Kapitel 17

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Kapitel 17:



Elijah



Es ist langweilig. Noch nie in meinem Leben hab ich mich so dermaßen gelangweilt, wie jetzt. Die ganze Zeit auf diese Bildschirme zu starren, in der Hoffnung, dass die Kameras irgendwas spannendes zeigen, macht auch kein Spaß. Es ist schon Abends und die Sonne geht langsam unter. Vorhin wurde es plötzlich wieder stockdüster hier im Raum. Ich spürte einen Stich bei mir im Arm und als das Licht wieder anging, wurde mir an meinem rechten Arm ein Zugang gelegt. Ich hänge an einem Tropf und werde dadurch anscheinend ernährt. Hat die Person etwa Angst, ich könne etwas tun? Nein. Das mach ich nicht. Also ich könnte schön, doch ich möchte nicht das Leben meiner Freunde riskieren. Dafür sind sie mir zu wichtig.

„Elijah“, ertönt plötzlich wieder die verzerrte Stimme. Ich rolle nur mit den Augen und schaue mich um. „Das hab ich gesehen“, sagt er. „Was wollen sie? Wissen sie eigentlich, wie dieser scheiß Zugang in meinem Arm nervt? Und ich würde gerne was anständiges essen“, spreche ich ihn an. „Tut mir leid. Aber das ist leider eine reine Vorsichtsmaßnahme“, erfahre ich. „Wie bescheuert ist das denn bitte?“ „Nicht frech werden Elijah.“ Innerlich fluche ich gerade. „Und wie soll ich überhaupt irgendwas lösen, wenn ich mich nicht bewegen darf?“ Durch die Lautsprecher kann ich deutlich hören, wie er wütend wird. „Alles zu seiner Zeit.“ Wow. Was für eine Antwort. „Ich hab darauf kein Bock mehr.“ „Hör zu Junge. Wir können das auch alles ganz anders machen. Vielleicht ist ja Olivia besser dafür geeignet.“ Meine Augen weiten sich. Olivia... „Wenn sie ihr was antun...“, drohe ich ihm und werde wütend. „Gut. Ich denke wir verstehen uns“, unterbricht er mich und lacht gehässig.“ „Und was machen wir jetzt?“

Ich starre wieder auf die Uhr. Es herrscht Stille und einige Minuten vergehen, bis er mir antwortet. „Es wird Zeit für ein Spiel. Oder was meinst du Elijah?“ Ich schaue sichtlich verwirrt in die Kamera. „Was für ein Spiel?“, will ich wissen. „Das was ihr damals auf Klassenfahrt angefangen habt und gestern weitergeführt habt.“ Es läuft mir eiskalt den Rücken runter. „W...Woher wissen sie davon?“, hake ich nach. „Ich weiß viel über dich, Olivia, Stella und alle anderen aus deiner Klasse. Zum Beispiel das Luna im Koma liegt oder Cecilia tot ist“, zählt er auf. Das macht mir gerade ein wenig Angst. „Ich verstehe. Man sollte sich am besten nicht mit ihnen anlegen.“ Vielleicht kann ich ein bisschen sein Vertrauen  gewinnen.

„Du lernst schnell Elijah.“ Ich muss schmunzeln und das Licht wird ein wenig dunkler. Genau richtig. „Und wie haben sie sich das jetzt mit dem Werwolfspiel vorgestellt?“, möchte ich wissen. „Gestern Abend fand das Spiel den Weg zu dir und lag vor deiner Tür. Jetzt ist es Zeit, es weiter zu reichen.“ Ich ziehe eine Augenbraue hoch. „Wie meinen sie das?“ „Du wirst eine Person aussuchen.“ „Und was passiert dann?“ „Das werden wir dann sehen“, sagt er zu mir. Was hab ich denn für eine Wahl? „Egal welcher Name?“, will ich mich vergewisser. „Es muss einer deiner Klassenkameraden sein.“ Ich nicke nur und überlege. Das ist gar nicht so einfach. Wenn ich eine Person aussuche, hab ich keine Ahnung was passiert. Was wenn er oder sie dann getötet wird? Dann klebt Blut an meinen Händen.

„Ich hab mich entschieden“, kommt es nach einigen Minuten Bedenkzeit aus mir raus. „Ich bin ganz Ohr“, sagt er und ich kann die Neugier nur so raus hören. „“Eric soll der heutige Spielmeister sein“, entscheide ich und hoffe, es nicht zu bereuen. „Gute Entscheidung“, antwortet er und im selben Moment schaltet die Kamera um. „Das ist sein Zimmer. Wir hören uns naher wieder Elijah“, sagt er und verabschiedet sich von mir zu gleich. Ich versuche mich zu entspannen und schaue auf sein Zimmer.

Längere Zeit passiert nichts, bis auf einmal Eric und... Fiona in den Kamerawinkel treten. Die beiden haben nur Unterwäsche an und küssen sich auf einmal. Sind die beiden etwa zusammen? Ich weiß ja, dass es zwischen den beiden immer schon gefunkt hat, aber ich war schon bin schon aus Lakeshore gezogen, als es passiert ist. Eric und Fiona sind süß zusammen und ich freue mich für die beiden. Doch das dieser Abend ihr Glück ändern wird, weiß ich zu dem Zeitpunkt noch nicht.

Sie kommt auf ihn zu und schmiegt sich an ihn. „Hab ich schon mal gesagt, wie sehr ich dich liebe Baby?“, fragt sie ihn und schaut zu ihm hoch. Mit ihren 1,65m ist sie die kleinste aus unserer Klasse. Oft wurde Fiona deswegen gemobbt, aber nicht von uns. In unserer Klasse fühlte sich jeder geborgen, wohl, gleichberechtigt und vieles mehr. Wir haben schon immer zusammengehalten. Niemand wurde ausgeschlossen. Einer für alle und alle für einen. „Ja das hast du, aber ich kann es nie genug hören“, antwortet Eric und drückt ihr seine Lippen auf den Mund, um sie erneut zu küssen. „Wir sollten wieder zu den anderen gehen. Nicht das sie uns schon vermissen.“ Er nickt. „Du hast recht Fiona.“ Die beiden lösen sich von einander und ziehen sich an.

Eric und seine Freunde lassen sich ganz schön Zeit. Ich muss mich regelrecht dazu zwingen, nicht einzuschlafen. Doch dann geht es weiter.  Er öffnet seine Zimmertür und die Kamera wechselt in den Flur. „Was ist das?“, kommt es fragend aus ihm heraus. Bückend hebt er etwas hoch.Es ist das Werwolfspiel. „Alles gut?“, fragt sie ihn und schließt die Tür. „Schau mal. Das Spiel von gestern lag vor meiner Zimmertür“, erklärt er und schaut sich im Gang um. „Wer war das?“ Eric zuckt mit den Schultern. „Ich habe keine Ahnung. Hier auf den Flur ist keiner. Wir sollten zu den anderen. Sie warten sicher schon alle.“ „Ja“, sagt er kaum hörbar und macht sich auf den Weg.

„Wir sind wieder da“, höre ich ihn sagen und die Kamera wechselt erneut. Meine Mitschüler sitzen dort in gemütlichen Klamotten, wo wir gestern auch saßen. „Da seid ihr ja endlich. Wir dachten schon, ihr kommt gar nicht mehr“, begrüßt Olivia sie. Es ist schön sie wieder zu sehen. Ich vermisse sie, ihre nähe und ihre Berührung. Einfach alles. Jetzt will ich sie bei mir haben. „Keine Angst. Wir haben nur kurz was erledigt“, antwortet Eric und lässt Fiona dadurch rot werden. „So genau wollen wir das jetzt auch nicht wissen“, bringt sich Mia mit ein und lacht. „Ihr habt nicht zufällig was von Elijah gehört?“, fragt Olivia die beiden. Doch alle schütteln den Kopf, auch die , welche sie nicht angesprochen hat. Sie macht sich Sorgen um mich. Das ist süß.

„Nein. Haben wir nicht. Aber dafür haben wir das vor unserem Zimmer gefunden“, erklärt er und zeigt das Werwolfspiel hoch. Alle schauen überrascht zu ihm. „Das lag vor deiner Tür?“, hakt Olivia nach. Er nickt. „Warum fragst du?“ „Weil ich mir ganz sicher bin, dass Elijah das Spiel gestern Abend mitgenommen hat.“ „“Auf was willst du hinaus?“, will Eric wissen und kommt auf sie zu. Olivia steht ruckartig aus und stellt sich mit verschränkten Armen vor ihn hin. Ich spüre ihre Anspannung und Wut bis hier her. Mach jetzt ja nichts falsches, sag ich in Gedanken zu ihr und hoffe, dass sie es hört. „Das weißt du ganz genau. Elijah ist gestern Abend mit dem Spiel in sein Zimmer gegangen. Das weiß ich ganz genau. Heute morgen war er nicht mehr da und dann taucht das Spiel plötzlich vor deiner Tür auf. Schon komisch oder?“, konfrontiert sie ihn. Uff. Das sie so etwas jetzt raus haut, hätte ich nicht gedacht.

„Ganz schön harte Anschuldigungen oder Olivia? Warst du nicht diejenige, die heute morgen in seinem Zimmer war?“, erinnert Eric sie. Ich hoffe das artet jetzt nicht aus. „Leute bitte! Hört auf und beruhigt euch. Elijah ist gerade nicht da und ja wir vermissen ihn und machen uns unsere Sorgen, doch das ist noch lange kein Grund euch hier so hoch zu putschen“, schaltet sich Mia ein und bringt die beiden auseinander. Die beiden beruhigen sich wieder. Zum Glück. „Du hast recht. Tut mir leid. War nicht so gemeint“, entschuldigt sich Olivia gleich bei ihm. Er nickt und umarmt sie. „Alles gut. Ich kann es verstehen. Aber da das Werwolfspiel vor meiner Tür lag, gibt es nur eine Möglichkeit.“ „Es zu spielen“, sagt Stella in die Runde. Die anderen stimmen zu und Eric packt das Spiel aus.

„Da ich es vor meiner Zimmertür gefunden habe, bin ich heute Abend euer Spielleiter“, verkündet er. Mal schauen, wir er sich so macht. „Seid ihr damit einverstanden?“, fragt er vorsichtshalber nach. „Sind wir“, antworten sie gleichzeitig im Chor. „Gut. Ihr seid ja alle noch hoffentlich mit den Regeln noch bekannt, also muss ich sie nicht noch einmal wiederholen. Da Elijah nicht da ist, sind wir abgesehen von mir neun Spieler. Daher wird es drei Werwölfe sein, vier Dorfbewohner, sowie eine Hexe und eine Hellseherin geben“, erklärt er zu beginn des Spieles. Auch hierbei stimmen ihm alle zu. „Nun gehe ich herum und jeder zieht von euch eine Karte. Schaut sie euch gut an und achtet bitte darauf, dass keiner sieht, wer ihr seid.“ In ruhe geht er herum und lässt jeden von ihnen eine Karte ziehen.

„Dann kann es ja los gehen“, sagt er und stellt sich hinter Feli und Fiona. Bis jetzt macht er das ganz gut. „Ihr schießt eure Augen. Es wird langsam Nacht und die Werwölfe zeigen sich leise.“ Interessant wer diesmal alles die Werwolfkarte gezogen hat, was auch Eric findet und sich ein kleines schmunzeln nicht verkneifen kann. „Die Werwölfe beraten sich untereinander und zeigen mir dann wortlos, für wem sie sich entschieden haben.“ Er zeigt noch einmal auf die ausgewählte Person, um sich zu vergewissern, dass es auch die Richtige ist. Die Werwölfe nicken. „Gut. Dann schlafen die Werwölfe wieder ein und die Hexe erwacht langsam aus ihrem schlaf. Die Hexe darf sich jetzt wortlos ein der Spieler aussuchen. Hat sie das gemacht, tippe ich die Person an und zeige der Hexe deren Karte.“ Er wartet ab, bis die Hexe auf ein der Mitspieler zeigt.

„Du darfst jetzt entscheiden, ob du die Person retten möchtest oder sterben soll.“ Ein paar Augenblicke später, hab er die Antwort. „Super. Die Hexe schläft wieder ein. Nun erwacht die Hellseherin“ Auch diese Rollenverteilung ist interessant. Jetzt weiß er zumindest schon mal, wer alles normale Dorfbewohner sind. „Die Hellseherin darf sich jetzt eine Karte aussuchen, die ich ihr offenbaren muss.“ Es wird auf Jace gezeigt und er zeigt ihr, dessen Karte. „Die Hellseherin hat sich entschieden und schläft wieder ein. Langsam wird es wieder Tag und alle im Dorf erwachen aus ihrem Schlaf.“ Er stellt sich wieder hinter Feli und Fiona. „Die Werwölfe haben sich entschieden und sich ein Opfer gesucht.“ Etwas spannend gehalten zeigt er auf Leon. Er muss ein bisschen schmunzeln. „Ich bin ein Dorfbewohner“, verkündet Leon und zeigt seine Karte in die Runde. „Na toll“, kommt es von einigen der Spieler heraus. „Ihr habt diese Runde Glück gehabt. Die Hexe hat sich für  niemanden entschieden. Aber jetzt ist es noch eure Aufgabe, euch als Dorf zu entscheiden, wen ihr anklagen wollt. Dafür gebe ich euch ein paar Minuten Zeit“, sagt er und geht ein paar Schritte zurück, um etwas zu trinken.

Es ist mal was anderes das Spiel aus einer anderen Sicht zu sehen. „Wie ich schon leise mitbekomme, scheint ihr euch entschieden zu haben“, stellt er fest und tritt wieder einen Schritt nach vorne. „Das haben wir“, höre ich Stella sagen. „Dann sagt mir jetzt euer Opfer.“ Es herrscht für ein paar Sekunden stille. „Wir haben uns für Mia entschieden“, verkündet das Dorf. Ich muss grinsen. „Zeig uns bitte deine Karte Mia“, sagt er zu ihr. „Ich war eure Hexe“, antwortet sie und lacht. „Dann kann das Dorf jetzt wieder einschlafen...“

Und so zieht sich das Spiel auch den zweiten Abend durch. Sie haben nebenbei viel gelacht und getrunken. „So meine Freunde. Lasst uns langsam zum Ende kommen. Es sind nur noch drei Karten übrig.“ Das sind zwei Werwölfe und ein Dorfbewohner. Um genau zu sein Feli, Fiona und Stella. „Dann sagt mir bitte, für wen ihr euch entschieden habt.“ „Wir klagen Fiona an“, verkünden die beiden anderen. Alle anderen sind angespannt. Er muss nichts weiter sagen, sondern sie offenbart ihre Karte selbst. „Ich bin die letzte Dorfbewohnerin.“ „Das heißt, die Werwölfe haben gewonnen.“ „War ein toller Abend, obwohl Elijah nicht da war“, sagen die anderen und auch wenn ich nur zuschaue, kann ich dem nur zu stimmen.

Gähnend steht Eric nach einer Weile auf. „Wo willst du hin Baby?“, fragt ihn Fiona und steht ebenfalls auf. „Ich bin schon müde. Ich werde mich für den Rest des Abends in mein Zimmer zurückziehen“, antwortet er. „Soll ich mit kommen?“ Er schüttelt den Kopf. „Brauchst du nicht. Alles gut“, versichert er ihr. „Na gut. Ausnahmsweise“, sagt sie und drückt Eric einen Kuss auf den Mund. „Bis morgen“, verabschiedet er sich und umarmt sie. Kamera wechselt wieder in den Flur, wo er gerade lang geht. Allerdings werden die Bildschirme alle schwarz, als Eric sein Zimmer betritt. Soll das so sein?

„Hat dir der Abend gefallen Elijah?“, ertönt wieder die verzerrte Stimme. „Er war unterhaltsam“, gebe ich zu und schaue in die Kamera. „Noch Platz für ein Nachtisch?“ Ich bin ein wenig verwirrt. „Wie meinen sie das?“ „Ja oder nein?“, fragt er mich schon etwas lauter. Ich überlege nicht länger nach, sondern antworte einfach mit: „Ja.“ „Aber sei gewarnt, dass ist nichts für schwache nerven“, warnt er mich vor. Mir entfährt ein kleines Lachen. „Wird schon nicht so schlimm sein“, sag ich und starre auf die immer noch schwarzen Bildschirme. „Na wenn du dir da mal nicht so sicher bist.“

Doch das war ich. Ich war mir viel zu sicher. Nicht einmal im Traum hab ich daran gedacht, was jetzt kommt. Und das war erst der Anfang. „Gut Elijah. Du möchtest es so. Wenn ich die Kameras gleich wieder an mache, dann wird es kein zurück mehr geben.“ Warum sagt er das gerade so? Doch ich nicke nur und stimme ihm so zu. „Bis morgen früh.“ Kaum hat die verzerrte Stimme ihren Satz beendet, schalten sich die Kameras an. Meine Augen weiten sich und mein Mund geht weiter auf. „Ach du scheiße“, kommt es aus mir heraus. Sie zoomen heran, was den Anblick nicht schöner werden lässt. Es ist Eric, der tot im Zimmer liegt. Seine Körperteile sind abgetrennt und liegen in einer Blutlache. Und beim genauerem hinsehen erkenne ich, dass auch bei ihm ein Klassenfoto liegt. Es sieht genauso aus wie bei Joshua.

Er war es. Die Person, welche sich hinter der verzerrten Stimme versteckt. Das weiß ich ganz genau. Allerdings muss ich noch wer herausfinden, wer es ist. Die Bilder sehen grausam aus. Warum hat er das gemacht? Doch dann stockt mir der Atem. Ich hab mir Eric ausgesucht. Das heißt, ich bin an seinen Tod schuld. Schnell schüttel ich den Kopf. Nein Eijah. Ich kann mir nicht selbst die Schuld geben. Es war ganz allein seine Schuld. Genau. So und nicht anders.

Nur die Vergangenheit kennt die Wahrheit 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt