Kapitel 9

73 7 0
                                    

Das Drachenland

Die weiteren Tage, in denen ich den Platz meiner Mutter als Regentin einnehmen durfte, hatten mir einen sehr schönen Einblick in die Aufgaben einer Königin gegeben. Die Gerichtsurteile waren ausgesetzt, um Sirena die Zeit zu geben, sich einzuarbeiten. Deshalb fiel dieser Teil mehrere Tage lang aus. Erst am letzten Tag standen wieder drei Verhandlungen an und ich musste zugeben, die junge Frau machte einen souveränen Eindruck. Ich konnte ihren Vorschlägen für die Strafen ruhigen Gewissens folgen. Ich hatte also richtig entschieden und sie hat die zweite Chance genutzt.

Bei den Audienzen hatte ich manchmal meine eigenen Ideen. In gar einigen Fällen traf ich Entscheidungen, die zwar ungewohnt wirkten, die ich aber guten Gewissens vertreten konnte und von denen ich überzeugt war. Auch sonst war mein Auftreten nicht immer so, wie es vermutlich erwartet wurde. Ich war lockerer und verließ immer wieder den Thron, um auf die Bittsteller oder die Berater zuzugehen. Ich wolle den Menschen in die Augen sehen, wenn ich mit ihnen sprach. Meine Mutter akzeptierte jede meiner Entscheidungen und lobte am Ende meine Arbeit.

„Du wirst einmal eine gute Königin sein", prophezeite sie.

Ihr Lob tat gut und bestärkte mich in der Absicht, eines Tages in ihre Fußstapfen treten zu wollen. Ich war gerührt, wie sehr sie hinter mir stand und wie sehr sie mir vertraute. Meine Mutter war meine ganz persönliche Heldin und dieses Gefühl wuchs von Tag zu Tag.

„Wenn ich ehrlich bin, war ich ganz am Anfang ein wenig sauer, als du mir gesagt hast, was du mit mir vorhast und welche Ausbildung ich zu machen hätte. Ich kam mir bevormundet vor", sagte ich ehrlich. Ich hatte Tränen der Rührung in den Augen. „Doch heute bin ich dir unendlich dankbar, wie sehr du mich unterstützt. Vor allem diese Woche, in der ich Einblick in die Aufgaben einer Königin erhalten habe, hat mir die Augen geöffnet. Ich danke dir von ganzem Herzen."

Meine Mutter nahm mich in den Arm und auch sie hatte feuchte Augen. Meine Mutter war immer schon ein herzlicher Mensch, aber nur selten sah ich sie so emotional, wie in den letzten Tagen und Wochen.

„Ich wurde damals ins kalte Wasser geworfen. Meine Eltern haben mich von allem ferngehalten und ich war, das muss ich zugeben, eine verwöhnte Prinzessin, die keine Ahnung vom Leben hatte. Von einem Moment auf den anderen wurde ich in den Geheimgang geschubst und war von da an auf mich allein gestellt. Ich musste alles lernen und war völlig unvorbereitet. Ich mache meinen Eltern keinen Vorwurf, denn sie konnten nicht wissen, dass sich alles in einer einzigen Sekunde ändern würde.

Genau das will ich dir ersparen. Du sollst wissen, worauf du dich einlässt, und du sollst es leichter haben als ich. Auch du wirst noch viel lernen müssen und du wirst deinen eigenen Weg suchen und finden müssen, weil du nicht eine zweite Aurora sein sollst, sondern du selbst. Aber ich will dir dabei die Hilfe zukommen lassen, die ich dir anbieten kann."

„Du bist die beste Mutter, die man sich wünschen kann!"

„Und du bist eine wunderbare Tochter."

Wir standen auf der anderen Seite des Tunnels und waren dabei uns zu verabschieden. Wir riefen unsere Drachen, die auch wenig später zur Landung ansetzten und flogen noch gemeinsam zu Gordins Haus. Dort verabschiedete ich mich und machte mich mit Saphira auf die Reise ins Drachenland. Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit begann für mich ein völlig neuer Lebensabschnitt, von dem ich nicht wusste, was er bringen würde. Trotzdem freute ich mich drauf.

„Du weißt wohin?", erkundigte ich mich bei meinem Drachenmädchen.

„Natürlich, ich war schon oft dort."

„Wo kommst du eigentlich her?", wollte ich wissen.

Mir wurde bewusst, dass ich das nie gefragt hatte und nicht wusste, wo meine Gefährtin bisher gelebt hatte.

Magische Welten 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt