Kapitel 4

10 2 1
                                    




Tag 4: Donnerstag



Elijah



Nach dem wir gestern alle zusammen ins Haus sind, bin ich eigentlich gleich schlafen gegangen. Ich war so müde, da wollte ich einfach nur noch ins Bett. Selbst mit Hanna habe ich kaum noch geredet. Ich hab sie umarmt und bin dann in mein Zimmer. Es sah noch genauso aus, wie ich es letzten Sommer verlassen habe. Es hat sich nichts geändert. Selbst der Karton mit den Gummibärchen stand noch auf meinem Schreibtisch. Nur befindet sich fast überall schon eine dünne Staubschicht drauf. Also nahm ich mir nur noch eine Packung Gummibärchen, legte mich in mein Bett und irgendwann bin ich eingeschlafen. Jetzt liege ich hier seit einer halben Stunde und habe keine Lust aufzustehen, da mein Bett so gemütlich ist.

Eine weitere halbe Stunde vergeht, bis ich mich dann endlich bereit erkläre aufzustehen. Ich tapse zu meinem Kleiderschrank und bin irgendwie erstaunt, dass dort noch Klamotten drin sind. Ich war echt der Meinung, dass ich alles mitgenommen hätte. Also schaue ich die Klamotten Stapel durch und entscheide mich wie fast immer für ein schlichtes weißes T-Shirt und eine meiner lockeren Lieblings Jogginghosen. In meinem eigenen Bad, welches ich gleich von meinem Zimmer aus betreten kann, mache ich mir etwas Wasser ins Gesicht und gehe dann wieder zurück. Dabei komme ich an meinem Schreibtisch vorbei und erblicke ein Bild, welches ich dort eins hingestellt habe. Ich nehme das Foto in die Hand und betrachte es. Sofort wird mir ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Auf dem Bild sind Hanna und Ich zu sehen. Überglücklich. Es war ein schöner Tag, als wir das Bild gemacht haben. Es ist in ihrem Zimmer entstanden. Kurz nach dem wir uns geküsst haben.

„Hey. Guten Morgen“, höre ich Hanna plötzlich hinter mir sagen. Sie lässt mich erschrecken, was dazu führt, dass mir das Foto aus der Hand fällt. Ich will es aufheben, doch sie kommt mir zuvor und hat es schon aufgefangen. „Guten Morgen Hanna und wow hast du gute Reflexe“, begrüße ich sie. Wie hat sie das gemacht? Sie stand doch eben noch an der Tür und jetzt ist sie direkt neben mir. Das ist irgendwie ein bisschen unheimlich. „Findest du? Ist mir gar nicht aufgefallen“, sagt sie und gibt mir das Bild wieder. Ich nicke nur. „Du standest eben noch in der Tür.“ „Ich bin wohl etwas schneller geworden“, antwortet Hanna mir und schaut mich an. Sie trägt den Hoodie, den ich ihr mal geschenkt habe. Voll süß, dass sie den immer noch trägt. „Aber nicht schneller als ich“, und strecke ihr frech die Zunge raus.

Ich stelle das Bild zurück auf den Tisch und ziehe sie in eine Umarmung. „Ich hab dich vermisst Hanna.“ „Und ich dich erst Elijah. Wir haben zwar immer geschrieben, aber das ist nichts im Vergleich zu einer so wundervollen Umarmung, die ich eventuell auch vermisst habe.“ Ich muss ein bisschen schmunzeln. „Du bist süß Hanna.“ Ich streiche ihr ein paar Strähne von ihrem braunen, leicht gelockten Haar hinters Ohr und schaue ihr in die Augen. Ich kann erkennen, wie sehr sie mich vermisst hat. Wie sehr sie sich freut, mich wiederzusehen.

„Du trägst den Hoodie“, sag ich zu ihr, als nichts von ihr kommt und streiche über den Stoff. Er fühlt sich so schön weich an. „Ich trage ihn jeden Abend zum schlafen. Er beschützt mich, gibt mir Kraft u... und riecht nach dir. Immer noch.“ Meine Wangen werden ein bisschen rot. „Er steht dir Hanna. Sehr sogar.“ „Danke. Es ist mein Lieblings Hoodie“, sagt sie verlegen und wird ebenfalls rot. Noch immer spüre ich diese Verbindung zwischen ihr und mir. Ob sie immer noch Gefühle für mich hat? Ich kann es nicht genau beurteilen. „Ich finde es schön, dass du ihn noch trägst.“ „Das ist nicht das einzige, was ich von dir trage Elijah.“ „Wie meinst du das? Was trägst du denn noch, wenn ich fragen darf?“ Hanna greift in ihren Hoodie und holt eine Kette raus. Genau die Kette, die ich ihr damals ebenfalls geschenkt habe. Eine Kette, die ein paar meiner engsten Freunde tragen. Wie zum Beispiel Olivia, aber auch Luna. Ich nehme sie vorsichtig in die Hand und streiche über den Anhänger. Auf dem Anhänger sind irgendwelche alten Runen eingraviert. Ich weiß bis heute nicht, was sie bedeuten. Aber ist das denn wichtig? Fakt ist, dass sie meine Freunde und mich beschützen. Ich werde die Kette wahrscheinlich nie ablegen, da ich irgendwie Angst habe, sie würde mich dann nicht mehr schützen.

„Diese Kette Elijah, warum hast du sie mir eigentlich geschenkt?“, fragt mich Hanna und ich lasse den Anhänger los. „Damit sie dich beschützt. Es ist ein kleiner Glücksbringer. Die bekommt nicht einfach jeder von mir. Weißt du?“ „Wer bekommt die Kette den alles?“, möchte sie mit einer ruhigen Stimme wissen, die mich innerlich ein bisschen aufwärmt. „Nur Leute, die mir wichtig sind und zu meinem engsten Freundeskreis gehören“, sage ich zu ihr und kann beobachten, wie sich ein süßes Lächeln auf ihren Gesicht bildet. „Also bin ich dir wichtig und eine deiner engsten Freunde?“, fragt sie nach, obwohl sie die Antwort ganz genau weiß, nur um sie noch mal aus meinem Mund zu hören. „Das müsstest eigentlich wissen, aber ja bist du Hanna.“ Ein kleines süßes quieken kommt ihr über die Lippen. „Ich hab dich lieb Elijah.“ Sie kommt ein Stück näher und gibt mir einen sanften Kuss auf die Wange. „Ich hab dich auch lieb.“

Ich schließe wieder meine Arme um sie, um all die Umarmungen nachzuholen, die sie seit ich in die Jugendeinrichtung bin, nicht mehr bekommen hat. „Das Bild eben, welches war das?“, fragt sie mich. Ich sage nichts, sondern greife nur nach dem Bild und reiche es ihr. „Erinnerst du dich Hanna?“ Sie nickt leicht. „Wie könnte ich den Tag vergessen? Ich erinnere mich an alles, was an diesem Tag passiert ist. Und manchmal... manchmal, da liege ich Abends in meinem Bett und denke an dich und an dem Tag.“ „Geht mir genauso. Ab und zu hab ich auch daran gedacht“, gebe ich zu und stelle das Bild wieder dahin, wo es hingehört. „An dem Abend haben wir uns geküsst Elijah. Manchmal spüre ich immer noch deine Lippen auf meine.“ „Echt? Wie das denn?“ Sie zuckt mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Ich stelle es mir vor und dann ist es einfach so. Tut mir leid.“ „Dafür musst du dich doch nicht entschuldigen. Ich finde das echt süß“, beruhige ich sie ein bisschen.

Doch plötzlich entreißt sie sich von mir und geht ein paar Schritte zurück. „Was ist denn los?“, frag ich sie sofort und schaue sie besorgt an. „Das ist nicht richtig Elijah...“, sagt sie und wendet den Blick ab. „Was ist nicht richtig?“, versuche ich herauszufinden und nehme vorsichtig eine ihrer Hände in die Hand. „Das hier Elijah. Du hast eine Freundin...“ Ich schaue sie verwirrt an. „Hanna was hat das denn hiermit zu tun?“ „D... Das es so rüber kommt, als sei ich noch in dich verliebt...“ „Aber wie kommst du denn darauf, dass ich das denke?“ „Na schau doch. Ich trage deinen Hoodie, die Kette und das ich an den Abend denken muss. Jeder Mensch kann eins und eins zusammenzählen.“ „Jetzt hörst du mir mal zu Hanna. Ja? Das kommt ganz und gar nicht so rüber. Du bist eine meiner besten Freundinnen, da macht man sowas denke ich. Das ist doch nicht schlimm. Also mach dir bitte nicht so viele Gedanken darüber. Oki?“ „Echt nicht?“, will sie auf Nummer sicher gehen. Ich nicke mehrmals. „Du machst dir einfach zu viele Gedanken Hanna. Alles ist gut.“ Ich nehme sie wieder in den Arm und merke, wie eine paar Tränen über ihre Wange laufen. „Einfach danke Elijah. Solche Jungs wie dich müsste es öfters geben. Du bist einfach unfassbar toll und so verständnisvoll. Verdammt ich hab dich einfach so vermisst“, sagt sie und drückt mich fest an sich. Schluchzend halt sie sich an meinen weißen T-Shirt fest und berührt mit ihren Oberkörper ein wenig meine Muskeln. „Bitte nicht weinen Hanna. Ich mag es nicht, wenn du weinst“, und streiche ihr tröstend über den Rücken. Ich hab dich doch auch sehr vermisst, sag ich mir in Gedanken und lächel.

Sie bleibt ein paar Minuten schweigend in meinem Arm, löst sich dann und möchte was sagen. „Ich freue mich auf den Schulball“, kommt es aus ihr raus und wischt sich die Tränen mit ihrem Ärmel weg. Jetzt steht wieder die Glückliche Hanna vor mir. Die, die ich viel lieber habe, als das traurige Mädchen. „Das wird ein schöner Abend . Und es wird toll sein, mal wieder unter Leute zu kommen“, sag ich. „Hat dir unsere Klasse gefehlt?“, fragt mich Hanna daraufhin. Als Antwort kommt ein Schulterzucken. „Ein wenig. Du hast mir am meisten gefehlt. Aber auch ein paar andere.“ „Und wer sind diese?“, möchte sie wissen und wird ganz neugierig. „Ich glaube Celine und auch ein bisschen Tom. Mit ihnen hab ich mich unter anderem am meisten verstanden.“ „Warte mal. War Celine nicht das Mädchen, welches mal auf dich stand? Oder verwechsel ich da irgendwas?“ Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen. „Nein,. Du hast recht. Das war Celine. Aber wir sind Freunde. Nicht mehr und nicht weniger.“ „Aber sie war schon echt hübsch oderl?“ „Joa. Sie war schon echt süß“, gebe ich zu und erinnere mich, wie Celine und ich mal zusammen schwimmen waren. Damals hat sie mir gesagt, dass sie einen Crush auf mich hat, dass hat mich etwas überfordert und musste ihr einen Korb geben. Aber zum Glück hat sie es gut verkraftet.

„Wollen wir vielleicht runter gehen und da weiter erzählen? Ich hab Tee gemacht“, schlägt sie vor. „Das ist eine gute Idee. Was für einen Tee hast du denn gemacht?“ „Dein Lieblings Tee Elijah.“ „Mediterraner Pfirsich?“ „Genau“, antwortet sie nickend und geht schon mal zur Tür meines Zimmers. Breit grinsend folge ich Hanna und gehe mit ihr die Treppe hinunter. „Wo sind eigentlich die anderen?“, frage ich sie beim gehen.

Unten angekommen gehen wir in die Küche und setzten uns an den Tresen. Hanna holt aus einen meiner Schränke zwei Tassen und gießt sie uns jeweils mit Tee ein. „Also Kira, Jannes und Lilly sind einkaufen, Lina und Mika sind joggen und Olivia und Claire sind in der Schule“, erklärt sie. Ich nehme direkt einen Schluck von dem Tee und hab es echt vermisst, diese Sorte zu trinken. „In der Schule? Was machen die beiden da?“, hake ich etwas nach. „Claire zeigt Olivia die Schule und zusammen helfen sie den anderen den Schulball zu dekorieren und so.“ „Und wo ist Mey?“, fällt mir plötzlich ein. „Ich bin hier“, erschreckt sie Hanna und mich ein wenig.

Mey tapst aus dem Wohnzimmer her und gesellt sich zu uns an den Tresen. „Hey. Hast du gut geschlafen?“, frag ich sie und umarme sie kurz, die sie auch sofort lächelnd erwidert. „Hab ich. Du hast es hier echt schön“, sagt sie zu mir und sieht richtig glücklich aus. „Findest du?“ „Auf jeden Fall. Ich hab mich direkt wohlgefühlt. Als ich das Haus gestern Nacht betreten habe, hat es sich so angefühlt, als würde ich schon mein ganzes Leben hier wohnen.“ „Das freut mich sehr Mey. Du bist hier immer willkommen und du sollst dich hier auch wohlfühlen.“ „Danke Elijah. Ist zufällig das Badezimmer frei? Wenn ja, dann würde ich schnell duschen gehen und dann wieder zu euch stoßen, wenn das in Ordnung ist.“ „Natürlich kannst du das. Lass dir Zeit.“ Nickend geht sie hoch und lässt Hanna und mich wieder alleine.

„Ich war echt ein bisschen geschockt und konnte es anfangs auch erst gar nicht glauben, als du mir erzählt hast, dass du eine Zwillingsschwester hast.“ „Das kann ich verstehen Hanna. Mir ging es genauso. Aber ich habe sie direkt ins Herz geschlossen. Und ich merke schon, dass wir einiges gemeinsam haben“, erkläre ich und nippe an meiner Tasse. „Ich mag deine Schwester auch schon. Versteht ihr euch denn gut?“, will sie wissen und greift nach einem Keks, welcher mit samt Schachtel auf dem Tresen liegt. „Ich denke schon. Wir müssen auf jeden Fall einiges nachholen.“ „Sie hatte eine schwere Vergangenheit oder?“ Ich nicke. „Aber lass uns bitte nicht darüber reden“, versuche ich das Thema zu wechseln. Hanna stimmt lächelnd zu.

„Soll ich dir mal was über Celine verraten?“, fragt sie mich und nimmt ihr Handy. Jetzt hat sie meine Neugier geweckt. „Jetzt bin ich aber mal gespannt“, sage ich zu ihr und nehme mir ebenfalls einen Keks. Ich liebe Kekse und kann manchmal nicht genug von ihnen bekommen. „Ich weiß nicht ob du es schon weißt, aber Celine hat jetzt einen Freund.“ Sie hält mir ihr Handy vors Gesicht, wo ein Instagrambild von den beiden zusehen sind. Ich verschlucke mich fast, als sie mir das erzählt. Ich schaue mir das Foto genauer an und freue mich, dass Celine darauf so glücklich aussieht. „Das Bild ist echt schön. Aber den Jungen kenne ich gar nicht. Wer ist das?“, frag ich sie und gebe Hanna ihr Handy zurück. „Das ist Ric. Er ist neu an der Schule und die beiden sind seid ein paar Wochen zusammen“, erklärt sie mir. „Solange Celine glücklich ist. Aber wenn er ihr weh tut, dann mach ich diesen Ric fertig.“

Da sich Hanna wieder einmal das kichern nicht verkneifen kann, verschluckt sie sich ebenfalls fast. Schnell klopfe ich ihr über den Rücken, wodurch ihr Husten sich wieder beruhigt. „Geht es wieder?“, vergewissere ich mich bei ihr. „Ja. Ich wusste, dass du sowas sagen würdest. Deine Reaktion war trotzdem lustig.“ „Ich mein das ernst.“ „Ich weiß. Ric ist morgen Abend ebenfalls auf dem Schulball, dann kannst du ihn ja gleich mal kennenlernen“, erfahre ich. „Nene. Lass mal lieber“, antworte ich schnell. „Woher plötzlich dieser Sinneswandel Elijah?“, will sie wissen und schaut mich an. Ich zucke meine Schultern. „Ich weiß nicht. Das ist jetzt Celine ihre Sache. Sie ist denke ich alt genug, um selbst zu entscheiden, mit wem sie zusammen ist.“ „Da hast du auch wieder recht. Mal hoffen, dass sie mit ihm nicht auf die Schnauze fällt.“ Ich nicke nur.

Wir reden noch eine Weile und ich merke, wie sehr ich solche einfachen und lockeren Gespräche vermisst habe. Und es schmerzt mich zu wissen, dass ich breites in ein paar Tagen nach Lakeshore aufbrechen muss. Ich würde ehrlich gesagt viel länger hier bleiben. Wieder in meinem richtigen Bett schlafen und mehr Zeit mit meinen Freunden hier verbringen und dann ist da ja auch noch Luna. Luna, die immer noch im Koma liegt. „Würde es dir was ausmachen, wenn ich kurz ins Krankenhaus gehe?“ Hanna wird kreidebleich und schaut mich mit offenen Mund und großen Augen an. „I... Ins Krankenhaus? Ist alles in Ordnung?“ „Luna liegt da doch immer noch. Ich möchte gerne mal nach ihr schauen.“ Sofort steigt Erleichterung in ihr auf, was man auch gleich bemerkt, denn ihre eben noch so bleiche Haut, füllt sich wieder mit Farbe. „Oh man. Das hab ich ein bisschen vergessen. Auch wenn sie noch schläft, bestell ihr bitte schöne grüße von mir.“ „Mach ich. Und ich weiß nicht wie lange es dauert, also wartet bitte nicht mit dem Frühstück.“ „Oki. Aber wenn, dann stell ich dir etwas zurück“, versichert sie mir. „Das ist lieb von dir. Danke Hanna.“ Ich umarme sie schnell, schnappe mir meine Strickjacke und mache mich los. Ich freue mich, Luna zu besuchen.

Als ich am örtlichen Universitätsklinikum angekommen bin, schließe ich mein Fahrrad an und betrete das Gebäude. Sofort kommt der beißende Geruch des Desinfektionsmittels in die Nase. Wie ich diesen Geruch hasse. Aber ich bin ja nicht wegen dem Geruches hier, sondern wegen Luna. Also wie immer. Augen zu und durch. Ich gehe den Gang zu ihrem Zimmer entlang und erblicke Dr Curdle, der gerade aus ihrem Zimmer kommt. „Dr Curdle“, rufe ich, um seine Aufmerksamkeit zu erfassen. Er bleib stehen, dreht sich, um zu schauen woher der Ruf kam und erblickt mich dann schließlich. Mit einem Lächeln kommt er auf mich zu. „Elijah? Lange nicht mehr gesehen“, begrüßt er mich und reicht mir seine Hand.

„Schön sie wiederzusehen Dr. Curdle.“ „Wie geht es ihnen Elijah? Ihr Grandpa hat mir von dem Zwischenfall in Lakeshore erzählt.“ Achso. Da war ja was. Ich hab schon fast vergessen, dass die beiden früher Forschungspartner waren. „Mir geht es wieder deutlich besser. Danke der Nachfrage.“ „Das freut mich sehr. Genug Tabletten hast du noch oder?“, fragt er nach und schreibt etwas in die Akte, mit der er aus Lunas Zimmer kam. „Ja. Grandpa hat mir neue Tabletten gegeben“, antworte ich und beobachte ihn, bei dem was er macht. „Gut. Und nicht vergessen die hinzunehme. Wir wollen ja nicht, dass sowas noch mal passiert. Oder?“ Schnell schüttel ich den Kopf. „Nein. Ungern. Und ich werde es nicht vergessen. Danke für die Erinnerung.“ „Das wollte ich hören Elijah“, sagt er zu mir und legt eine Hand auf meine Schulter.

„Wie ich dich kenne, möchtest du zu Luna. Hab ich recht?“ „Ja. Wenn ich darf.“ „Na klar darfst du.“ Er geht zu einem dieser Wagen, die auf den Fluren stehen und legt dort Lunas Akte zu den anderen. Ich folge ihm und stelle mich daneben. „Wie geht es ihr denn?“, möchte ich wissen. „Ich war eben bei ihr und hab sie untersucht. Luna geht es den Umständen entsprechend. Ihre Werte sind nach einen kleinen Zwischenfall wieder im guten Bereich, allerdings befindet sie sich immer noch im Koma.“ Mir rutscht das Herz bis in die Knie. „Wie Zwischenfall? Was ist passiert?“, will ich wissen. „Vorgestern sind Lunas Werte stark gesunken. Wir mussten sie fast reanimieren. Aber dazu ist es zum Glück nicht gekommen. Wir haben ihre Werte dann wieder in den Griff bekommen. Anscheinend hatte sie einen Glücksbringer, der sich beschützt hat“, erklärt er. Ich atme ein bisschen erleichtert aus. „Ja den hat sie. Wissen sie eventuell schon, wann Luna wieder aufwacht?“ Dr Curdle schüttelt den Kopf. „Leider nein. Wir wissen nicht, wie lange es dauert. Es könnte in ein paar Stunden sein, es könnte morgen sein, aber auch erst in ein paar Monaten. Tut mir leid Elijah“, berichtet er mir scheren Herzens. „Danke das sie sich so gut um Luna kümmern“, bedanke ich mich und versuche zu lächeln. „Als Arzt ist es meine Pflicht mich so gut es geht um meine Patienten zu kümmern. Und als Freund deiner Familie mache ich es noch viel lieber.“ „Danke.“ „Ich muss dann auch wieder. Du weißt ja, wo ihr Zimmer ist“, sagt er und geht dann auch wieder weiter.

Ich schließe die Tür von Lunas Patientenzimmer und gehe zu ihr ans Bett. Mir läuft es immer noch eiskalt den Rücken hinunter, wenn ich sie da liegen sehe, so hilflos, mit all diesen Kabeln und Schläuchen, die an die Geräte angeschlossen sind. Ich ziehe den Stuhl zu mir, setzte mich hin und greife nach ihrer Hand. Letztes Mal war diese kalt, jetzt ist sie voller wärme. Ich mustere sie. Ihre Verletzungen, die man letztes Jahr noch sah, sind schon so gut es geht verheilt. „Hey. Ich bin es. Elijah“, sag ich zu ihr, auch wenn ich weiß, dass sie nicht antworten wird. „In den vergangenen Tagen, Wochen und Monaten ist viel passiert. Du fehlst mir Luna. Den anderen fehlst du“, rede ich weiter und lasse dabei eine Träne über meine Wange kullern. Mit meiner linken, freien Hand streiche ich ihr sanft über die Wange. Auch sie fühlt sich ganz warm an. Ob sie das spürt? „Du bist ein ganz starkes Mädchen Luna. Das weiß ich. Du schaffst das. Du musst es schaffen. Und wenn du aufwachst, d...dann werd ich da sein“, verspreche ich ihr und lasse ein paar weitere Tränen laufen. Warum bin ich denn auf einmal so emotional? Das bin ich doch sonst auch nie.

Ich rede weiter mit ihr und lasse die Zeit vergehen. Neugierig wie ich nun mal bin schaue ich heimlich nach, ob sie noch weitere Verletzungen hat. Dabei sehe ich, dass sie meine Kette trägt. „Die Kette beschützt dich, hab ich das Gefühl.“ Ich versuche, so gut es geht zu lächeln und streiche wieder sanft über ihre Hand, als sich plötzlich die Zimmertür öffnet. Sofort lasse ich ihre Hand los und drehe mich um. Ein Mädchen mit silbernen Haar und blauen Augen steht jetzt mitten im Raum und schaut mich an. Sie mustert mich und schaut dann zu Luna, wo sich ihre Augen weiten. Ohne was zu sagen, geht sie an mir vorbei, schenkt mir einen Seitenblick und setzt sich dann zu ihr. Das Mädchen streicht ihr ein paar Haare aus dem Gesicht, nimmt ihre Hand und sagt leicht lächelnd: „Hach Luna. Was machst du nur für Sachen?“ Etwas leicht verwirrt und irritiert nehme ich mir den anderen Stuhl und setze mich an die andere Seite des Bettes.

„Entschuldigung, aber wer bist du?“, frag ich einfach direkt nach und hoffe, eine Antwort zu bekommen. Sie dreht ihren Kopf zu mir und schaut mich an. „Ich bin Zoey, Zoey Bennett. Und wer bist du?“, erfahre ich in einem höflichen, aber standhaften Ton. Ist sie mit Luna verwandt? Innerlich schüttel ich den Kopf. Ich kann mich an keine Zoey aus ihrer Familie erinnern und auch der Nachname Bennett kommt mir nicht bekannt vor. Sie wendet wieder den Blick ab und schaut weiter auf Luna. Eine Träne läuft diesem Mädchen über die Wange und ohne was zu sagen, reiche ich ihr ein Taschentuch. „Danke“, sagt sie leise und nimmt es an. „Ich bin Elijah. Elijah Blick“, stelle ich mich vor und erhoffe mehr antworten von ihr zu bekommen. „Elijah? Du bist Lunas bester Freund oder?“ „Ja“, kann ich nur antworten. „Sie hat mir viel von dir erzählt. Was für ein toller Mensch du bist, dass du das Herz am rechten Fleck hast und das ich dir vertrauen kann.“ Auch wenn ich dieses Mädchen erst seid ein paar Minuten kenne, haben ihre Worte mein inneres ein bisschen erwärmt.

„Jetzt kenne ich zwar deinen Namen Zoey, aber wer bist du wirklich?“, möchte ich wissen. „Achso. Ja. Tut mir leid. Ich bin noch ein bisschen überfordert von der ganzen Situation gerade“, antwortet sie und fährt sich leicht überfordert durchs Haar. „Alles gut. Mach ganz in Ruhe“, beruhige ich sie ein wenig und lächel sie an. Zoey schließt die Augen, atmet tief durch und macht dann weiter. „Ich bin Lunas Internetfreundin.“ „Internetfreundin?“, frag ich etwas verwirrt nach. Sie nickt. „Luna und Ich haben uns vor fast drei Jahren auf Instagram kennengelernt. Sie wurde mir vorgeschlagen und dann hab ich mich ein bisschen auf ihren Account verirrt. Das erste Bild was ich damals gesehen habe war dieses hier“, erzählt sie, holt ihr Handy aus der Jackentasche und zeigt mir ein Foto. Es ist eines der vielen Bilder, die Luna auf ihren Instagramaccount gepostet hat, was zugleich auch mein Lieblings Bild ist. Auf den Bild sind Luna und ich zu sehen. Ich kann mich noch gut daran erinnern. An dem Tag war es sehr warm. Wir waren im Lakeshore River schwimmen. Ich hab sie so hochgehalten und Olivia, die ebenfalls dabei war, hat dann dieses schöne Bild gemacht. Wenn ich ehrlich bin, ist es das schönste auf ihren Account.

Ich schaue mir das Foto noch ein paar Augenblicke lang an, ehe ich Zoey ihr Handy wiedergebe. „Das Bild ist echt schön“, sag ich, schaue kurz zu Luna und dann wieder zu ihr. „Das stimmt. Erst haben wir ab und zu in den Kommentaren geschrieben, nach ein paar Tagen sind wir in den Privatchat gewechselt und schließlich auf Whatsapp gewechselt. Luna und ich haben uns ab den ersten Tag an gut verstanden.“ Ich schaue etwas bedrückt auf das Bett. „Luna hat mir nie was von dir erzählt... Ich wusste nicht, dass es dich gibt Zoey. War ich etwa so ein schlechter Freund, dass sie mir das verschwiegen hat?“ Wow. Woher kommt plötzlich diese negative Stimmung? „Halt Stopp! Das hast du jetzt nicht gerade ernsthaft gesagt oder? Bitte sag mir, dass ich mich einfach nur verhört habe Elijah!“ Ich schüttel den Kopf. „Nein hast du nicht Zoey.“ „Herr Gott nochmal! Hast du nicht gehört, was ich dir vorhin gesagt habe?“, will sie wissen. „Du hast viel gesagt“, antworte ich und schaue weiter aufs Bett. Was ist denn los mit mir? Bin ich etwa... eifersüchtig?

Schnell schüttel ich den Kopf, richte mich ein bisschen auf und schaue jetzt zu Zoey, wo sie mir gleich ein Lächeln schenkt, welches mich gleich ein bisschen aufmuntert. „Luna hat so viel von dir erzählt Elijah. Fast täglich hat sie mir gesagt, wie gern sie dich hat. Wie viel du ihr bedeutest, was ihr alles durchgemacht habt und noch vieles mehr, was ich jetzt nicht alles aufzählen möchte. Du bist für sie der wichtigste Mensch in ihrem Leben.“ „Und warum hat sie dich denn nie erwähnt?!“, frag ich etwas lauter, was ich eigentlich nicht wollte. „Tut mir leid. Ich weiß auch nicht, was gerade mit mir los ist. Weißt du, in letzter Zeit ist bei mir einfach so viel passiert, da drehen jetzt meine Gefühle auf einmal mit mir durch“, entschuldige ich mich sofort. „Du musst dich für nichts entschuldigen. Echt nicht. Ich kann dir wirklich versichern, dass du dir keine Sorgen machen musst.“ Lunas Internetfreundin steht auf, kommt zu mir rüber und nimmt mich in den Arm. Genau das, was ich gerade brauche. „Danke. Die kann ich gerade echt gebrauchen“, sag ich zu ihr und erwidere die Umarmung. „Immer wieder gerne Elijah“, sagt sie und setzt sich vorsichtig aufs Bett und passt zugleich auf, dass sie Luna nicht berührt.

Sie schaut mich vom Bett aus mit einem so süßen Blick an, dass ich nicht anders kann, als zu grinsen und ihr ein Lächeln zu zeigen. „Das war mein Ziel“, kommt es aus Zoey heraus und grinst zurück. „Mich zum lächeln zu bringen?“ Sie nickt. „Was anscheinend ja gut gelungen ist.“ „Aber das beantwortet leider immer noch nicht meine Frage, warum sie mir nichts gesagt hat.“ Zoey rückt ein bisschen nach vorne und legt eine Hand auf mein Knie. „Du musst dir echt keine Sorgen machen Elijah. Ich weiß nicht genau warum sie es dir nicht sagen wollte, aber  sie wollte es dir auf jeden Fall sagen.“ „Wann denn?“, will ich wissen. „Wenn sie wieder raus aus dem Jugendgefängnis kommt.“ „Da hätte ich ja noch lange warten können...“ „Elijah sie kann hören, dass du enttäuscht bist. Das macht sie sicher traurig.“ „Ich weiß. Das möchte ich nicht. Aber das mit dir hat mich einfach überrumpelt.“ „Das kann ich doch voll und ganz verstehen. Aber sie vertraut dir und dachte, dass sie dir dann sowas nicht sagen muss. Weil ihr euch gegenseitig so vertraut. Verstehst du was ich meine?“

Nickend antworte ich. „Du hast recht“, kann ich nur sagen. „Soll ich weiter erzählen?“, schlägt sie vor. „Gerne.“ „Luna wollte mich dir vorstellen, wenn sie frei kommt. Es sollte eine Überraschung werden, da sie wegen guter Führung vorzeitig entlassen werden sollte.“ „Und dann kam alles anders...“, sag ich und schaue Luna an, die im Koma liegt. „Kann ich dich was fragen Elijah?“ „Klar Zoey.“ „W... Wie ist das passiert? Also das mit Luna. Du musst es nicht sagen, wenn es zu sehr weh tut.“ „Ich erzähle es dir gerne“, versichere ich ihr. Sie steht kurz auf, holt sich den Stuhl, setzt sich wieder zu mir und legt ihren Kopf an meine Schulter. „Danke“, sagt sie nur. „Warum sie im Jugendgefängnis ist, weißt du oder?“ „Ja. Ein Mann namens Sean Vans ist daran schuld“, antwortet sie und man merkt, wie sie ihn jetzt schon hasst. „Dann kann ich den Teil überspringen. Gut. Dann wirst du ja bestimmt auch wissen, wer Cecilia ist.“ Zoey nickt. „Mit Amelie zusammen waren die beiden Lunas beste Freundinnen.“ „Genau. Sie waren hier im Jugendgefängnis. Eines Tages letzten Jahres hab ich einen Anruf erhalten, dass es einen Zwischenfall im Gefängnis gab. Dort hab ich ein Video gesehen, wie Cecilia plötzlich Luna angegriffen und lebensbedrohlich verletzt hat. Sie war ein komplett anderer Mensch“, erkläre ich ihr.

Es herrscht kurze Stille. „Also ist Cecilia daran schuld?“, will Zoey wissen und schaut mich ernst an. Doch ich schüttel schnell den Kopf, damit ja kein Missverständnis entsteht. „Dachte ich auch erst, aber dann hab ich mit ihr geredet. Ich vertraue ihr. Cecilia hat irgendwie Essen bekommen und kann sich ab da nicht, bis sie von Luna weggezogen wurde nicht mehr erinnern. Als wäre das nicht schon schlimm genug gewesen kam, als ich das Gefängnis wieder verlassen wollte, ein Rechtsanwalt von Cecilia. Als ich mit meinen Freunden im Flieger nach Kairo war, bekam ich einen Anruf...“ „Was war das denn für ein Anruf, wenn ich fragen darf?“ „Er kam vom Direktor der Jugendstrafanstalt. Er hat mir mitgeteilt, dass Cecilia tot in ihrer Zelle gefunden wurde“, sage ich und versuche mir die Tränen zu verkneifen. „D... Das tut mir unglaublich leid Elijah. Vor allem, Luna weiß es ja noch nicht mal...“ Wir legen beide die Arme um den anderen und umarmen uns gegenseitig. „Ich frag mich jetzt schon, wie sie reagieren wird.“ „Dann hat irgendwer Cecilia dazu gebracht Luna zu verletzen und um die Spuren zu verwischen, hat dieser Anwalt dann Cecilia umgebracht. Würde ich jetzt mal so sagen“, versucht Zoey zu schlussfolgern. „Da hast du nicht ganz unrecht.“ „Yeah“, freut sie sich und wir beide müssen ein bisschen lachen.

„Ich bin mir ganz sicher, dass Sean es war. Er war es nicht selbst, aber ich nehme sehr stark an, dass er immer irgendwen dafür beauftragt hat.“ „Wahrscheinlich um sich nicht selbst die Finger schmutzig zu machen“, hängt sie hinten dran. Ich stimme nickend zu. „Leider haben wir keine Beweise dafür. Aber ich werde nicht ruhen, bis dieser Mistkerl für das was er getan hat hinter Gittern sitzt.“ Zoey schaut mich mitfühlend an. „Davon hat mir Luna auch immer erzählt“, erfahre ich. „Von was erzählt?“, möchte ich wissen. „Zum Beispiel hat sie mir erzählt, dass du ihr sofort nach der Festnahme versprochen hast, alles daran zu setzen, sie und ihre Freunde aus dem Jugendgefängnis rauszuholen. Das finde ich echt toll von dir Elijah.“ „Für mich stehen meine Freunde an erster Stelle.“ „Auch das hat sie mir erzählt“, sagt sie lachend. „Was hat sie dir denn noch so erzählt?“, frag ich neugierig nach. „Vieles Elijah. Vieles. Aber eines hat mich besonders mitgenommen“, kommt es aus ihr heraus. „Und was?“ Sie schluckt hörbar. „D... Das mit Stella...“ „Ohh“, kann ich nur sagen. „Es tut mir leid, was sie dir angetan hat. Das hast du nicht verdient“, versucht sie mich aufzuheitern. „Lass uns bitte nicht darüber reden Zoey.“

„Wir haben uns glaub ich vor deiner und Lunas Beziehung kennengelernt. Sie hat mir erzählt wie glücklich sie mit dir ist, dass sie gefühlt 24/7 an dich gedacht hat, wie sie sich Tipps fürs Küssen und ihr erstes Mal bei mir besorgt hat. Bis das mit du weißt schon wem passiert ist.“ „Wie meinst du das?“, will ich wissen und werde hellhörig. „Das mit dir und... Miss S hat sie mitgenommen.“ „S...Sehr?“ Zoey nickt. „Ja.“ Oh nein. „Sie hat Miss S für das gehasst, was sie dir angetan hat. Das hat sie fertig gemacht. Ich war für sie da. Ich hab ihr gesagt, dass sie mit dir reden soll, aber sie wollte dich nicht damit reinziehen“, erklärt sie. Was sie mir erzählt, bringt mich ein wenig zum Lächeln. „Das klingt ganz nach Luna. Sie wollte nie, dass ich mich wegen irgendwas Sorgen mache. Aber es hätte mich trotzdem gefreut, wenn sie mit mir geredet hätte.“ „Das kann ich verstehen. Doch sie wollte einfach nicht und zwingen wollte ich sie erst recht nicht.“ „Das kann ich verstehen.“ „Als dann der ganze Scheiß mit Miss S vorbei war, hat sie sich so sehr darüber gefreut.“ „Ich war auch heilfroh. Es war sehr kräftezehrend.“

„Kann ich dich was fragen Zoey?“ „Natürlich“, antwortet sie mir. „Wenn es dir zu Privat ist, musst du nichts dazu sagen. Aber du meintest vorhin, dass du mit Luna gut befreundet bist. War es vielleicht mehr als nur Internetfreundschaft?“ Ich sehe, wie Zoey rot im Gesicht wird. Sehr sogar. „Ja war es“, sagt sie langsam und mit leicht zitternder Stimme. Hat sie etwa Angst? „Ich merke das du Angst hast Zoey. Wovor?“, frag ich vorsichtig. Sie zuckt mit mit den Schultern. „I... Ich weiß nicht.“ Ich lege meine warme Hand an ihre kühle Wange und streiche ihr leicht darüber. „Magst du es mir erzählen?“ „Ich hab Angst, dass es so rüber kommt, als hätte ich, sie dir weggenommen. Aber so war das nicht.“ „Hey ganz ruhig. Davor brauchst du doch keine Angst haben. Das würde ich nie im Leben denken“, versuche ich sie zu beruhigen. „Wirklich nicht?“ „Wirklich nicht“, sag ich lächelnd und umarme sie kurz. „Danke Elijah.“ „Magst du mir ein bisschen mehr erzählen?“ Zoey nickt wieder.

„Als es Luna nicht so gut ging, waren wir füreinander da. Wir haben viel geschrieben und auch fast jeden Abend telefoniert, wenn du nicht bei ihr warst. Und dann ist es passiert. W... Wir haben uns ineinander verliebt.“ Auf meinem Gesicht bildet sich ein breites Lächeln. „Seid ihr dann zusammengekommen?“, möchte ich wissen, um meine Neugier zu besänftigen. „Sind wir. Ungefähr ein halbes Jahr, bevor sie verhafte wurde“, erfahre ich und freue mich. „Dann bist du die Person von der Luna geredet hat.“ „Wie meinst du das?“, fragt sie etwas verwirrt nach. „Sie meinte, dass sie eine Person kennengelernt hat, die sie sehr glücklich macht, aber wer es ist, wollte mir Luna nicht verraten.“ „Nawww wie süß“, quiekt sie und freut sich wie ein Honigkuchenpferd. „Und wie ging es dann weiter, als sie inhaftiert wurde?“ „Wir haben uns Briefe geschrieben und einmal in der Woche telefoniert“, erklärt sie mir und ich merke, wie sie beim erzählen aufgeht. „Das muss echt scheiße sein, so von ihr getrennt zu sein.“ „Das kannst du laut sagen. Zumal wir uns noch nie in Reallife gesehen haben.“

„Das wusste ich nicht Zoey. Das muss dann noch mal schlimmer sein und sie dann jetzt in dieser Situation so das erste Mal Life zu sehen...“ „Schrecklich. Ich weiß.“ Ich lege mitfühlend meine Hand auf ihre Schulter. „Darf ich fragen wo du herkommst Zoey, weil ihr euch ja noch nie getroffen habt?“ „Das ist etwas kompliziert“, meint sie, doch davon lasse ich mich nicht abschütteln. „Ich hab noch ein bisschen Zeit“, verrät mir ein kurzer Blick auf meine Armbanduhr. „Du kannst es mir also gerne erzählen. Natürlich nur, wenn du möchtest“, schlage ich ihr vor und lächel warm. „Bist du dir sicher Elijah? Ich möchte dich auch nicht nerven oder so.“ „Das tust du nicht Zoey“, antworte ich. Sie sagt nichts weiter dazu, sondern erzählt mir, woher sie kommt.

„Oki. Also ich bin in Berlin geboren. Meine Eltern haben sich, als ich sechs war geschieden. Das war die Hölle. Meine Mum ist dann nach Chicago gezogen und hat dort ihren neuen Freund kennengelernt.“ „Chicago ist eine tolle Stadt“, sag ich zu ihr. „Das stimmt.“ „Erzähl weiter“, bitte ich sie und lehne mich ein wenig zurück. „Ihr Freund heißt Hunter und er hat eine Tochter, die Fabienne heißt und in meinen Alter ist.“ „Ohh. Das war bestimmt nicht immer einfach zwischen dir und Fabienne oder?“, frage ich nach.

„Das ist so. Hunters Frau ist damals gestorben, als Fabienne noch klein war. Wir sind sozusagen zusammen aufgewachsen. Ich hab sie wie eine richtige Schwester ins Herz geschlossen.“ „Das tut mir leid. Aber es freut mich, dass sich Hunter und deine Mum so gut verstehen.“ „Ohja. Das stimmt. Sie lieben sich über alles. Im Sommer wollen die beiden heiraten. Ich freue mich schon.“ „Und was ist mit deinem Dad in Berlin?“ „Hach“, sagt sie nur und das folgende Augenrollen beantwortet den Rest. „Musst du nicht sagen Zoey.“ „Alles gut“, sagt sie mit einem Lächeln und macht weiter.

„Mein Dad ist ein Versager...“ „Wie meinst du das?“ „Nach der Trennung ist er langsam abgerutscht. Er war Leiter einer Firma, aber er hat mit den falschen Leuten Geschäfte gemacht. Er wurde Arbeitslos, wollte sich mit Tabletten das Leben nehmen und fand sein Spaß am Alkohol.“ „Arbeitet er denn wieder?“ „Naja. So richtiges arbeiten kann man es nicht nennen. Er arbeitet im Dönerladen um die Ecke. Mit dem Geld was er dort verdient bezahlt er die Miete und das was übrig bleibt... gibt er für Alkohol und Pizza aus.“

„Das tut mir wirklich leid Zoey“, kann ich leider nur sagen und lege mein Arm um sie. Sofort legt sie wieder ihren Kopf leicht an mich und atmet aus. Ob sie das alles her gerade sehr mitnimmt? „Ich hab mich schon daran gewöhnt. Aber weißt du, was mich immer wieder aufs neue fasziniert?“, fragt sie mich und lächelt dabei, als wäre nichts gewesen. „Nein, aber das wirst du mir sicher sagen.“ Zoey nickt. „Trotz das sich Dad so hängen lässt, hat er sich gut gehalten. Immer wenn ich Dad besuche, hat er meistens aufgeräumt. Er versucht sogar ein bisschen was zu kochen, auch wenn es zu 95 Prozent Tiefkühlware ist. Aber ich merke, wie sehr er sich Mühe gibt. Halt auf seine Art.“ „Ich denke dein Dad versucht sein Leben wieder langsam in den Griff zu bekommen.“ „Das denke ich auch.“ „Kann ich was zu deinem Dad fragen?“ „Natürlich.“

„Du meinst vorhin, dass dein Dad auch getrunken hat. Hat er dich auch...?“ „Geschlagen?“, beendet sie den Satz. Ich nicke vorsichtig. „Ja hat er. Aber nur einmal. Er wollte es nicht. Es war ein Ausrutscher und das war der Tag, an dem er angefangen hat, sich zu ändern.“ „Pass bitte auf dich auf Zoey.“ Ich schaue in ihre Augen und sehe, wie sie sich in meiner Anwesenheit wohlfühlt. „Das mache ich. Versprochen.“ „Gut. Aber was mich noch interessiert ist, wie hast du herausgefunden, dass Luna im Krankenhaus ist?“ „Als ich schon länger schon nichts mehr von ihr gehört habe, hab ich angefangen mir Sorgen zu machen. Durch Zufall bin ich vor ein paar Wochen an die Telefonnummer ihrer Eltern gekommen. Sie haben mir dann gesagt, wo sie liegt.“ „Und dann bist du einfach hier her?“ „Nicht ganz Elijah.“ „Wie dann Zoey?“, möchte ich wissen. „Ich habe gewartet, bis ich wieder zu meinem Dad darf, da ich da den Flug und so nicht selbst zahlen muss. Also bin ich vor ein paar Tagen mit Fabienne hier her zu Dad“, erklärt sie mir. „Du bist mit deiner Stiefschwester hier?“, frag ich noch mal nach. Nickend unterstreicht sie ihre Aussage. „Fabienne wird in ein paar Tagen 16. Sie war noch nie in ihrem Leben in Deutschland und das hier ist sozusagen ihr Geburtstagsgeschenk.“ „Und ist das auch für deinen Dad in Ordnung? Also das Fabienne mit da ist?“ „Ja. Er freut sich, sie kennenzulernen.“

Zoey und ich haben uns noch weiter unterhalten. Ich konnte noch viel mehr über sie und ihre Familie erfahren. Zum Beispiel, dass obwohl Fabienne noch nie in Deutschland war, perfekt und fließend deutsch spricht. Sie hat mir auch ein paar Bilder gezeigt. Sie ist auf jeden Fall echt nett. Ich mag sie jetzt schon. Ich hätte mich gerne noch länger mit ihr unterhalten, aber plötzlich höre ich, wie mein Handy vibriert. Ich fische es aus meiner Hosentasche. Es ist Hanna die mich anruft. „Entschuldigst du mich bitte kurz.“ Ich gehe rasch aus dem Raum und nehme auf den Flur den Anruf an.

„Hey“, sag ich ins Handy und mein Bauchgefühl verrät mir, dass es nichts gutes sein kann. „Gut das ich dich erreiche“, und merke sofort, dass sie sich Sorgen macht. „Was ist los?“, frag ich gleich. „E... Es geht um Lucie...“, höre ich sie mit zittriger Stimme ins Handy sagen. Kaum hat sie den Namen ausgesprochen, klingeln bei mir alle Alarmglocken. „Oh nein. Was ist mir ihr?“, möchte ich sofort wissen und bereite mich schon aufs schlimmste vor. „Sie ist bei Maya. Doch dann hab ich von ihr eine Whatsapp bekommen, dass Lucie eine Panikattacke bekommen hat und sich ins Badezimmer eingeschlossen hat. Stella und ihre Eltern sind nicht zuhause. Maya ist komplett überfordert“, berichtet sie und mir Stockt der Atem. Ich weiß ja Bescheid von Lucies Problem und das sie sich auch Selbst verletzt. Ich hab ihr auch oft geholfen, aber ich dachte, dass es aktuell wieder besser wird. „Du musst nichts weiter sagen Hanna. Ich mach mich sofort auf den Weg zu Maya“, versichere ich ihr. „Danke Elijah. Ich sag ihr Bescheid, dass du kommst und schreib mir, wenn es was neues gibt.“ „Mach ich“, lege auf und gehe zurück ins Krankenzimmer.

„Tut mir wirklich leid Zoey, aber ich muss ganz schnell los. Ich hab gerade einen Anruf erhalten. Einer Freundin von mir geht es nicht gut. Ich hoffe du verstehst das“, sag ich zu ihr und ziehe schon meine Strickjacke an. Zoey steht von ihrem Stuhl auf und kommt zu mir rüber. „Kümmer dich um deine Freundin. Ich bleibe noch eine Weile. Aber bevor du gehst, nimm das bitte.“ Sie drückt mir ein Zettel in die Hand, den ich gleich in meine Hosentasche wandern lasse. „Ich hab dir meine Nummer aufgeschrieben. Würde mich sehr freuen, wenn du mir schreibst.“ „Werde ich machen. Ich muss jetzt los. Pass auf dich auf und war nett dich kennenzulernen.“ „Mach ich.“ Umarmend verabschiede ich mich von ihr, verlasse das Zimmer und eile schnell zu meinem Fahrrad. Ich schließe es auf und mache mich auf den Weg zum Haus von Stella und Maya.

Es wird bereits langsam dunkel. Anscheinend war ich länger im Krankenhaus, als geplant. Als wenn ich solange da war? Das kann doch unmöglich war sein.

Als ich vor ihrem Haus ankomme, sehe ich schon beim überqueren des Vorgartens das Badezimmerlicht brennen. An der Haustür muss ich nur wenige Minuten warten, bis mir Maya die Tür aufmacht. „Elijah“, sagt sie erleichtert, als sie mich sieht und fällt mir um den Hals. „Es ist auch schön dich wieder zu sehen Maya“, begrüße ich sie und erwidere die Umarmung. „Tut mir leid, dass wir uns durch diese Umstände wieder sehen, aber ich wusste einfach nicht weiter.“ Sie macht ein wenig Platz und lässt mich so ins Haus. „Alles gut. Jetzt bin ich hier, um zu helfen“, versichere ich ihr. „Danke Elijah. Ich weiß nicht, was ich noch machen soll. Ich bin komplett überfordert.“ „Lass uns erstmal hoch und du erzählst mir was genau passiert ist ja?“ Sie nickt und geht mit mir die Treppe hoch.

„Lucie macht komplett dicht. Ich komme einfach nicht zu ihr durch. Es war eigentlich alles in Ordnung. Wir hatten voll den schönen Tag. Wir beide waren bis eben noch draußen, bis wir im Park ihren Freund mit einem anderen Mädchen gesehen haben. Dann hat sie eine Panikattacke bekommen und angefangen zu weinen. Wir sind sofort zu mir zurück, wo sie sich direkt ins Badezimmer eingeschlossen hat. Dort ist sie jetzt schon seid fast einer halben Stunde. Ich mach mir Sorgen“, schildert sie und auch ich mach mir jetzt meine Sorgen. Wir bleiben beide vor der verschlossenen Tür stehen. „Ich helfe ihr Maya. Versprochen.“ Nickend geht sie ein bisschen zur Seite und kuschelt in ihren Hoodie ein.

„Hey. Ich bin es. Elijah. Was ist denn los?“, frag ich mit ruhiger Stimme und klopfe. „E...Elijah?“, kommt es von innen zurück. „Genau. Ich bin da und helfe dir. Egal was los ist.“ „Lasst mich bitte einfach alle in Ruhe. Ich bin es nicht wert. Keiner braucht mich.“ „Sag sowas nicht. Klar brauchen wir dich.“ Ich sehe, dass die Tür von innen abgeschlossen ist. „Hey. Hast du vielleicht eine Haarnadel oder so?“, frag ich Maya leise. Nach kurzem überlegen greift sie sich ins Haar und gibt mir eine. „Danke.“ „Ich hab schon wieder einer Person vertraut und schon wieder wurde ich verletzt. Ich will nicht mehr leben.“ „Ganz ruhig Lucie. Versuch dich ein bisschen zu beruhigen. Konzentriere dich auf meine Stimme“, rede ich weiter auf sie ein. Ich schiebe das Stück Papier durch den Türschlitz, um den Schlüssel aufzufangen, den ich mit der Haarnadel aus dem Schloss gedrückt habe. Langsam ziehe ich das Papier samt Schlüssel hervor. „Ich will mich aber nicht beruhigen. Ich will sterben. Dann habt ihr alle Ruhe vor mir und meinen Problemen.“ Ich will keine Sekunde mehr vergeuden und schließe rasch die Tür auf.

Doch dann läuft es mir eiskalt den Rücken runter. Lucie sitzt auf der Fensterbank. Am offenen Fenster. Ich mustere sie und meine Augen bleiben an ihrem linken Arm hängen, wo sich blutige Schnitte zeichnen. Ich lasse die Tränen über meine Wange laufen und setze einen Fuß vor den anderen. „Du musst das nicht tun Lucie. Alles wird gut. Ich bin da.“ Sie blickt langsam zu mir und schaut mich an. „E... Elijah... Bitte hilf mir“, sagt sie kaum hörbar. „Bleib ganz ruhig ja?“ Ich lege sanft meine Hand auf ihren Rücken und nehme sie zaghaft in den Arm. Im selben Moment kommt Maya ins Bad und schließt schnell das Fenster. „Sagst du Hanna Bescheid, dass alles gut ist?“, bitte ich sie. „Mach ich. Klar.“ „Danke. Ich bleibe heute Abend hier. Zur Sicherheit“, versichere ich ihr. Nickend lässt sie Lucie und mich allein.

„Was machst du nur für Sachen Lucie?“, sag ich leise vor mich hin und setze sie auf den Rand der Badewanne ab. Sie zuckt nur mit den Schultern und schaut auf den Bodesndes Badezimmers. Ich bin so froh, dass ich sie vor schlimmeren bewahren konnte. Wieder einmal. „Nicht erschrecken“, warne ich sie vor und Desinfiziere ihre Wunden. Sie sind nicht tief, aber es braucht ein paar Tage, bis sie wieder verheilt sind. Ich klebe ein Steriles Pflaster darauf und lege einen Verband an. Ich hocke mich vor sie hin und versuche in Lucies Augen zu schauen. „Ich bin für dich da.“ „Danke“, kommt es leise aus ihren Mund. „Ist dir kalt?“ „Ein wenig.“ Lächelnd lege ich meine kuschelige Strickjacke um sie, welche sie sofort anzieht. „Na komm. Ich bleib die Nacht bei dir.“ Ich hebe sie vorsichtig hoch und trage sie ins Gästezimmer. Lucie schlingt wie ein Klammeraffe ihre Arme um mich und legt ihren Kopf auf meine Brust.

Im Gästezimmer lege ich sie aufs Bett, wo sie sich sofort ihr Kuscheltier schnappt und sich zudeckt. Ich mache die Vorhänge zu und das Nachtlicht an. Die Tür lasse ich ein Spalt weit offen. Anschließend lege ich mich zu ihr und schaue zu ihr. Es vergehen ein paar Minuten, ehe sich Lucie leicht aufrichtet und sich dann an mich kuschelt. Sie legt ihren verbundenen Arm auf meinen Bauch und ihren Kopf wieder auf meine Brust. „Danke das du da bist“, flüstert sie und schließt die Augen.

Nur die Vergangenheit kennt die Wahrheit 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt