuropathie entwickelt hatte (dadurch werden periphere Nerven geschädigt, was zu einer Gangstörung führt). Traurigerweise ist diese neurologische Folgeerkrankung nicht mehr rückgängig zu machen, obwohl er die Medikamente jetzt wieder einnimmt. 

Tuberkulose: Gibt es nicht nur in der Lunge, sondern auch im Bauch

Zusätzlich zu den HIV- und Hepatitis-Patienten kommen auch solche mit Tuberkulose. Bevor jetzt die Alarmglocken schrillen, muss man aber erwähnen, dass nicht jeder mit TBC ansteckend ist. Das sind nur Patienten mit einer offenen Tuberkulose (das bedeutet, die Tuberkuloseherde in der Lunge sind ans Bronchialsystem angeschlossen und Erreger können durch Husten nach außen transportiert werden). Es gibt aber auch geschlossene Lungen-Tuberkulosen und abdominelle (also solche, die den Bauch betreffen). 

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Hierzu nächste Woche mehr, dann erzähle ich euch von den stationären Patienten! Und von dem ein oder anderen Tuberkulose-Patienten, den ich in der Ambulanz getroffen habe. Es gibt noch viel Spannendes zu erzählen, also lest fleißig weiter :-)

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