Kapitel 8

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Zu Gericht sitzen

„Wir kommen nun zu den Gerichtsverhandlungen", kündigte der Zeremonienmeister an.

„Wir machen eine kurze Pause", warf ich ein. „Kann mir jemand ein Glas Wasser bringen?"

Ein Diener kam mit einem Tablett mit einem Becher und einem Krug auf mich zu und schenkte mir ein. Mutter hatte sich bereits vorher einen Becher bringen lassen. Ich drehte mich ihr zu.

„Das ist dein Alltag?"

„So oder ähnlich", grinste sie.

„Wie bist du mit mir zufrieden?"

„Sehr zufrieden", meinte sie. „Vor allem bei Armogren hast du ein gutes Gespür bewiesen und eine weise Entscheidung getroffen. Was du zu Meria gesagt hast, das könnte ich guten Gewissens auch von dir sagen."

„Du bist mit dem, was ich getan habe, einverstanden?", erkundigte ich mich zögerlich.

„Ich hätte es auch nicht besser machen können."

Ihr Lob machte mich unglaublich stolz. Langsam verstand ich, was meine Mutter mir sagen wollte. Regieren bedeutet Verantwortung und verlangt Entscheidungen. Aber gerade der Fall von Armogren hatte mir gezeigt, dass ich auch etwas verändern kann. Ich konnte etwas bewirken und dafür Sorge tragen, dass sich etwas zum Besseren wendet, wenn ich die richtige Entscheidung treffe. Mir war auch klar, dass ich meinem Gespür folgen musste. Hätte ich auf die Berater gehört, dann würde das Rathaus gebaut und Hunderte Menschen müssten hungern. Ein Fehler, den ich mir nicht vorstellen möchte.

Doch nun kam ein neuer Bereich. Ich musste über Menschen richten. Das bereitete mir deutlich mehr Sorgen als die Audienzen. Ich drehte mich wieder dem Saal zu. Ich blickte nachdenklich ins Publikum. Dabei wurde mir eines klar, es gehörte nun mal dazu und ich würde auch diese Aufgabe meistern.

„Wir können weitermachen", sagte ich entschlossen.

„Wir kommen zum Fall Lundgred", verkündete der Zeremonienmeister.

Ein etwa 30 Jahre alter Mann wurde in Ketten in den Saal geführt. Wie er und die Wachleute auf den Thron zukamen, konnte ich deutlich beobachten, wie er sich nach Leibeskräften zur Wehr setzte. Er zerrte an den Ketten, er spuckte die Wachen an und versuchte sie mit den Füßen zu treten. Drei Männer hatten Mühe, ihn bis vors Podest zu schleifen.

„Wer ist denn diese Göre?", lachte er laut, als er meiner ansichtig wurde.

„Ich bin dein Richter", sagte ich gelassen und erhob mich. „Vor mir hast du dich für deine Taten zu verantworten."

„Du bist ja noch ein Kind", knurrte er.

„Ein Kind mit einem ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit."

Ich ging die zwei Stufen hinab. Alle sahen mich irritiert an. Es war wohl nicht üblich, dass die Regentin aufstand. Das kümmerte mich aber wenig. Ich blickte mich kurz zu meiner Mutter um. Als diese mir zulächelte, wusste ich, dass alles in Ordnung war.

„Was hast du denn getan?", fragte ich.

„Ich habe einen reichen Lurch ausgenommen", meinte er abfällig und grinste hinterhältig.

„Verzeihung, eure Hoheit, darf ich den Fall vortragen?", erkundigte sich ein Mann, der hastig ein paar Zettel zusammenraffte und vortrat.

„Ihr seid der Ankläger?"

„Ganz genau."

„Dann nur zu", sagte ich mit einer einladenden Handbewegung. „Walten Sie ihres Amtes."

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