Kapitel 10

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Als Draco aufwachte wusste er noch nicht, dass etwas nicht stimmte. Aber als er aus dem Zimmer trat und Megan auf der Galerie saß mit angezogenen Beinen und sie aufsah mit tränennassem Gesicht, beschlich ihn Augenblicklich ein ungutes Gefühl. „Was ist los?" fragte er alarmierend, doch sie sagte nichts. Er stürmte regelrecht ins Gästezimmer. Doch er sah nichts Außergewöhnliches oder Merkwürdiges. Nicht auf den ersten Blick. Die Sachen der beiden Mädchen schienen alle noch da zu sein. Er rief nach Sophie, weil sie nicht in dem Zimmer war und er wollte schon wieder raus aus dem Zimmer stürmen, als ihm etwas ins Auge fiel. Er bückte sich vor dem Bett und griff nach dem Armreif der am Boden lag.

Draco musterte den Armreif und ließ ihn dabei durch seine Finger gleiten. Sophie hatte ihn nie abgenommen. Niemals. Draco wusste nicht warum, aber sie hat es nicht getan. Er stürmte regelrecht auf die Galerie und sah auf Megan herab: „Wo ist Sophie?" Sie rührte sich nicht. Sah weder auf oder sprach. „Megan!" fuhr er sie an, „Wo ist deine Schwester?" Als sie ihm immer noch nicht antwortete, packte er sie am Arm und zog sie hoch: „WO IST SIE?!" presste er lauter hervor und sie schien zusammenzuzucken. „Megan." wiederholte er und ihr Blick wurde kühl: „Weg." „Weg? Was heißt hier weg? Verdammt sag schon." Sie schüttelte den Kopf mit zusammengepressten Lippen und Draco ließ sie ärgerlich los.

Sie würde nicht den Mund aufmachen. Das war ihm schon klar gewesen, bevor er mit ihr ins Ministerium aufbrach. Er musste Hermine Bescheid geben und sie war mit Emily und Alexander aufgetaucht. Keiner von den Dreien machte Anstalten etwas zum Verbleib ihrer kleinen Schwester zu sagen. Musste ausgerechnet jetzt so etwas passieren? Musste er ausgerechnet jetzt wieder mit Hermine in dem kleinen Nebenraum stehen, der an den Verhörraum angrenzte? Er sah sie von der Seite her an, während ihre Finger durch die Tasche von Sophie glitten und sie einige Sachen anscheinend untersuchte. Das konnte sie sich sparen. Es gab keinen Hinweis. Er hatte es kontrolliert. Gründlich kontrolliert. Sie war einfach weg.

Die beiden zuckten zusammen, als Harry den Raum betrat und eine Akte auf den Tisch warf. „Sie reden nicht." „Hab ich doch gleich gesagt Potter." entgegnete Draco ruhig und Potters Blick verfinsterte sich: „Wie konnte sie überhaupt verschwinden? Ich dachte deine Wohnung ist gesichert?" „Sie ist gesichert. Sie hat die Wohnung nicht verlassen!" „Wirklich? Und wo ist sie dann hin?" fuhr Potter ihn weiter an und Draco sah ihn ärgerlich an: „Ich weiß es nicht. Sie hat die Wohnung auf jeden Fall nicht verlassen. Zumindest nicht auf normalen Weg. Die Tür war magisch verriegelt, wie ich es immer mache und den Kamin habe ich überprüft. Es kam niemand und es ging auch niemand über das Flohnetzwerk."

Harry schnaubte und Hermine mischte sich ein: „Kann es nicht doch sein, dass sie zurück in ihrer Zeit ist Harry?" „Nein. Happs hat erklärt, dass sie dann alle weg sein müssten. Sie sind immerhin auch gleichzeitig gekommen." „Wir müssen sie suchen." warf Hermine besorgt ein „Harry sie ist noch so klein und..." „Und wo sollen wir bitte damit anfangen? Sie kann überall sein Hermine. Wir wissen ja nicht einmal wie sie verschwunden ist." unterbrach sie Harry und sah durch die Scheibe auf Megan, Emily und Alex, die auf einer Seite des Tisches saßen und stumm wie Fische waren. „Ich will, dass ihr auf die Drei besser aufpasst. Habt ihr verstanden? Wir wissen immer noch nicht wer sie sind und was sie hier wollen."

„Bei Merlin Potter, es sind Kinder. Hast du das nicht selbst gesagt?" fuhr Draco ihn an und Harrys Stimme war besorgt: „Ja vielleicht. Aber was wenn zum Beispiel Schwarzmagier sie geschickt haben?" Er schüttelte den Kopf: „Das glaubst du doch selbst nicht, oder? Minderjährige?" „Was war damals mit dir? Du warst auch Minderjährig, als Voldemort dich zu einem Auftrag gezwungen hat." Dracos Kiefer spannte sich an und er ballte die Fäuste. Das hier war doch was ganz anderes. Die Kinder waren ganz sicherlich nicht von Schwarzmagiern geschickt worden. Niemals. Draco war sich in diesem Punkt ziemlich sicher. Er spürte es einfach. Potter seufzte: „Gut. Lassen wir das. Ich geh nochmal ins Labor und mach dort ein wenig Druck. Ich hab das Gefühl uns läuft die Zeit davon."

Er ging zügig und Draco atmete tief ein und aus, bevor er sich wieder dem Verhörraum zuwandte. „Wo ist sie nur hin?" wisperte plötzlich Hermine und Draco sah wie sie nach dem Löwen griff und ihn an sich drückte. „Was wenn ihr etwas zugestoßen ist?" fragte sie und Draco biss sich auf die Zunge. Er wollte ihr eigentlich sagen, dass er sich selbst Sorgen machte. Dass er sich tatsächlich um dieses Mädchen sorgte. Aber er konnte es nicht. Er wollte nicht mehr mit Granger reden. Nie wieder. „Sie hat ihre Mama so sehr vermisst. Als ich sie hochgetragen habe, hat sie mich sogar so angesprochen. Im Halbschlaf natürlich." fügte sie milde lächelnd hinzu und legte den Löwen zurück. „Merline Granger...." „Was? Ist es so verkehrt sich Sorgen zu machen? Sie ist kaum sechs Jahre alt Draco. Sag mir nicht, dass du dir keine Sorgen machst."

„Was ich denke und fühle geht dich nichts an." entgegnete er kalt und Hermine sprang zornig auf: „Es geht mich nichts an?" „Richtig gehört." „Wie kannst du es wagen mit mir so zu reden? Wie kannst du so eiskalt sein zu mir? Nachdem..." Er unterbrach sie energisch: „Wie kannst du es wagen mir Vorwürfe zu machen. Ich war es nicht, der sich an seinen Ex-Freund an den Hals geschmissen hat." Sie schüttelte den Kopf: „Ich hab nichts dergleichen getan!" „Ach ja? Also habe ich wahrscheinlich eine Halluzination gesehen." erwiderte er mit Hohn in der Stimme und drehte sich um, um zu gehen. Er zuckte zusammen, als Hermine nach seinem Arm griff und ihn so aufhielt. „Draco bitte..." wisperte sie leise und er wandte sich langsam zu ihr.

„Ich hab nicht das getan was du denkst oder glaubst gesehen zu haben. Das schwöre ich." sagte sie mit ruhiger Stimme, „Ron war in unserem Büro, wegen dem Anschluss des Kamines an das Flohnetzwerk. Er hat geredet und mit mir wieder gestritten. Als ich gehen wollte, hat er mich festgehalten und geküsst. Genau in dem Moment wo du reingekommen bist." Sie sahen sich ruhig an und Hermines Augen sahen ihn so vertraut, mit so viel Liebe an, dass Draco es kaum ertrug. „Draco ich habe nichts getan. Ich schwöre es. Wieso sollte ich Ronald küssen?" Er schluckte. Er wollte ihr glauben. Aber es fiel ihm schwer. Nicht weil es Hermine war, sondern weil er Menschen nur schwer vertraute.

„Glaubst du mir?" wollte sie von ihm wissen und es dauerte eine Weile, bis er stumm nickte. Es erschien ein mildes Lächeln auf ihren Lippen und Draco hatte das Gefühl zu sehen, wie Erleichterung sie erfasste. Er seufzte leicht: „Lass uns... lass uns das alles klären, nach diesem Fall hier, ja?" Sie nickte. „Lass uns erst mal rausfinden wo Sophie ist und dann sehen wir weiter." fügte er hinzu und wollte den Raum verlassen, als Emily sich in dem Verhörzimmer rührte. Sie saß zwischen ihren beiden älteren Geschwistern und atmete angestrengt aus, bevor sie ihre Hände auf die Tischplatte legte. Draco näherte sich der Scheiben, ebenso wie Hermine. Konnte es sein, dass Emily einknickte. Emily schluchzte plötzlich kurz und es dauerte eine Weile bis sich beruhigt hatte und hart schluckte: „Ich hab Angst."

Alex griff nach einer Hand von ihr, Megan nach der anderen. „Das musst du nicht." versicherte ihr Bruder. „Wir sind da Emily. Wir lassen dich nicht alleine." antwortete Megan. Emilys Stimme zitterte und war nicht mehr als ein Hauch: „Tut es sehr weh?" Alex sah Megan fragend an, die ihren Kopf leicht abwandte und kurz die Augen schloss, bevor sie Emily mit einem aufheiternden Lächeln anschaute: „Nein. Es geht schneller als einschlafen. Glaub mir, es tut nicht weh. Ich verspreche es dir." „Was zur Hölle meinen sie damit?" murmelte Draco mehr zu sich selbst und Hermine schüttelte ahnungslos den Kopf.


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Hermine fuhr sich müde über die Augen, als sie am nächsten Morgen schon wieder um sechs Uhr aufstand. Sie hatte zwar heute frei, wollte aber mit Draco noch einmal Megan, Emily und Alex in die Mangel nehmen. Trotz stundenlanger Verhöre hatten sie nichts Neues rausgefunden. Nicht einmal von der angeschlagenen Emily. Eins musste sie zugeben, diese Kinder waren Hartnäckiger als ein wildgewordener Drache. Gleichzeitig drückte sie das schlechte Gewissen. Sie hatten sie gestern noch solange verhört, dass sogar Megan und Emily eingeschlafen waren, während sie Alexander alleine befragt hatten.

Sie schlurfte ins Bad, dusch sich und zog sich bequeme Jens und einen Pullover an, bevor sie in die Küche ging und Kaffee aufsetzte. Sie klopfte an die Zimmertür von Alex und Emily und war erstaunt, als sie keine Antwort bekam. Vorsichtig drückte sie die Tür auf und ihr klappte der Mund auf, als die Betten leer waren. Sie schien zu erstarren und sich nicht bewegen zu können. Wie konnte das sein? Wie konnte das nur möglich sein? Sie sah sich fast panisch um und erkannte, dass die Sachen von Alex und Emily immer noch da waren. Sie rannte zur Haustür und fluchte leise vor sich hin als sie feststellte, dass die Tür aufgebrochen worden war. Es waren Kratzer am Türschloss zu sehen. „Das darf doch nicht wahr sein." schimpfte sie und griff nach dem Telefon, als es klingelte.

„Ja." sagte sie knapp und hörte Draco sagen. „Megan ist weg. Ist sie bei dir?" „Was? Wie weg?" fragte sie gegen. „Keine Ahnung. Weg eben. Ich dachte das sie vielleicht bei Alex und Emily ist." erklärte Draco und Hermine griff sich an die Stirn: „Nein ist sie nicht. Die beiden sind nämlich auch weg." „Was?" Hermine ging aufgebracht in ihrer Wohnung umher: „Ich hab es gerade bemerkt. Ihre ganzen Sachen sind noch da." „Okay. Versuchen wir ruhig zu bleiben." „Ruhig?! Draco, erst Sophie und jetzt die anderen? Was zum Teufel geht hier nur vor?" sagte sie aufgebracht. „Hör zu, ich komm vorbei. Vielleicht sehe ich sie ja auf den Weg zu dir. Und wenn nicht, dann überlegen wir uns wo sie sein könnten. Sie können sich ja schließlich nicht in Luft auflösen, oder?" Er legte auf und Hermine starrte einen Moment auf das Telefon, bevor sie es zur Seite legte und nervös auf und ab ging. Das ergab doch alles keinen Sinn mehr. Wo war die Logik dahinter?

Sie zuckte zusammen und stürmte regelrecht zur Haustür als es klingelte. Sie sah auf eine abgehetzte Megan, die sich an ihr vorbeidrückte, ohne sie zu begrüßen. „Megan." „Ich muss zu Alexander. Ist er schon wach?" sprudelte sie los und Hermine folgte ihr: „Nein...er ist..." Sie hörte gar nicht auf Hermine, sondern ging ohne ein Wort der Erklärung in das Gästezimmer und kam fast panisch zurück. „Wo ist Alex? Wo ist er?" Hermine schüttelte den Kopf: „Wir wissen es nicht Megan. Wir dachten eigentlich, dass er mit dir und Emily unterwegs ist." Megan fuhr sich fahrig durch die glatten Haare und sah sich unruhig um: „Aber... ich muss mit ihm sprechen. Ich muss..."

„Meg." sprach Hermine sie an und sah wie sie leicht verstört Hermine dabei ansah, „Was ist hier los? Du musst es uns endlich sagen. Wo sind deine Geschwister? Was geht hier vor? Wenn du nicht den Mund aufmachst, kann ich dir nicht helfen. Ich kann nicht..." Sie verstummte, als sie an Megans Hals etwas hängen sah, was sie gar nicht haben durfte. „Wo hast du die Kette her?" fragte Hermine und versuchte aufkommende Gefühle zu unterdrücken. Wut, Enttäuschung und Trauer. Megans Hände umklammerten den kleinen goldenen Anhänger, an der feinen Kette: „Von meiner Mutter." Hermine schüttelte den Kopf: „Lüg mich nicht an." „Ich lüge nicht!" sagte Megan energisch und Hermine biss sich auf die Zunge, bevor sie auf die Kette deutete: „Diese Kette gehört nicht dir."

„Doch tut sie." wiedersprach das Mädchen energisch. „Megan diese Kette gehörte meiner Mutter und sie ist ein Unikat. Ich hab sie geschenkt bekommen, bevor der Krieg angefangen hat. Also sag mir wo du diese Kette her hast." Sie sprach nicht, sondern umklammerte noch fester den Anhänger. Hermine riss ganz langsam der Geduldsfaden: „Hast du sie geklaut?" Megans Augen wurden wässerig: „Nein. Nein ich hab sie nicht geklaut. Das ist meine." „Megan..." wollte sie anfangen und der Teenager begann zu schluchzen: „Wieso glaubst du mir nicht? Wieso kannst du mir nicht einfach glauben?" „Entschuldige mal, in Anbetracht der Tatsache ist das wohl eher eine unnötige Frage oder?"

Megan drehte sich plötzlich um und lief aus der Wohnung. Hermine setzte ihr nach und rief über das Treppengelände: „Megan bleib stehen!" Sie rannte ihr schimpfend hinterher, doch als sie die Straße betrat, war sie schon nicht mehr zum Sehen. „Verdammt." fluchte Hermine auf und ging enttäuscht wieder zurück in die Wohnung. Was zum Geier ging hier vor? Was stimmte mit diesen Kindern nicht? Und wieso konnten sie nicht einfach sagen was los war? Da steckte doch definitiv mehr dahinter. Hermine verstand es nur nicht. Sie durchblickte die ganzen einzelnen Teile nicht und entdeckte auch nicht den Sinn darin.

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