Kapitel 19:
Lucie
Langsam werde ich wieder wach. Ich finde mich auf der Couch in Juliets Wohnzimmer wieder, mit starken Kopfschmerzen. Ich erinnere mich wieder, dass ich mit Cadens Mum in der Nacht noch geredet habe. Es tat so gut, ihr mein Herz auszuschütten und obwohl sie nicht viel gesagt hat, hat sie mir einfach nur zugehört. Dafür bin ich ihr unendlich dankbar. Wir haben heiße Schokolade getrunken und anscheinend bin ich dann irgendwas eingeschlafen. Jetzt bin ich wach und merke, wie es mir trotz schmerzen deutlich besser geht.
Ich richte mich auf und nehme mein Handy vom Couchtisch, was Juliet wohl dahin gelegt hat. Es ist schon fast 11 Uhr. Dann hab ich mindestens fünf Stunden noch geschlafen. Hoffentlich kann ich heute Abend besser schlafen. Noch etwas müde, streiche ich mir meine Haare aus dem Gesicht und höre, wie sich wer in der Küche unterhält. Neugierig stehe ich auf und tapse in durchs Wohnzimmer. Es sind Caden und seine Mum Juliet. Mit einem kleinem Lächeln im Gesicht stelle ich mich zu ihnen.
„Guten Morgen Lucie“, begrüßt sie mich sofort. Caden bemerkt meine Stimme und dreht sich gleich um. „Heyy“, sagt er und kommt auf mich zu. Egal wie scheiße es mir gerade geht, wenn er mich so süß anlächelt, kann ich nicht anders, als ebenfalls zu Lächeln. Es sind halt die kleinen Dinge. „Hab dich vermisst“, gebe ich zu und lasse mich von ihm umarmen. Etwas, was ich gerade brauche. Es tut so gut umarmt zu werden. „Ich dich auch“, erwidert mein bester Freund und drückt mich an sich.
„Du warst auf einmal weg“, macht Caden weiter, streicht sanft über meine Wange und schaut mich dabei an. Ich bin so froh darüber, ihn als einen meiner besten Freunde zu haben. Er ist einer der ganz wenigen meiner Freunde, die mich noch nie im Leben verlassen haben und wo ich auch ganz genau weiß, dass sie es niemals tun würden. Und anders herum auch nicht. „Das ist dir aufgefallen?“ Er nickt. „Natürlich ist es mir das. Ich bin dann runter gegangen und hab dich auf der Couch schlafen gesehen. Meine Mum kam da gerade aus dem Wohnzimmer und hat mir alles erzählt, dass es dir nicht so gut ging und das ihr geredet habt. Du hättest mich ruhig wecken können.“ Ich löse mich von ihm und setze mich an den Küchentisch.
„I...Ich weiß. Aber ich wollte dich nicht aus dem schlaf reißen. Du lagst da so friedlich und hast dir deine Ruhe verdient. Ich wollte dich nicht immer wach halten“, sag ich zu ihm. Das Price Familienhaus ist schon fast wie mein zweites Zuhause. Ich bin hier immer willkommen. Das ist echt schön. Caden ist nicht nur ein richtig guter Freund, nein, er gehört schon zur Familie. Und mir bedeutet es viel, dass mein Dad selten etwas dagegen hat. Was man von seiner neuen Freundin Pia, meiner Stiefmum nicht behaupten kann. Sie könnte sich mit meiner richtigen Mum zusammentun. Die würden sich sicher gut verstehen. Mein Dad kennt Cadens Mum glaub ich schon aus Schulzeiten. Ich hab da nicht weiter nachgefragt. Aber ich denke das er es mir deswegen immer erlaubt. Die beiden verstehen sich immer noch echt gut.
„Och Lucie. Du bist echt süß. Es ist nicht schlimm, wenn du mich in der Nacht wach machst. Ich bin für dich da, egal wann. Das weißt du doch oder nicht?“ Ich nicke und mache mir ein Erdbeermarmeladentoast. „Und warum hast du mich nicht geweckt?“, stelle ich ihm die gleiche frage und strecke ihm frech meine Zunge raus. Caden wird ein wenig rot im Gesicht und schaut verlegen zur Seite. Doch damit kommt er mir nicht davon. Ich werde nicht ruhen, bis er es mir sagt und das weiß er auch ganz genau. „Weil ich dich nicht aufwecken wollte“, antwortet er und wir beide fangen an zu lachen. „Ach echt?“, hake ich nach und muss versuchen nicht gleich wieder loszulachen. „Eventuell lagst du da echt süß. Aber da ist noch etwas“, sagt er und spielt nervös mit seinen Fingern.
„Was denn?“, frag ich neugierig nach und beiße von meinem Toast ab. Erstaunt stelle ich fest, dass ich schon fast die ganze Scheibe Toast gegessen habe. Für meine Verhältnisse ist das echt gut. Das bekommt auch Cadens Mum, Juliet mit und lächelt mir zu. In letzter Zeit klappt es mit dem Essen wieder ein wenig besser, wenn ich daran zurückdenke, dass ich mal unter 40kg wog. Bin ein bisschen stolz auf mich. „D...Das ist mir ein bisschen unangenehm“, stottert er und schaut dabei Juliet an. Grinsend sagt sie: „Ich verstehe schon. Ich schau in ein paar Minuten noch mal nach euch.“ „Danke“, kann er nur sagen und widmet sich wieder mir zu. „Also Caden? Du kannst mir alles sagen“, versichere ich ihm und lege meine Hände vorsichtig auf seine. Unsere Blicke kreuzen sich und für einen kurzen Moment kann ich nicht aufhöre, in seine Augen zu schauen. Sie sind schön, außergewöhnlich und irgendwie beruhigen sie mich. Sie kommen mir so vertraut vor. Was passiert hier gerade?
„A...Also ich hab mich in der Nacht noch zu dir gesetzt. Ich hab dich zugedeckt, dich dabei angeschaut und dir leicht über deine Wange gestreichelt“, gibt er zu und holt mich somit aus meinen Gedanken. Innerlich bekomme ich einen Cutnesanfall. „Das ist voll süß.“ Cadens Wangen werden wieder ein wenig rot. „F...Findest du?“, fragt er verunsichert nach. Ich nicke. „Sehr sogar. Und was hast du dann gemacht?“ „Dir einen Kuss auf die Wange gegeben und wieder hoch gegangen“, kommt es etwas zögerlich aus ihm heraus. Und das hat mir jetzt den Rest gegeben. Jetzt schmelze ich regelrecht hin.
„A...Alles in Ordnung Lucie?“, fragt er mich, nach dem ich nichts mehr gesagt habe. „Bin nur etwas überforder“, sag ich und schaue ihn dabei an. „D...Das wollte ich nicht. Echt nicht. Tut mir leid“, will er sich sofort entschuldigen. „Caden es gibt kein Grund sich zu entschuldigen. Ich fand es einfach zu süß“, antworte ich und komme ihm ein Stück näher. Wieder treffen sich unsere Blicke und erneut ist da dieses Gefühl, was ich nicht beschreiben kann. „D...Danke“, kann er nur sagen und streicht mit seinem Daumen über meinen Handrücken. „Ich bin nur ehrlich. Du bist echt süß.“ Ich lächele leicht und beuge mich nach vorne. Ein wenig überrascht von meiner Reaktion kommt er ebenfalls näher. Plötzlich schlägt mein Herz schneller. Meine Augen schließen sich und meine Hand liegt jetzt auf seiner Wange. Ich blende alles aus und...
„Wie geht es dir Lucie“, werde ich von Juliet unterbrochen. „I...Ich... ehm“, stottere ich und laufe rot an. Caden geht es genauso und rutscht wieder auf seinen Platz zurück. Was um alles in der Welt war das gerade? Wollte ich etwas wirklich meinen besten Freund küssen? Was ist los mit mir? Das kann ich doch nicht machen. Ich liebe Caleb. Glaube ich. Nein. Nicht glauben. Ich weiß es. Und das wird sich nicht ändern. Hoffe ich. „Wie es mir geht?“ Ich muss kurz überlegen. „Auf jeden Fall ein wenig besser, als die letzten Tage. Aber ich hab Kopfschmerzen“, antworte ich und trinke meinen Tee aus. Mediterraner Pfirsich. Die Sorte hab ich von Elijah. Er hat sie mir mal gegeben und seid dem ist es meine Lieblingssorte.
Cadem sagt nichts, sondern steht auf und räumt den Tisch ab. „Brauchst du eine Schmerztablette?“, fragt mich Juliet. „Das wäre nicht schlecht.“ Seine Mum geht kurz zu einer der Schubladen und kommt mit einer Tablette, sowie einem Glas Wasser zurück. „Hier“, und reicht es mir. Dankend nehme ich es an und hoffe, dass es schnell hilft. „Ich bin dann jetzt schnell Einkaufen. Soll ich euch beiden was mitbringen?“, werden wir gefragt. „Vielleicht was süßes“, schlägt er vor und kommt mir somit zu vor. Mit einem einfach nicken, stimme ich ihm zu. „Und macht keine Dummheiten“, scherzt sie und macht sich los. Er und ich müssen anfangen zu lachen.
Ich warte ab, bis seine Mum vom Grundstück gefahren ist und tapse zu ihm in sein Zimmer. „Caden? Ist alles in Ordnung?“, frag ich ihn und setze mich zu ihm aufs Bett. Er sitzt mit angezogenen Beinen am Kopfende und schaut auf die Bettdecke. Erst als ich meine Hand auf sein Knie lege, kommt er zurück in die Realität und schenkt mir seine Aufmerksamkeit. „Was hast du gefragt Lucie ?“, möchte er wissen und setzt sich in den Schneidersitz hin. „Ist alles in Ordnung?“, wiederhole ich meine Frage. „Warum sollte nicht alles in Ordnung sein?“ „Naja. Das da unten eben...“, sag ich und weiß nicht, was ich sagen soll. In so einer Situation war ich noch nie im Leben. Ich hab noch nie mit Caden über so etwas reden müssen. Jetzt hab ich ein wenig Angst, in eine Panikattacke zu geraten. Ich merke schon, wie meine Hände schwitzig werden und die Nervosität steigt.
Caden rückt ein Stück näher und nimmt meine Hände in die Hand. „Lucie alles ist gut. Wirklich“, versichert er mir. „I...Ich will nicht, dass das irgendwas kaputt macht. Das könnte ich nicht verkrafte. Ich liebe Caleb.“ Sein süßes Lächeln nimmt mir Stück für Stück die Angst. „Du verlierst mich nicht. Das weißt du doch. Und das mit dem Kuss... da musst du dir keine Sorgen machen.“ „Sicher?“, hinterfrage ich. Caden nickt. „Ich hab dich lieb Lucie.“ „Ich dich auch“, sag ich und umarme ihn fest. Jetzt bin ich ein bisschen beruhigt.
„Was hast du heute noch vor?“, fragt er mich gleich darauf. „Wir machen naher einen Mädchenabend“, erkläre ich und beginne zu grinsen. Ich freue mich schon darauf. Wenn ich bei meinen zwei besten Freundinnen bin, geht es mir immer gleich viel besser. Dann kann ich meistens meine Sorgen vergessen. Ich bin froh sie zu haben. „Ach so. Da war ja was. Ihr seid heute Abend hier oder?“ Ich nicke. „Ich hoffe das ist für dich in Ordnung.“ „Klar. Solange ich mit dabei sein darf“, sagt er und lacht. „Nein. Auf gar keinen Fall“, mache ich ihm klar und schaue ihn mit verschränkten Armen an. Ich versuche ernst zu bleiben., doch das ist leichter gesagt als getan. „Warum nicht?“, fragt er und setzt einen unschuldigen Blick auf. „Das weißt du ganz genau. Es heißt Mädchenabend. Da sind keine Jungs erlaubt. Das heißt, auch kein Caden.“ „Ein Versuch war es wert.“
Am Abend ist es dann soweit. Meine zwei besten Freundinnen haben es uns in Cadens Zimmer gemütlich gemacht. Mir sitzen auf seiner ausziehbaren Couch und sind dabei ein Harry Potter Marathon zu machen. Links von mir sitzt Holly und rechts Nora. Sie ist nicht nur eine meiner besten Freundinnen, sondern auch Calebs Cousine. Wir drei kennen uns schon seid dem Kindergarten und waren dort schon unzertrennlich. Holly und Nora waren für mich da, als es mir nicht so gut ging, ich in der Schule gemobbt wurde oder sonst was. Durch Nora zum Beispiel hab ich Caleb kennengelernt. Ohne sie hätte ich mich vielleicht gar nicht in ihn verliebt. Er fehlt mir irgendwie doch schon sehr. Aber ich weiß nicht, was ich machen soll.
Gerade als mein Lieblingsteil, Harry Potter und der gefangene von Askaban anfängt, öffnet sich die Zimmertür und Juliet, Cadens Mum tritt in den Raum. „Ich hoffe ihr habt Hunger. Wenn nicht, dann muss ich wohl oder übel die ganzen Pizzen alleine essen“, sagt sie und stellt drei Pizzakartons auf die ausgezogene Couch. „Natürlich haben wir das“, antwortet Nora und strahlt. „Das wollte ich hören. Wenn ihr noch irgendwas braucht, sagt einfach Bescheid“, bittet sie und ist schneller wieder weg, als sie gekommen ist. „Machen wir“, rufe ich noch schnell hinter her. So langsam bekomme ich nämlich auch Hunger. Vielleicht schaffe ich heute mehr als ein Stück Pizza. „Lucie wir wissen was du jetzt denkst. Es ist nicht schlimm, wenn du die Pizza nicht schaffst. Das ist in Ordnung. Du weißt doch, vor uns musst du dich für nichts schämen“, versichern mir die beiden noch mal. „Danke“, kann ich nur sagen und schaue Holly und Nora lächelnd an. Ich öffne meinen Pizzakarton und mir läuft direkt das Wasser im Mund zusammen. Wie kann eine Salamipizza nur so lecker aussehen? Und dann auch noch mit extra Käse oben drauf. „Lasst es euch schmecken“, wünschen mir meine beiden Freundinnen. Ich trinke einen Schluck meines Tees, den wir uns vorhin zusammen gemacht haben und nehme den ersten Bissen meiner Pizza.
Der Abend ist echt schön. Ich hab zwei meiner liebsten Menschen um mich, ein Heißgetränk und wir schauen Harry Potter. Und selbst Gewittern tut es gerade. Ich liebe es. Das gibt noch mal so eine gewisse Atmosphäre. „Ich glaube, ich muss euch etwas sagen“, kommt es plötzlich aus Holly raus . „Du hast unsere volle Aufmerksamkeit“, antworten Nora und ich gleichzeitig und drehen uns zu ihr. „I...Ich weiß nicht, wie genau ich das erklären kann“, fängt sie an und wird rot im Gesicht. Oh Oh. Ich hab schon eine kleine Vermutung. „Du schaffst das Holly. Mach ganz in Ruhe. Wir haben Zeit“, versichern wir sie. „Also... ehm... i...ich mag... ich mag Caden echt gern“, gibt sie zu und der rot Ton in ihren Wangen wird noch intensiver. Jetzt sieht sie schon wie eine Tomate aus.
„Kannst du das ein bisschen näher beschreiben?“, fragt Nora nach. „Kann ich nicht. Ihr wisst was ich meine“, antwortet sie und schaut verlegen zur Seite. „Nein wissen wir nicht“, sagt Calebs Cousine und zwinkert mir zu, um mir zu zeigen, dass ich mitspielen soll. Ich stimme nur nickend zu. Ihr seid blöd. Na gut. Also ich hab mich eventuell in Caden... verliebt.“ Sie nimmt sich einer seiner Kissen und vergräbt ihr Gesicht darin. „Eventuell? Bist du dir nicht sicher?“, frag ich nach und stelle mir die beiden schon Händchenhaltend vor. Voll süß die Vorstellung. Holly zuckt mit den Schultern. „Weiß nicht genau. I...Ich war ja noch nie verliebt“, erklärt sie und spielt mit ihren Fingern. „Wie ist es denn so, wenn Caden in deiner Nähe ist?“, versuchen Nora und ich herauszufinden. „Unbeschreiblich. Unbeschreiblich schön. Wenn er in meiner Nähe ist, dann schlägt mein Herz plötzlich schneller. Ich kann nie genug an ihn denken. Er macht mich verrückt.“ „Naww das ist voll sü?. Du bist auf jeden Fall Herz über Kopf in ihn verliebt. Oder was sagst du dazu Nora?“ „Das sehe ich genauso Lucie.“
Holly springt von Cadens Couch auf und geht im Zimmer auf und ab, was mich ein wenig Nervös werden lässt. „Was machst du da?“, fragen wir beide verwirrt nach. „Ich versuche nach zu denken“, bekommen wir als antwortet. Doch dann springt auch Nora auf. Sie geht zu ihr rüber, hält sie am Arm fest und zieht diese zurück auf uns, wo sie auf unseren Schoß landet. Wir drei fangen an zu lachen. „Und worüber denkst du nach?“, hake ich nach. „Was ich machen soll. Ich habe keine Ahnung. Wie soll ich ihm bloß meine Gefühle gestehen?“, fragt sie voller Panik. „Ganz ruhig Holly. Jetzt versuch dich bitte erst mal zu beruhigen.“ Sie nickt und tut was wir ihr sagen. „Wir helfen dir auf jeden Fall. Da musst du nicht ganz alleine durch“, versichere ich ihr und bekomme von Nora ihre Zustimmung. „Danke Leute. Ihr wisst gar nicht, wie sehr ihr mir damit helft. Schön das es euch gibt.“ „Du bist unsere beste Freundin Holly. Klar helfen wir dir. Und unser neues Ziel lautet: Dich mit Caden zu verkuppeln“, erklären wir . „Na wenn das mal nicht nach hinten los gehen wird“, kontert sie und grinst.
„Eyyy. Was soll das denn heißen? Wir sind Profis darin“, sag ich schon halb siegessicher. „Und warum bist du dann wieder Single und Nora immer noch?“ Kaum hat sie die Frage beendet, bereut sie diese sofort. „T...Tut mir leid Lucie. Ich wollte dich nicht kränken. Das ist mir nur so raus gerutscht“, entschuldigt sie sich gleich und legt einen Arm um mich. „Schon in Ordnung“, lüge ich und dann erinnere ich mich wieder an das was Holly noch gesagt hat. „Aber in einer Sache hat sie dann doch ein wenig recht. Wie sieht es eigentlich bei dir so aus Nora?“, konfrontiere ich sie. Doch sie schaut uns nur verwirrt an. „Ich habe keine Ahnung, was ihr meint“, antwortet sie und ich kann die Ehrlichkeit in ihrer Stimme hören. „Das kaufen wir dir nicht ab Nora“, sagt Holly und schaut sie an. „Sie sagt die Wahrheit. Das weiß ich“, verteidige ich Calebs Cousine. „Genau. Also was meint ihr jetzt?“ „Na ob du auch verliebt bis.“
Auf ihrem Gesicht bildet sich der gewünschte Aha Effekt. „Ach so. Das meint ihr. Sagt das doch gleich.“ „Wir konnten ja nicht wissen, dass du uns nicht verstehst“, sag ich und lehne mich an das Rückenteil der Couch an. „Wie dem auch sei. Aber da muss ich euch leider enttäuschen.“ „Du hast keinen Jungen auf dem du stehst?“, wollen wir neugierig wie wir sind wissen. Doch sie schüttelt nur den Kopf. „Nein hab ich nicht“, unterstreicht sie ihre Aussage. „Echt nicht? In unsere Klasse gibt es doch mindestens einen süßen Jungen, der zu dir passen würde“, meine ich und hoffe, dass Nora auch wen findet, mit dem sie glücklich sein kann. Das hat sie ebenfalls verdient. „Wer hat denn gesagt, dass ich Jung toll finde.“ Meine Augen weiten sich ein wenig und auch Holly ist sichtlich ein wenig überrascht, über Noras kleines Outing. „Du stehst auf Mädchen?“, hake ich nach.
Langsam nickt sie. „Das hätte ich jetzt irgendwie nicht gedacht“, gebe ich zu und schaue sie an. Ich kann in Noras Augen erkennen, dass sie nervös ist, Angst hat und sich ein wenig Panik in ihr ausbreitet. „I...Ich hatte so Angst...“, macht sie weiter und schluchzt dabei . Sie lässt eine Träne ihre Wange hinunter laufen. „Oh nein. Bitte nicht weinen“, sagen wir beide sofort und nehme unsere beste Freundin in den Arm. Nora knuddelt sich an uns. „Magst du uns sagen, warum du so Angst hattest?“ Sie nickt. So kenne ich Calebs Cousine gar nicht. Sonst ist sie immer die mutigste und stärkste von uns dreien und jetzt, jetzt ist sie so zerbrechlich. Anscheinend liegt ihr das Thema sehr am Herzen.
„Ich hatte so Angst es euch zu sagen. Ich wusste nicht wie ich es euch erzählen sollte. Aber ja. Es stimmt. Ich stehe eher auf Mädchen, als auf Jungs. Ich bin lesbisch.“ Auf meinem Gesicht bildet sich ein warmes Lächeln, welches ich Nora sofort schenke. „Du brauchst doch keine Angst haben“, versichern wir ihr. „A...Aber ich wusste nicht wie ihr reagieren würdet. Deswegen hab ich es so lange nach hinten geschoben. Ich wollte es euch schon länger sagen.“ „Es ist alles gut. Wir sind stolz auf dich. Du hast das ganz toll gemacht.“ „Echt?“ Wir beide nicken. „Und wir haben dich immer noch genauso lieb, wie vorher. Wir akzeptieren dich nämlich so wie du bist.“ „Omg danke. Das bedeutet mir gerade verdammt viel“, quiekt sie freudestrahlend und umarmt Holly und mich ganz fest. „Hast du denn schon ein Mädchen, welches du süß findest?“, frag ich vorsichtig nach. Sie zuckt mit den Schultern. „Ehrlich gesagt noch nicht. Ich mag es langsam angehen lassen“, antwortet sie uns. „Das verstehen wir. Das ist ja nicht schlimm. Wir sind immer für dich da. Vergiss das bitte nicht.“ „Tu ich nicht.“
Wir unterhalten uns eine Weile, bis Holly plötzlich aufsteht. „Wir haben es schon spät. Ist es in Ordnung, wenn ich schon mal duschen gehe?“, fragt sie und sucht sich ihre Sachen zusammen. „Kannst du machen, dann geh ich danach.“ „Super“, sagt sie und verschwindet ins Badezimmer. „Lucie?“, höre ich Nora sagen, kurz nach dem Holly aus dem Raum ist. „Was ist?“, frag ich und drehe mich zu ihr. Sie ist ein Stück zu mir rüber gerutscht und hat ihre Hände auf meine Knie gelegt. „Als Holly vorhin das mit dem Single Thema angesprochen hat, meintest du, dass alles in Ordnung sei. Ich kenne dich mittlerweile ziemlich gut und weiß, dass du in der Sache gelogen hast. Magst du drüber reden?“, spricht sie mich mit ruhiger, warmer Stimme darauf an. Wie merkt sie so etwas nur immer? Das ist nicht das erste Mal, dass Nora das herausfindet und es wird auch wahrscheinlich nicht das letzte Mal sein.
„I...Ich weiß nicht“, stottere ich und bekomme wieder leichte Panik. Meine beste Freundin spürt dies sofort und zieht mich in eine liebevolle Umarmung. „Es geht um Caleb oder?“ Ich nicke und mir laufen ein paar Tränen hinunter. „Och Mäuschen“, sagt sie und streicht mir über den Rücken. Ich schluchze und vergrabe mein Gesicht an ihrer Schulter. „Lass es raus Lucie. Lass all deine Emotionen raus. Du brauchst sie nicht mehr zu verstecken. Nicht bei mir“, sagt sie immer wieder. Ich nicke nur und wische mit meinem Hoodie über mein Gesicht. „Ich liebe ihn immer noch. Zumindest glaub ich das. Vermissen tu ich ihn auch irgendwie, aber denn ist da noch die Sache, dass er ein anderes Mädchen geküsst hat. Das kann ich nicht einfach so vergessen. Er hat mir mein Herz gebrochen“, erkläre ich schnell und rattere es einfach runter. Es tut so gut, mit ihr darüber zu reden. Sie versteht mich.
„Das kann ich voll und ganz verstehen Lucie. Ich weiß, wie du dich fühlst. Mich hat das auch geschockt, als ich davon erfuhr. Weißt du, so kenne ich meinen Cousin gar nicht. Das ist gar nicht seine Art. Er hat mir immer so oft gesagt, wie sehr er dich liebt.“ Mein Herz fängt an schneller zu schlagen. Gibt es etwa doch noch Hoffnung? „E..echt? Das hat er gesagt?“, frag ich vorsichtshalber nach. Nora nickt. „Das hat er. Er hat noch nie so sehr für ein Mädchen gefühlt, wie bei dir.“ Meine Schmetterlinge tanzen gerade wieder verrückt in meinem Bauch herum. Doch dann fällt mir wieder ein, was er getan hat. „Warum hat Caleb dann dieses Mädchen geküsst?“, will ich wissen und merke, wie ich sauer werde. Aber ihre positive Art lässt mich schnell wieder beruhigen. „Ich hab versucht mit meinem Cousin zu reden. Hab ihn darauf angesprochen.“
„Und? Was hat er gesagt?“ „Er konnte mir nichts dazu sagen. Caleb wollte nicht darüber reden. Tut mir leid.“ Ich schaue auf den Fußboden. „Was soll ich denn machen?“, frag ich sie verzweifelt. Mitfühlend legt sie eine Hand auf meine Schulter und streicht darüber. „Ihr müsst euch zusammen setzen und darüber reden.“ „I...Ich weiß nicht, ob ich das kann“, gebe ich zu und schaue Nora an. „Ich werd dir helfen. Ich begleite dich zu ihm. Aber reden musst du mit ihm allein. Das kann ich dir nicht abnehmen.“ „Können wir morgen schon dahin?“, will ich wissen. „Wenn du das möchtest“, und im selben Moment hören wir ihr Handy klingeln. „Oh. Das ist meine Tante, Calebs Mum“, sagt sie. „Geh ran. Vielleicht ist es ja was wichtiges.“ Nickend nimmt sie in den Anruf entgegen.
Doch schon nach wenigen Sekunden zeigt sie mir, dass sie kurz aus dem Zimmer geht. Warum macht sie das? Das macht mich gerade wieder echt nervös. Ungeduldig und angespannt zupfe ich an der Haut meiner Fingernagels. „Oki. Mach ich“, höre ich sie sagen, als sie wieder ins Zimmer kommt und den Anruf beendet. „Was ist los Nora?“, frag und sehe, dass ihr Gesicht voller Tränen ist. Auch ich noch nicht weiß was los ist, stehe ich auf und nehme sie in den Arm. Sofort klammert sie sich an mich und schluchzt in meinen Hoodie. „Es geht um Caleb“, fängt sie an. Sofort läuft es mir kalt den Rücken runter. „W...Was ist mit ihm?“, möchte ich wissen. Doch sie schüttelt nur den Kopf und löst sich von mir. Ich schaue sie an. Sie zittert und auch mir kommen die Tränen. „Nora bitte... Bitte sag mir, was los ist.“ Ich mache einen langsamen Schritt auf sie zu und automatisch macht sie einen zurück. „Bitte... Es zerreißt mich sonst“, flehe ich sie regelrecht an. „C...Caleb... E...Er ist... Er ist im... Er ist im Krankenhaus.“ Meine Augen weiten sich wie noch nie zu vor. Erst starre ich auf den Boden und dann wieder sie an. „E...Er ist im Krankenhaus?“, wiederhole ich. Nora nickt. „Caleb hat sich versucht...“ Sie macht eine kurze Pause. „Oh gott... Caleb hat sich versucht umzubringen. E...Er verblutet vielleicht.“ Nein das kann nicht sein. Das darf nicht sein. Er darf nicht sterben. Ich mache einen Schritt zurück und fange an zu Zittern. „Lucie“, kommt es aus ihr heraus, doch ich schüttel nur den Kopf. Meine Maske, die ich so krampfhaft versucht habe aufrecht zu erhalten, zerbricht in diesem Moment in hundert Stücke. Sie fällt zu Boden und somit auch ich. Ich sacke zusammen. Mein Brustkorb hebt und senkt sich und ich kriege kaum noch Luft. Und dann wird mir schwarz vor Augen.
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Nur die Vergangenheit kennt die Wahrheit 4
JugendliteraturElijah ist erschüttert. Noch vor wenigen Stunden hat er erfahren, dass sein Schulfreund Joshua kaltblütig ermordet wurde. Doch wer war es? Zusammen mit seinen Freunden reißt er zurück nach Deutschland, wo ihm der Abschlussball bevor steht. Nur was m...