Epilogue

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Ich wuchtete den Spaten in die harte Wintererde und versuchte sie zu lockern. Der Boden gab nur mit Widerstand nach, doch er brach immer ein bisschen mehr, bis ich einen Teil der Erde abnehmen konnte. Es war eine schweißtreibende Arbeit, aber ich hieß sie sehr willkommen.
Als gestern die erste Folge von Celebrity Confectioner im Fernsehen gelaufen war und ich Aunt C alles erzählt hatte, was ich ihr seit Ende der Show verschwiegen hatte, war alles wieder hochgekommen. Ich hatte den Anblick von Jin auf unserem Fernsehbildschirm kaum ertragen. Wie er in die Kamera gelächelt hatte, als er sich vorstellte, wie die ersten Szenen unserer gemeinsamen Backsessions, die in den ersten Wochen noch so kompliziert gewesen waren, eingeblendet wurden. Es war kaum auszuhalten gewesen und Aunt C hatte es wohl vermutet, denn sie hatte mir vorgeschlagen, dass wir etwas anderes schauten. Aber sie hatte sich so sehr über die Show gefreut, also hielt ich durch.

Mit der Handfläche des Handschuhs wischte ich mir den Schweiß von der Stirn und begann dann, den spitzen Spaten noch härter in den Boden zu rammen.
Es war vorbei, es lohnte sich nicht, sich noch weiter den Kopf darüber zu zerbrechen. Ein halbes Jahr war vergangen, seit dem Ende der Show, seitdem Jin und ich getrennte Wege gingen. Er hatte es so gewollt.
Ich hielt inne und wischte mir erneut über die Stirn. Über die Augen, die begonnen hatten, zu tränen.
Nein, er hatte es nicht gewollt. Nicht wirklich. Aber das war egal. Seitdem sprachen wir nicht mehr miteinander. Er wahrte seinen Abstand und ich ... ich war es leid, ihm hinterher zu rennen.
Aber auch das stimmte nicht wirklich. Ich würde weiter versuchen, mit ihm Kontakt aufzunehmen, wenn er es wollen würde, aber dem war nicht so, also hatte ich zurücktreten müssen.

Nach der Show hatte ich es geschafft ihm zwei Wochen für sich gegeben. Ich hatte ihm ein letztes Mal geschrieben, dass er mich immer erreichte, wenn er mich brauchte, aber er hatte sich zwei Wochen lang nicht gemeldet. Meine Sorge um ihn war stetig gewachsen und an Tag vierzehn hatte ich es dann nicht mehr ausgehalten, war zu seiner Konditorei gefahren und nur auf seinen Mitarbeiter Min Yoongi getroffen, der auf wüste Art versucht hatte, mich wegzuschicken.
"Er will nicht mit dir reden. Du solltest wieder verschwinden."
Ich hatte mich kein Stück gerührt und mich nur weiter nach Jin umgesehen. Sorgenvoll. Traurig, dass er mich nicht dort haben wollte.
"Ich weiß ja nicht, was du angestellt hast, aber er ist wirklich in keinem Zustand, in dem du ihm unter die Augen treten solltest."
Bei diesen Worten war ich wütend geworden. Wäre es nicht um Jins Wohlergehen gegangen, hätte ich den ganzen Laden auseinandergenommen und diesen Typen damit ausgestopft.
"Ich habe gar nichts angestellt. Ich bin hier, weil ich wissen will, wie es Jin geht."
Die Wut in meiner Stimme war verpufft, als ich an das gedacht hatte, was passiert war. Danach waren da nur noch Tränen und eine brüchige Stimme gewesen.
"Sag ihm einfach bitte, dass ich da war und ... dass ich auf ihn warte. So lange, wie er eben braucht. Er soll mich nur nicht ... ich- ... Sag ihm, dass ich ihn vermisse, okay?"

Ich hatte noch einige Wochen über diesen Tag gebrütet und Jin angeschrieben, ihn darum gebeten, endlich wieder mit ihm zu reden, ihm versichert, dass das alles ein gutes Ende nehmen würde. Wenn er nur mit mir sprach und sich nicht zurückzog. Er hatte mich blockiert und von da an wusste ich, dass ich ihn in Ruhe lassen sollte.
Nur ließ er mich nicht in Ruhe. Das, was passiert war, beschäftigte mich noch immer. Und so wie wir auseinandergegangen waren, hatte ich wirklich gehofft, dass sich alles irgendwann regeln ließ. Egal, wie lange es auch hätte dauern sollen. Aber er hatte nichts unternehmen wollen. Wie er es gesagt hatte.
Ich war sauer auf ihn, aber wenn ich sauer auf ihn war, war ich wütend darauf, dass ich es war. Weil, konnte ich ihm wirklich einen Vorwurf daraus machen? Er hatte die Sache vergessen wollen. Vielleicht war es das, was gut für ihn war. Nur musste ich dabei wohl mit vergessen werden. Und ich wusste nicht, ob ich das gut für mich finden sollte.

Die Erde brach weiter auf. Ich wusste, dass mein Vorgehen sinnlos war. Bevor der Frost nicht verschwunden war, konnte ich keinen Garten hinter dem Haus anlegen. Aber ich brauchte eine Beschäftigung und alles andere war entweder schon erledigt oder hing noch von Lieferungen ab, um die Einrichtung abzuschließen.
Kurz nachdem ich festgestellt hatte, dass Jin den Kontakt komplett abbrechen wollte, hatte ich ein Grundstück gekauft und alles in Bewegung gesetzt, um endlich mit dem zu beginnen, was lange überfällig war. Als ich mit YouTube begonnen habe und langsam merkte, dass mein Channel immer größer wurde, habe ich mir vorgenommen von meinen ersten großen Einnahmen ein Haus für meine Tante zu bauen. Zuerst war der Plan gewesen, eines bauen zu lassen, aber da mich der Frust beinahe aufgefressen hatte, hatte ich von vornerein selbst mit angepackt und mit der Hilfe von Experten ein kleines Einfamilienhaus gebaut, das ein Erdgeschoss und ein erstes Stockwerk besaß. Ich hatte das Ganze so schnell vorangetrieben, dass es jetzt schon praktisch fertig war. In zwei Wochen spätestens konnte Aunt C einziehen. Zusammen mit ihrer neuen Bekanntschaft, wenn sie bereit dafür war. Ich würde mir ein neues Appartement suchen, vielleicht würde ich auch in eine andere Stadt ziehen, ich wusste es noch nicht genau.

Heart Baker || kim seokjinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt