35. Kapitel

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Hier ist ein weiteres Kapitel. Es wird wahrscheinlich noch nicht ganz das letzte sein.

Have Fun! :D

«Ladies and Gentleman, hiermit steht der Gewinner, oder in diesem Fall die Gewinnerin der 50. Hungerspiele fest», der Moderator erhob sich von seinem Sessel und hob die Arme.
«Einen grossen Applaus für Harper Thea Osborn, die Gewinnerin der 50. Hungerspiele, dem zweiten Jubeljubiläum in der Geschichte Panems» Das Publikum brandete los. Der ganze Saal war erfüllt mit Jubel, Schreien und Applaus. Von der Decke rieselte glitzerndes Konfetti. Sechs Fahnen säumten den Rand der Bühne, darauf war Harpers Gesicht abgebildet. Auf einem grossen Bildschirm lief ein Video, zusammengeschnitten aus verschiedenen Szenen, auf denen Harper in der Arena zu sehen war. Heldenhafte Musik lief im Hintergrund.
«Und genau in diesem Moment ist sie auf dem Weg hierher», sagte er mit aufgeregter Stimme. Das Publikum, welches sich wieder beruhigt hatte, gab freudiges Gemurmel von sich. Hier und da war ein entzücktes Seufzen zu hören.

Es war kühl. Der vollkommen leere Raum, ausser der Liege, auf der Harper lag, war gefüllt mit weissem kaltem Licht. Es gab keine Fenster, nur eine Tür, die kaum zu sehen war, weil sie die gleiche Farbe trug wie die glatten Wände, weiss. Harper blinzelte gegen das grelle Licht. Es dauerte einen Moment, bis sie klar sehen konnte. Mühsam setzte sie sich auf, die Schmerzen waren verschwunden. Sie betrachtete sich. Sie Wunden, die ihren Körper bedeckt hatten, waren kaum noch zu erkennen.
«Wie viel Zeit ist vergangen?», fragte sie sich augenblicklich. Sie konnte sich nicht daran erinnern, da sie die ganze Zeit über das Bewusstsein verloren hatte. Die Wunden deuteten darauf hin, dass sie schon lange aus der Arena war, aber das Kapitol besass Mittel, die eine Wunde innert Minuten heilen konnte. Feurige Wut flammte auf einmal in ihr auf.
«Sie hätten ihn retten können, sie hätten sie alle retten können», dachte sie. Am liebsten hätte sie die Worte laut geschrien, damit die ganze Welt es wusste. Sie liess es sein, keiner hätte sie gehört und wenn doch, dann hätte ihr niemand Beachtung geschenkt. Sie nur ein lästiges Mädchen. Einer von fünfzig Gewinnern. In keiner Hinsicht etwas Spezielles.

Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als jemand den Raum betrat. Das orange Auftreten des Mannes wirkte wie ein Fremdkörper in dem strahlend weissen Raum. Nach wenigen Augenblicken erkannte sie Lucifer, ihren Stylisten. Sie wusste nicht recht, ob sie sich freuen sollte ihn zu sehen. Es tat auf jeden Fall gut jemanden zu treffen den sie kannte und von dem sie wusste, dass er sie ganz bestimmt nicht umbringen würde. Mit einem sanften Lächeln kam er näher und schloss sie in die Arme. Seine orangen Haarspitzen strichen über ihr Gesicht und sein strenger Geruch nach Parfüm raubte ihr den Atem.

«Ich empfinde grösstes Mitleid für das, was du erleben musstest», sagte er. Es klang ehrlich. «Am liebsten würde ich dich in Ruhe lassen, damit du dich erholen kannst, aber ich muss meinen Job machen»
«Und der wäre», entgegnete Harper mit matter Stimme. Eigentlich wusste sie, was auf sie zukam und es graute ihr davor.
«Das Gewinner-Interview mit Geordi», sagte er mit mitleidiger Stimme. «Dafür muss ich dich hübsch machen» Er holte ein Gerät aus seiner Hosentasche und drückte mehrere Knöpfe. Kurz darauf öffnete sich ein Teil der Wand. In dem Fach befanden sich mehrere Stangen mit den farbenfrohesten Kleidern, ein paar Schuhregale und Regale voller Schmuck und anderem Unfug. Lucifer huschte hinüber, tat einige Handgriffe und kam beladen mit Stoff und Schmuck wieder zurück.

Harper zwängte sich in das meerblaue Kleid mit weissen Batik Flecken. Der Rock war aus seidigem Stoff und Fluss von Harpers Taille bis zum Boden. Hinten war es ein wenig länger. Das Oberteil schimmerte in den gleichen Farben. Die Träger waren mit Perlen in verschiedenen Grössen besetzt. Dazu noch Perlmuttfarbene Schuhe und Ketten aus winzigen Perlen. Es sah ganz hübsch aus, aber das kratzte Harper herzlich wenig. Sie hatte nicht vor an dem Interview Teil zu nehmen, obwohl sie wusste, dass sie nicht darum herumkommen würde. Sie würde wahrscheinlich kein Wort herausbringen und ob sie ihre Wut gegen das Kapitol würde verbergen können, wusste sie auch nicht.

Lucifer stand strahlend neben ihr, einen Arm um ihre Schulter gelegt. «Wunderbar!», flötete er. Harpers Freude hielt sich in Grenzen. Ihre Mundwinkel zeigten nach unten.

Nur wenig später landete das Hovercraft, in dem sie sich befand. Es gab einen Ruck, als das Gefährt am Boden aufkam. Schon im nächsten Moment öffnete sich die Klappe und Lucifer schob Harper in Richtung Draussen. Tausende Blitze von Kameras schossen ihr entgegen. Erschrocken zuckte sie zusammen und kniff die Augen zusammen. Am liebsten wäre sie auf der Selle umgekehrt und hätte sich in dem öden Hovercraft verschanzt. Wenn nötig für immer. Aber Lucifer schob sie weiter. Mit holprigen Schritten stolperte sie über den roten Teppich, der für sie präpariert worden war und ihr gleichzeitig den Weg wies.

Von allen Seiten wurde sie fotografiert und gefilmt. Die bunt bekleideten Menschen riefen ihren Namen, manche streckten die Hände nach ihr aus, um sie zu berühren. Sie fühlte sich beobachtet und verfolgt und hatte Angst, dass sie nie wieder allein sein würde.

De kompletten Weg über wurde sie angestarrt, bejubelt und gefilmt. Jede Bewegung wurde aufgenommen, damit die ganze Welt sie sehen konnte. Endlich kam sie auf der Bühne an. Jetzt wurde sie wenigstens nicht mehr begrabscht.

Geordi sah so dämlich aus, wie sie ihn in Erinnerung hatte, wenn nicht sogar noch lächerlicher. In der Zwischenzeit hatte er seine Haare in alle Farben gefärbt und auf den Seiten abrasiert. Sein ganzes Auftreten war farbenfroh, der Anzug, die Hose. Nur die Krawatte, die war schwarz. Seine Wangen waren blau bepudert, seine Augenbrauen hatten die Form eines Blitzes. Die Augen leuchteten unnatürlich blau. Nichts passte zusammen.

Sein breites Lachen bedeckte die hälfte seines Gesichts und hallte durch den ganzen Saal. Einladend streckte er Harper eine Hand entgegen. Ohne ihn zu beachten, ging sie an ihm vorbei und liess sich auf den Sessel fallen, der in der Mitte der Bühne stand. Ein wenig überrumpelt starrte Geordi ihr hinterher, dann fasste er sich wieder und setzte sich neben sie.

«Eine Applaus für Harper Thea Osborn, die Gewinnerin der 50. Hungerspielen. Das Glück war stehts mit ihr», jubelte er. Der Saal stimmte ein. Das Geschrei dröhnte in Harpers Ohren.

«Wie fühlst du dich denn? Es ist schliesslich nicht eine alltägliche Angelegenheit die Hungerspiele zu gewinnen. Und ein Jubeljubiläum schon gar nicht», fragte er nervös. Sie reagierte nicht. Abwesend fixierte sie das Ende des Raums.

«Harper, bist du noch bei uns? Oder träumst du schon von dem schönen Leben, das dich erwartet?» Sie fuhr herum. Wut flackerte in ihr auf, als sie hörte was Geordi gesagt hatte. Wie könnte sie sich nur auf ihr weiteres Leben freuen? Sie hatte unschuldige Menschen umgebracht, sie hatte mehrere Nahtoderfahrungen durchgemacht und sie hatte unzählige Menschen verloren die sie geliebt hatte. In ihrem weiteren Leben würde das Kapitol ihr ständiger Begleiter sein. Wie könnte sie sich darauf freuen, wenn das Kapitol die Ursache für all ihre Sorgen war, wenn das Kapitol ihr ganzes Leben hatte zerbrechen lassen. Egal wie sehr sie sich bemühen würde, sie würde es nicht mehr heil zusammensetzen können, weil nicht mehr alle Stücke da waren. Das Kapitol hatte Teile ihres Lebens gestohlen und eines nach dem anderen zertrümmert.

Wütend erhob sie sich von ihrem Sessel. «Sie wissen gar nichts!», schrie sie. Tränen strömten über ihre Wangen, vor Wut und Verzweiflung. «Wollen sie wissen, worauf ich mich gefreut habe? Aufs Sterben! Ich wollte sterben» Sie legte alle Wut in ihre Augen und durchbohrte Geordi mit wutentbrannten Blicken. Er wollte etwas erwidern, aber Harper schnitt ihm mit einer raschen Handbewegung das Wort ab: «Lassen sie es, sie reden ja doch nur Schwachsinn. Ihre einzige Aufgabe ist es, das Schlimme ins Lustige zu ziehen, damit die Leute das wahre Problem nicht sehen!» Der letzte Satz schrie sie Geordi direkt ins Gesicht. 

Die Tränen flossen unaufhaltsam über Harpers Gesicht und tropften zu Boden. Sie verspürte den Drang sich in eine Ecke zu verkriechen, sich ganz klein zusammenzurollen und nie wieder von da zu verschwinden. Aber es war nicht möglich. Man würde sie ohne Rücksicht aus der Ecke zerren und sie zwingen eine aufrechte Haltung, kombiniert mit einem stetigen Lächeln aufzusetzen.

Mit raschen Schritten rannte sie von der Bühne. Es war ihr egal, dass jeder sie sehen konnte, wie sie völlig aufgelöst von Dannen zog. Keiner hatte auch nur im Geringsten eine Ahnung wie sie sich fühlte.

Hope drowning | Die 50. HungerspieleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt