Kapitel 16

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Kapitel 16:



Lucie



Ich hab Angst. Riesen Angst. Heute bin ich das Wochenende über bei meiner Mum. Sie und mein Dad sind seid fast vier Jahren getrennt. Damals war ich 12. Es war schlimm. Ab da ging alles den Bach runter. Doch das es noch schlimmer werden wird, hätte ich nie im Leben gedacht. Eigentlich wollte Logan, mein acht Jahre alter kleiner Bruder mitkommen, doch er ist übers Wochenende bei seinem besten Freund und übernachtet dort. Ich fand es Zuckersüß von ihm, wie er mich vorhin gefragt hat, ob er mich doch lieber begleiten solle, da ich so bedrückt aussah. Doch ich hab nur den Kopf geschüttelt. Logan merkt, wenn es mir nicht gut geht. Dann kommt er immer in mein Zimmer, sagt nichts und umarmt mich einfach. Da frag ich mich jedes Mal, wie ein kleiner Bruder nur so süß sein kann? Aber ich wollte ihn nicht noch mehr mit meinen Problemen belasten. Das will ich eigentlich niemanden. Auch bei Elijah ist es so, obwohl ich ganz genau weiß, dass ich ihm vertrauen kann. Deswegen muss ich da alleine durch.

Zu dem hat meine Mum auch seid kurzem einen neuen Freund. Er heißt Thomas und ist eigentlich ganz nett. Jedenfalls ist er deutlich liebevoller, als sie. Sie hingegen ist eine Furie. Eine Kreuzung aus Umbridge und Voldemord höchstpersönlich. Man kann diese Person einfach nicht beschreiben. Ich würde gerne das es wieder so wird wie früher. Klar war es damals auch nicht immer toll, aber auf jeden Fall besser, als meine Eltern noch zusammen waren. Ein Glück das Logan das alles nicht mitbekommt. Naja. Ich hoffe es so sehr.

Panik bereitet sich in mir aus, je näher ich dem Haus meiner Mum und dessen Freund komme. Ich will nicht. Ich will einfach nicht. Wenn ich drin bin, dann bin ich tot. Das weiß ich jetzt schon. Aber vielleicht ist es diesmal ja gar nicht so schlimm. Letztes Mal hat sie mich auch nur angeschrien und nicht geschlagen. Vielleicht, nein hoffentlich ist es diesmal auch so. Dann kann ich einfach nur in meinem Zimmer bleiben, weinen und irgendwie die Zeit tot schlagen. Darin bin ich Meisterin. Da kann mich keiner besiegen.

Mit zitternden Fingern schließe ich die Haustür auf und denke mir in Gedanken, willkommen in Askaban. „Heyy“, sag ich leise und ziehe meine Schuhe aus. Ich schaue mich nach den beiden um und erblicke sie und ihn in der Küche, die irgendwas bereden. „Heyy Lucie“, begrüßt mich Thomas freundlich und schenkt mir ein Lächeln. Meine Mum hingegen blickt mich Finster an. Sofort bekomme ich Gänsehaut. Diese Frau ist schon fast wie ein Dementor, der alles glückliche aus einem heraus saugt. Gruselig. „Bist du auch endlich mal da“, sagt sie und kommt auf mich zu. Ich bleibe wie angewurzelt stehen und kann mich nicht mehr bewegen. Das passiert immer in so einer Situation. Von mir kommt nur ein nicken.

Meine Mum kommt mir ganz nah und schaut mich an. Es fühlt sich so an, als wäre sie gewachsen oder ich geschrumpft. Sie schüchtert mich ein und ich kann nichts dagegen machen. Konnte ich noch nie und werde ich wahrscheinlich nie. „Nächstes mal bist du pünktlich“, meckert sie mich an und da passiert es. Ihre Hand landet an meiner rechten Wange und automatisch gehe ich ein paar Schritte zurück. Mit meinen Fingern fahre ich über meine schmerzende Haut und lasse eine Tränen hinunter kullern. „Fang ja nicht an zu heulen“, kommt es aus ihr heraus und schubst mich an die Wand. Krampfhaft versuche ich sie zurück zu halten, damit ich nicht noch mehr einstecken muss.

„Harper hör auf. Lucie hat nichts gemacht“, mischt sich Thomas ein, wofür ich ihn dankbar bin. Wenn ich hier bin und sie dann manchmal nicht da ist, kommt er in mein Zimmer und schaut wie es mir geht. Ab und zu bringt er mir auch was süßes hoch. Auch Logan  mag ihn, was mir viel bedeutet.  Sie lässt kurz von mir los und schaut zu ihm rüber. Ob er sie auch schlägt? Die Frau würde vor nichts zurück schrecken. Ein Glück, dass mein kleiner Bruder verschont bleibt. Wenn ich herausfinde, dass ihm was passiert, dann schwöre ich bei Gott, bringe ich sie um. „Komm her“, fordert sie ihn auf. Er nickt nur und stellt sich neben ihn. Mum dreht sich zu ihm und flüstert ihm irgendwas ins Ohr. Was wird das hier?

Er schüttel den Kopf. „Das kann nicht dein ernst sein Harper. Das werd ich auf gar keinen Fall machen“, widersetzt er sich ihr. Was hat sie ihm gesagt? „Doch das kannst du. Und das wirst du auch“, befehlt sie ihm und schiebt ihm ein Stück nach vorne. Ich bekomme wieder Panik. Mein Pulsschlag schießt in die Höhe und ich schaue ihn an. „E...es tut mir leid Lucie“, flüstert Thomas und ich sehe, wie ihm eine Träne die Wange hinunter läuft. Warum sagt er das jetzt? Es dauert zu lange, um es zu realisieren, denn es fängt schon an. Meine Mum schaut mich grinsend von der Seite an, während er mich fest an die Wand drückt und mich anfasst. Jetzt kann ich sie erst recht nicht mehr zurückhalten. Ich lasse meine Tränen laufen und versuche mich zu wehren.

„Ich will dass nicht“, schreie ich, doch er hört nicht auf. Im Gegenteil. Er macht weiter. Seine Hand wandert unter meinen Pulli. Erst über meinen Bauch und dann hoch zu meinen Brüsten. Warum kann ich nichts dagegen machen. Es soll aufhören. Thomas ist deutlich größer und stärker, daher hab ich noch weniger Chancen. Immer wieder treffen sich unsere Blicke. Darin kann ich sehen, dass er es gar nicht will. Er will mir nicht weh tun, aber er hat keine andere Möglichkeit. Meine Mum kontrolliert ihn. Er tut mir so leid.

Doch es wird noch schlimmer. Seine Hand wandert nun unter meine Gürtellinie. Als wenn das nicht schon schlimm genug ist, fasst er mir zwischen die Beine. Ich schreie auf und versuche irgendwas zu machen. Aber es geht nicht. Ich bin wehrlos. Wieder ein mal. Es ist so, als wäre ich eingefroren. „Na mach schon“, sagt sie plötzlich. Wieder schaut er mich an. Da ich nichts sagen kann, schüttel ich vorsichtig den Kopf. „I...Ich muss“, antwortet er. Meine Augen schließen sich und ich hoffe, dass es nicht so schlimm wird. Doch das war erst der Anfang.

Thomans Finger öffnen meine Jeans. Ich zittere, bekomme Panik, aber das stört keinen. Er macht weiter, in dem er seinen Gürtel öffnet und mir noch näher kommt. Doch dann, wie als würde jemand die unsichtbaren Seile durchschneiden, kann ich mich wieder bewegen. „Nein hör auf!, schreie ich und entreiße mich seinen Griff. Ich bleiben einen kurzen Augenblick stehen, um durchzuatmen. Ich will hier weg. Einfach nur raus aus diesem Haus und dann irgendwo hin. Aber da hab ich die Rechnung ohne meine Mum gemacht. Sie ist schnell und packt mich am Oberarm. Ihr Griff tut weh und ich gerate wieder in Panik. Mein Herz klopf wie wild, als wenn es gleich aus meiner Brust kommen würde.

„Du denkst, du kannst jetzt einfach so abhauen“, keift sie mich an und zerrt mich in die Abstellkammer. Sie ist klein, fast schon wie die Besenkammer aus Harry Potter. Ich kann gerade so drin stehen. Meine Mum drückt mich darein. „L...Lass mich los“, versuche ich mich zu wehren, doch je mehr ich das tue, desto mehr wird sie aggressiver. „Halt deine vorlaute Klappe du Miststück“, sagt sie und verpasst mir einen Schlag in die Magengrube. „Ahhhh“, schreie ich auf und sacke vor Schmerz zusammen. Statt mich einfach liegen zu lassen, zieht sie mich wieder hoch, drückt mich  gegen die Wand und hält mir meine Kehle zu. Eine heftige Panikattacke macht sich in mir breit. Ich halte mich an ihren Armen fest, in der Hoffnung, dass sie aufhört, aber ihr Griff wird fester. Ich bekomme kaum noch Luft und mir wird langsam schwarz vor Augen.

Sie macht weiter und es fühlt sich so an, als würde sie nicht mehr auf hören. Gerade noch so nehme ich ein Geräusch war. Und dann lässt sie mich endlich los. Ich schnappe schnell nach Luft und schaue mich um, um herauszufinden, von wo es kam. „Lass sie in Ruhe!!“, höre ich eine vertraute, Jungs Stimme rufen, die sofort auf mich zu kommt. Es ist Caden. „Ach du scheiße Lucie“, sagt er und zieht mich in eine Umarmung.

„Ahhhhhhh Hilfe“, schreie ich und wache weinend auf. Es war nur ein Traum. Ein verdammter Albtraum. Seid langem wieder. Schwer atmend richte ich mich auf und schaue mich um. Das kleine Nachtlicht brennt und ich erkenne, wie Caden, mein bester Freund, den ich seid ich klein bin kenne, sich die Augen reibt und mich anschaut. Ich hab ihn geweckt. Das wollte ich nicht. „T...Tut mir leid Caden“, entschuldige ich mich sofort und wische schniefend meine Tränen mit dem Ärmel meines Hogwarts Hoodies weg. „Was ist passiert?“, fragt er verschlafen nach und legt seine Arme um mich. Seine Stimme klingt besorgt. „I...Ich hatte einen Albtraum.“ „Alles wird gut Lucie. Ich bin ja da“, wiederholt er ein paar Mal. Ich lege meinen Kopf wieder auf seine Brust und kuschel mich an ihn. Dabei stelle ich mir vor, dass es Elijah ist, mit dem ich kuschel.

Schnell merke ich, wie sich meine Atmung und mein Herzschlag normalisieren. Die Vorstellung neben Elijah zu liegen beruhigt mich. Wie schafft er das nur, obwohl er nicht hier ist? „Magst du mir sagen, was du geträumt hast?“, fragt er mich leise und streicht mir über mein Haar. Ich nicke leicht. „Weißt du noch, als du mich bei meiner Mum gefunden hast?“ Ich bin froh, dass ich mittlerweile auch mit Caden darüber reden kann. Nach dem ganzen Ereignissen gab es eine Zeit, wo ich Panik bekommen habe, wenn er mich zum Beispiel am Rücken gestreichelt hat. Klar weiß ich, dass er mich niemals irgendwo gegen meinen Willen anfassen würde, trotzdem hab ich Angst bekommen. Zum Glück ist es jetzt nicht mehr so.

Ich drehe mich vorsichtig auf die Seite, damit ich ihn anschauen kann. „Daran erinnere ich mich. Der Tag war schrecklich. Ich war so froh, als ich dich in den Armen gehalten habe.“ „Danke noch mal. Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn du nicht gekommen wärst“, sag ich zu ihm und versuche ein wenig zu lächeln. „Lucie du bisst meine beste Freundin. Natürlich helfe ich dir. Und bitte denk erst gar nicht daran.“ Er zieht mich näher an sich und drückt mir einen warmen Kuss auf die Stirn. Er ist so liebevoll zu mir. Aber ich merke, dass es ihm selbst mit nimmt. Letztens erst hab ich gemerkt, wie er geweint hat, als ich wieder eine Panikattacke hatte. Ich fühle mich dann immer total schlecht, weil ich meine Freund mit runter ziehe. Doch ich weiß, dass diese mir nur helfen wollen. Meine wenigen Freunde bedeuten mir unendlich viel. Und deswegen hab ich auch so Angst, sie zu verlieren. Ich vertraue nur wenigen sehr und wenn sie weg sind, würde mir das den Boden unter den Füßen reißen.

„Danke das ich bei dir sein darf heute Abend“, flüstert ich und streiche mir ein paar Haare aus dem Gesicht. „Immer. Und versuch noch mal die Augen zu zumachen.“ Er zieht die Decke höher und ich versuche mich weiterhin zu entspannen. Ich schließe meine Augen und versuche einzuschlafen. Doch ich wache immer wieder auf. Leise schaue ich nach Caden, um zu schauen, ob er noch wach ist, aber das Gegenteil ist der Fall. Er schläft schon, was unglaublich süß aussieht. Und erneut merke ich, wie sich so ein Verlangen nach Schmerz in mir ausbreitet. Das kann doch wohl nicht war sein. Warum muss das ausgerechnet jetzt gerade passieren? Es ist hier so gemütlich, da will ich nicht aufstehen. Allerdings zwingt mich mein Körper regelrecht dazu. Dagegen kann ich nichts unternehmen. Ich bin machtlos. Einfach viel zu schwach. Dafür hasse ich mich unter anderem.

Ich befreie mich von meiner Decke und versuche so leise wie es nur geht aufzustehen, was mir auch gelingt. Beim durchqueren von Cadens Zimmer komme ich an mein Handy vorbei und schaue auf die Uhrzeit. Es ist erst zwei Uhr mitten in der Nacht. Oh man. Ich weiß jetzt schon, dass es eine so gut wie schlaflose Nacht wird. Dabei gibt es Tage, wo ich kaum bis gar nicht schlafen kann und dann gibt es gute, da kann ich zum Beispiel die ganze Nacht durchschlafen. Warum kann ich nicht einfach jede Nacht so gut schlafen?  Warum muss das alles immer mir passieren? Was hab ich denn nur falsch gemacht? Bin ich etwa so ein schlechter Mensch?

Leise tapse ich durchs Haus und gelange in die Küche. Ich mache das Licht an und schaue mich um. „Lucie?“, höre ich plötzlich hinter mir, als ich gerade eine der Schubladen öffnen wollte. Die Besteckschublade, um genauer zu sein. Ich zucke zusammen uns drehe mich langsam um. „Juliet“, sag ich leise und atme hörbar erleichtert aus. Es ist Cadens Mum, die jetzt ebenfalls in die Küche gekommen ist und auf mich zu. Auf ihrem Gesicht ist ein warmherziges Lächeln, welches mich sofort umschließt. Sie hätte ich gerne als Mum und das weiß sie auch, deshalb behandelt sie mich schon fast wie ihr eigenes.

„Mach das nicht Lucie“, kommt es aus ihr heraus. Juliet zieht mich in eine liebevolle Umarmung und  streicht mir dabei über den Rücken. „I...Ich... Es tut mir leid“, schluchze ich und vergrabe mein Gesicht an ihr. „Was war denn los kleine? Ich hab dich schreien hören“, fragt sie nach. Doch ich zucke nur mit den Schultern. „Ich bin nicht enttäuscht, falls du das denkst. Das bin ich niemals“, versichert sie mir. „D...Danke“, kann ich nur sagen und lasse eine Tränen meine Wange hinunter laufen. „Aber weißt du was, da ich jetzt ebenfalls nicht schlafen kann, was hältst du davon, wenn ich uns beiden eine heiße Schokolade mache“, schlägt sie vor. Auf meinem Gesicht bildet sich ein breites Grinsen und ich löse mich wieder von ihr. „Das klingt super. Aber mit Marshmallows“, antworte ich. „Und Sahne?“, fügt sie noch hinzu. „Oh ja“, sag ich freudestrahlend.

„Soooo. Eine heiße Schokolade mit Marshmallows und extra Sahne für Lucie.“ Sie kommt mit zwei großen Tassen ins Wohnzimmer und stellt sie vor mir auf den Couchtisch ab. In der zwischen Zeit hab ich mich in die Decke eingekuschelt und nehme mir meine Tasse, wo ich auch gleich den ersten Schluck draus trinke. Lecker.  „Mach es dir gemütlich. Und dann kannst du mir ganz in Ruhe erzählen, was dich alles bedrückt.“ Ich nicke nur und mache es mir gemütlich.

Nur die Vergangenheit kennt die Wahrheit 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt