Kapitel 9 – Tag 3 [Christian]
Der Liberale stand mit Robert am Geländer des kleinen Balkons. Er hatte ihm gerade von seinen Unsicherheiten erzählt und von dem Druck, den die Aufrechterhaltung seines Images auf ihn ausübte. Robert hatte zugehört und ihn nicht verurteilt. Irgendwie hatte Christian mit dieser Reaktion gerechnet. Robert war ein anständiger Kerl. Das war auch Christians Beweggrund gewesen überhaupt mit ihm zu sprechen. Naja, und außerdem hatte der Grüne in der Bar sehr nachdenklich ausgesehen; darüber sprechen wollen hatte er bis jetzt allerdings noch nicht.
Ein Luftzug bewegte Roberts Haare ein wenig, die Nachtluft fühlte sich angenehm erfrischend auf Christians Gesicht an. Er beobachtete den Mann dabei, wie er in die Ferne sah – das Bild hatte etwas Philosophisches an sich. Das würde sich ja mal gut auf einem Wahlplakat machen.
Wie er selbst war Robert ja – zumindest auf seinem Instagram – ein Künstler der Selbstinszenierung (das ist in den letzten Monaten allerdings weniger geworden). Ob es nun das Bild barfuß am Strand war, oder das zufällige Ablichten mit Wildpferden... Robert war ein attraktiver Mann, dessen war Christian sich bewusst. Eigentlich würden sie gut zusammenpassen – zumindest rein optisch (und das war ja das wichtigste ‐ oder? Zumindest ziemlich wichtig.)
Robert drehte seinen Kopf zu ihm und sah ihm in die Augen. Sie schwiegen für einen Moment, der Liberale fühlte Roberts Berührung an seiner Hand, zuerst die Fingerspitze, dann seine ganze Hand. Sie war warm und entfachte ein Flämmchen in seiner Brust. Was passierte hier? Er schluckte schwer; Robert lächelte. Und dann kam er näher – Christian wich nicht zurück; er konnte nicht – nein, er wollte nicht. Seine Augen hafteten an Robert Lippen, die den seinen immer näher kamen. Er schloss seine Augen.
„Christian, aufwachen."
Christian öffnete seine Augen und sah Markus Söder vor seinem Bett stehen. Er schloss sie wieder; vielleicht schaffte er es ja nochmal einzuschlafen.
„Du bist wieder eingeschlafen."
Der Liberale spürte, dass irgendetwas nicht stimmte. Und es war nicht etwa die Tatsache, dass Markus Söder ihn aus einem Traum geweckt hatte, von dem er gerne gewusst hätte, wie es weiterging. Es war auch nicht sein Kopf, der pochte als hätte er letzte Nacht einen heftigen Schlag abbekommen. Etwas zu gereizt, selbst für den frühen Morgen, schnauzte Christian seinen Zimmerkollegen an: „Bist du jetzt nur zurückgekommen, um das zu überprüfen?"
An Markus Gesichtsausdruck merkte er sofort, dass er zu harsch gewesen war. Er setzte sich auf und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. „Scheiße, Markus. Sorry. War nicht so gemeint." Christian rieb sich den Schlaf aus den Augen, „Ich hatte nen komischen Traum und jetzt auch noch der Kater... solltest du nicht eigentlich schon auf dem Weg nach Bayern sein?"
„Du hast recht, aber das Frühstück wurde verschoben. Es gab einen Sturm letzte Nacht und jetzt aktuell gibt's auch keine Möglichkeit ins Tal zu kommen."
„Oh Mist... Aber die Bergretter haben ja nen Heli, damit können sie dich abholen."
„Christian, die Bergretter spielt in Österreich, nicht in Bayern..." Echt jetzt? „Jedenfalls, offensichtlich hat der Sturm sich auch auf die Verfügbarkeit des Personals ausgewirkt... außerdem ist das Festnetz ausgefallen. Ich wollte dich nur nochmal wecken. Um halb neun gibts Frühstück. Ich versuch jetzt trotzdem irgendwie meine Kollegen zu kontaktieren." Damit verließ Markus das Schlafzimmer.
Festnetz ist egal, solange das WLAN noch da ist. Christian startete eine kleine Suche nach seinem Smartphone, von dem er wusste, dass es irgendwo bei ihm im Bett liegen musste. Er verzweifelte dabei fast, aber dann fand er es doch noch und stieß einen kleinen Freudenruf aus.
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Fortbildung
Fiksi PenggemarDie Parteivorsitzenden aller im Bundestag vertretenen Parteien gehen auf eine einwöchige "Fortbildung" in ein Hotel in den Bergen. Dort oben ist die Luft ja bekanntermaßen dünn, bei den Abgeordneten scheint dies allerdings noch nicht angekommen zu s...