Kapitel 10:
Lea
In den letzten Tagen ist so viel passiert. Ich habe Elijah, einen guten Freund aus Lakeshore wiedergetroffen und ihm alles erzählt. Dann haben wir durch Dylan die Wahrheit unserer Familien herausgefunden und dann auch noch gestern das mit Gracie. Das macht mir zu schaffen. So hab ich mir ehrlich gesagt einen Neuanfang hier in London nicht vorgestellt. Aber das ist jetzt nun mal so. Daran kann ich nichts verändern. Doch ich kann die Zukunft beeinflussen. In der Zeit hier, habe ich ein paar echt tolle freunde gefunden. Sie machen mein Leben gerade so viel besser. Ich kann ihnen nicht genug dafür danken.
Langsam werde ich wach und öffne meine Augen. Das Sonnenlicht gelangt durch meine Fenster und kitzelt mich Leicht an der Nasenspitze. Ich habe mein Schlafzimmer extra so gewählt, dass sie Sonne Vormittags in mein Zimmer scheint. Da wird der Raum gleich ein bisschen mit aufgewärmt. Meine Armbanduhr sagt mir, dass wir es schon fast 12 Uhr haben. Leicht verwirrt reibe ich mir meine Augen und schaue noch mal hin. Tatsächlich. Es ist kurz vor 12. Hab ich echt so lange geschlafen? Naja. Kein Wunder, wenn Dylan und ich bis 2 Uhr Nacht wach waren. Apropos Dylan. Ich konnte neben ihn so gut schlafen. Also nicht das ich sonst nicht gut schlafen kann, aber neben ihn war es noch mal um einiges besser. Es war so, als würde ich auf so einen richtig flauschigen Kissen schlafen. Ein Traum. Am liebsten würde ich noch länger hier liegen bleiben, aber ich möchte gerne nach Gracie schauen.
Es ist ein kleiner Kampf mit meiner Decke, bis ich sie von mir weg getrampelt habe. Wie ich das hasse. Ich setze mich auf und sehe, wie unglaublich süß Dylan in meinem Bett liegt. So friedlich. Was er wohl gerade träumt? Ob ich darin vielleicht sogar vor komme? Ich ertappe mich dabei, wie ich mir auf die Unterlippe beiße. Meine Finger wandern vorsichtig unter die Decke und finden sich auf seinen Oberkörper wieder. Ich habe gar nicht mitbekommen, wie er es ausgezogen hat. Eine leichte wärme strömt wieder in meine Wangen, während ich mit Zeige und Mittelfinger, über seine Haut fahre. Ich mag seine Figur. Er hat kein Sixpack und einen kleinen Polster am Bauch. So etwas finde ich toll. Wenn ich ehrlich bin, ist Dylan perfekt.
Ich beuge mich leicht über seinen Körper und möchte ihn gerade einen federleichten Kuss auf seinen Oberkörper geben, als er ruckartig die Augen aufreißt. Sofort fixieren mich seine grünen Augen und ich schaue mit knall rotem Gesicht, verlegen auf den Fußboden . Warum muss er denn ausgerechnet jetzt aufwachen? Das war gerade so schön. „I...Ich wollte dich nicht wecken Dylan“, stottere ich. „Hast du nicht“, antwortet er, richtet sich auf und nimmt mein Gesicht in die Hand, damit ich ihn wieder anschaue. Er streicht mir über meine warme Wange und zieht mich auf seinen Schoß, wobei mir ein kleines, „Huch“, entlockt wird. „H...Hab ich nicht?“, hinterfrage ich. Er schüttelt den Kopf. „Ich war schon etwas länger wach.“ „Warum hast du mich denn nicht geweckt?“, möchte ich wissen und spiele mit dem Saum seiner Jogginghose.
Innerlich schüttel ich stark den Kopf, bei den zweideutigen Gedanken, die mir gerade durch den Kopf schwirren. Warum denke ich plötzlich an so etwas? Und wieder einmal frag ich mich, was dieser Junge mit mir macht. „Weil du so süß geschlafen hast Lea“, antwortet er und legt seine Hände an meine Taille. „Hab ich das?“, und fahre durch sein zerzaustes Haar. Es fühlt sich so weich und flauschig an. Ich kann nicht anders, als dadurch zu wuscheln. „Das hast du. Und als du wach wurdest, hab ich meine Augen wieder geschlossen und deine Berührungen genossen“, erklärt er. „H...Haben sie dir gefallen?“, kommt es aus mir heraus und wandere mit meinen Fingern nach oben, wobei ich bemerke, wie Dylans Atmung schwerer wird. Bin ich etwa der Auslöser dafür? Was mach ich denn? „J..Ja“, sagt er verlegen und zieht mich näher. Das hab ich jetzt nicht erwartet und stütze mich an seinen Oberkörper ab, damit ich nicht ganz so doll nach vorne kippe. Doch ich kann nicht verhindern, dass nur noch wenige Zentimeter zwischen unseren Lippen sind. „Dylan...“, flüstere ich, verliere mich in seinen Augen und lege meine Hand an seine Wange. „Lea...“, erwidert er es und dann passiert es. Er zieht mich die fehlenden Zentimeter nach vorne, sodass sich unsere Lippen automatisch berühren. Ein unbeschreibliches kribbeln breitet sich in meinem Körper aus. Unsere Lippen formen ein Kuss und es bleibt nicht nur bei einem.
Ich hab nicht mitgezählt, aber nach einer Weile lösen wir uns wieder voneinander und schauen uns gegenseitig schwer Atmend an. Meine Lippen sind geschwollen und es war echt schwer, von ihm loszulassen. „I...Ich... ehm...“, stottere ich leicht unbeholfen. „Sag nichts Lea...“ Ich schlucke den Kloß in meinem Hals hinunter, der sich dort gerade gebildet hat. Und dann macht er weiter. „Es war schön. Sehr sogar. Schöner als der erste Kuss.“ Mein Herz macht einen kleinen Satz nach vorne und hüpft dann wie verrückt durch meinen Körper. Hat er das gerade wirklich gesagt? „D...Das kann ich nur zurückgeben“, sag ich ehrlich und merke, wie mich Dylan mich erneut küssen möchte. Doch ich wende mein Gesicht nur grinsend ab. „Na na na. Da kann wohl wer nicht genug bekommen“, und schüttel spielerisch den Kopf. „Eventuell.“ „Dann musst du wohl noch ein bisschen warten“, zwinker ich ihm zu und stehe auf. Ich tapse zu meinem großen Kleiderschrank und ziehe mir ein frisches T-Shirt raus. „Aber...“ „Nein. Kein aber. Ich würde auch gerne mehr von dir bekommen, aber ich muss mich jetzt um Gracie kümmern. Das ist wichtig“, mache ich Dylan klar und schaue ihn mit verschränkten Armen und ernsten Blick an. „Soll ich dir helfen?“, möchte er wissen. Ich schüttel den Kopf. „Es ist denke ich besser, wenn ich mich erst mal alleine um Gracie kümmer. Sie kennt mich von uns beiden am meisten. Nicht das sie dann irgendwie eine Panikattacke oder so bekommt. Nicht böse gemeint.“ Nickend stimmt er mir zu. „Aber wenn ich irgendwas tun kann, sag mir bitte Bescheid .“ Ich nicke. „Danke für dein Verständnis.“
„Guuuten Morgaaaaan“, rufe ich, verdächtig gut gelaunt über den Flur. Als ich ins Wohnzimmer gelange, erblicke ich Gracie, die mit angezogenen Beinen auf der Couch sitzt und etwas trinkt. Der Geruch verrät mir, dass es Kaffee ist. Hat sie sich den selber gemacht? „Morgen“, antwortet sie und schaut mich an. Dabei bildet sich auf ihrem Gesicht ein kleines Lächeln. Und auch ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen und setze mich zu ihr. „Wie geht es dir?“, ist das erste, was ich frage. Sie dreht sich leicht zu mir und schaut mich mit Tränen in den Augen an. Oh nein. „Lea wie soll es mir gehen? Ich wurde gestern Abend von meinem Chef vergewaltigt...“ Meine Augen weiten sich und ich spüre, wie mein Mund immer weiter auf geht und ich sauer werde. „D...Dein Chef...?“ Gracie nickt nur. Ich bin fassungslos. Wie kann ein Mensch nur so was grauenvolles tun? Ohne ein weiteres Wort zu sagen, ziehe ich sie vorsichtig, bedacht auf die Verletzungen, in eine Umarmung. Ich drücke sie an mich und streiche ihr beschützend über den Rücken.
„E...Es war so schrecklich...“, kommt es nach ein paar Minuten schluchzend aus ihr heraus. Ich möchte gar nicht in ihre Haut stecken. „Gracie ganz ruhig. Du musst nicht darüber reden, wenn es zu sehr weh tut.“ Doch sie hört nicht auf mich. „Ich dachte ich sei alleine. I...Ich wollte mich doch einfach nur umziehen“, erklärt sie schluchzend und schmiegt sich noch mehr an mich, wenn das überhaupt noch möglich ist. „Alles wird gut. Hier bist du in Sicherheit.“ Aber irgendwie reagiert sie nicht darauf, sondern erzählt einfach weiter. „Beim umziehen hab ihn dann hinter mir entdeckt. Dieses widerliche Grinsen das er auf seinem Gesicht hätte, werde ich niemals wieder vergessen. Er hat mich angemacht, mich angefasst und geschlagen. I...Ich wollte mich wehren, nach Hilfe schreien, doch mein Chef war zu stark. Ich hab alles ganz genau mitbekommen, aber ich konnte einfach nichts machen. Und als er dann... in mir eindrang, wurde mir schwarz. Ich bin anschließend bewusstlos geworden.“ Mit jeden Wort, was sie mir über den gestrigen Abend erzählt, wächst mein Hass auf ihren Chef. Ich bin Stock sauer und muss mich krampfhaft zusammenreißen, es nicht zu zeigen.
„Gracie es tut mir unfassbar leid, was passiert ist. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Das hast du nicht verdient...“, kann ich nur hervorbringen. Sie schluchzt immer wieder auf und schaut mich jetzt an. Ihre Augen sind rot und angeschwollen. „Das du hier bist, ist schon Hilfe genug Lea. Danke.“ Gracie löst sich aus meiner Umarmung und trinkt ein Schluck ihres Kaffees. „D...Darf ich fragen, was dann passiert ist?“ Sie nickt und lehnt sich nach hinten. „Ich wachte am Boden auf. Mit schrecklichen Schmerzen. Alles tat weh und ich konnte mich kaum bewegen. Dann bewarf mir mein Chef mit 200 Euro Schein und sagte: Für mehr hast du es leider nicht gebracht.“ Sie hält kurz inne, bis sie weiter macht. „Als er dann endlich weg war, konnte ich gerade so diese eine Audio aufnehmen. Danach wurde ich wieder bewusstlos.“ Ich lege meine Hand vorsichtig auf ihr Bein. Sie zuckt nicht zusammen oder so, sondern entspannt sich viel mehr.
„Und dann hab ich dich gefunden“, sag ich und lehne mich ebenfalls ein wenig nach hinten. Gracie nickt. „Danke das du mich gefunden hast“, wiederholt sie sich. Ich merke sofort, wie sie versucht stark zu sein. Sie ist eine Kämpferin. Das macht sie ganz toll. Ich bewundere sie jetzt schon dafür. „Hey du musst dich für nichts bedanken. Hast du gehört? Ich werde dir helfen wo ich kann“, versichere ich ihr. „Ich weiß das sehr zu schätzen Lea.“ „D...Darf ich sie mir vielleicht anschauen?“, frag ich leise nach. „Meine Verletzungen?“ Ich nicke. „Wenn du mir sagst, wie schlimm sie sind, dann ja“, bittet sie mich. „Natürlich. Ich bin ganz vorsichtig.“
Ich richte mich auf und streife ihre Decke langsam runter. Es wird eine Weile dauern, bis ihre Verletzungen verheilt sind. „U...Und? Wie sieht es aus?“ Ich berühre ihre Haut und fahre dabei ganz sanft über einige der Stellen. „Es geht“, versuche ich glaubhaft rüber zu bringen. „K...Kannst du mir vielleicht helfen?“, fragt sie mich und dreht sich ein Stück zu mir. Jetzt sehe ich auch ihre Brust und ihren Bauch. Überall sind blaue Flecke und vereinzelte Kratzer. Ihr Körper ist leicht gebräunt und irgendwie finde ich Gracie gerade echt schön. „Du hast einen tollen Körper, wenn ich das mal so sagen darf“, und hoffe, dass das jetzt nicht falsch rüber kommt. „Danke“, antwortet sie und wird rot. „Ach so. Tut mir leid. Du wolltest was fragen“, fällt mir wieder ein und wir beide müssen lachen. „I..Ich würde gerne duschen gehen, aber ich glaube, dass ich das noch nicht alleine schaffe.“ Ein kleines Schmunzeln bildet sich auf meinem Gesicht. „Du musst nichts sagen. Ich helfe dir“, antworte ich und stehe auf.
Als wir beide im Bad angekommen sind, drehe ich sofort die Dusche auf, damit das Wasser schon mal warm wird. Mit der Fußbodenheizung, die ich hier eingebaut haben lasse, ist es im Bad echt schön angenehm. Gracie lässt ihre Decke fallen und sehe sie das erste Mal komplett nackt. Ich werde ein wenig rot und warum auch immer, muss ich mir verlegen auf die Unterlippe beißen. Erst dachte ich, sie würde sich sofort wieder bedecken oder sich für ihre Verletzungen schämen, doch das tut sie nicht. Ganz im Gegenteil. Sie kommt zu mir hinüber gelaufen und lächelt mich dabei an, als wäre nichts gewesen. „Du musst nicht verbergen wie scheiße es dir geht. Das ist in Ordnung“, sag ich und umarme sie, wobei ich aus versehen ihre Brüste berühre. Warum fühle ich mich plötzlich so zu ihr hingezogen? Was ist nur los mit mir?
„Aber ich möchte nicht, dass du dir noch mehr Sorgen um mich machst Lea.“ „Och Gracie. Du bist mir wichtig. Da macht man sich nun mal Sorgen.“ „E...Echt? I...Ich bin dir wichtig?“, fragt sie verunsichert nach und kann es gar nicht glauben. Nickend unterstreiche ich meine Aussage. „Und jetzt komm. Ab unter die Dusche.“ Vorsichtig nehme ich ihre Hand und schiebe sie mehr oder weniger in die offene Dusche. Ich entscheide mich ebenfalls mit zu duschen und ziehe mich schnell aus. Dabei ertappe ich Gracie, wie sie meinen Körper fixiert. Verlegen stelle mich zu ihr und seife ihr den Rücken ein.
„Du bist mir schon ans Herz gewachsen Gracie“, sag ich, während ich mit einen Lappen das Blut ihrer Verletzungen abwische. Jetzt gerade Frag ich mich, was wohl wäre, wenn es mich statt sie erwischt hätte? Wie würde ich mich fühlen? Würde es mir schlechter gehen, als ihr gerade? So viele Fragen. Aber ich glaube, ich sollte froh sein, dass es mich nicht erwischt hat. „Das kann ich nur zurück geben Lea. Ich hatte es in meiner Vergangenheit nicht immer so einfach. Es ist schön wieder eine gute Freundin zu haben, die für einen da ist und der man vertrauen kann. Danke für alles, womit du mir schon geholfen hast und danke, für das was du noch machen wirst.“ Sie dreht sich um, damit ich vorne weiter machen kann. Wir stehen so unter der Dusche, dass das Wasser über uns beide rieselt. Ich blicke in ihre Augen und erkenne mich dort ein wenig wieder. So etwas schönes und ehrliches habe ich neben Elijah lange nicht mehr gehört. Sie erwärmt mein Herz und meine Finger wandern leicht über ihren Bauch. Gracie zuckt nicht, sondern kommt ein Stück nach vorne. Uns trennen vielleicht keine fünf Zentimeter mehr und ich spüre, wie mein Brustkorb sich unregelmäßig hebt und senkt.
„D...Das bedeutet mir sehr viel“, kann ich gerade so über meine Lippen bringen. „Mir geht es da genauso. Meine Vergangenheit war auch nicht so toll und hier in London bist du ehrlich gesagt das erste Mädchen, was ich mag und der ich vertraue“, antworte ich, dabei muss ich echt aufpassen, dass ich noch nicht zu viel von mir preisgebe. Ja ich vertraue Gracie, aber ich weiß nicht, ob ich schon bereit dazu bin, sie in meine Vergangenheit zu lassen. „Lea, wenn du darüber reden möchtest, dann bin ich gerne für dich da“, versichert sie mir und berührt meine Hand. Ein Kribbeln zieht sich sofort durch meinen Körper. Es ist unbeschreiblich. Unbeschreiblich schön. Doch dieses schöne Gefühlt macht mir ein bisschen Angst. Angst vor dem, was als nächstes kommt.
Auch meine Finger finden auf einmal ihren Weg zu Gracies Hand. Ob sie genau das gleiche Kribbeln spürt? „Danke. Das gleiche kann ich nur zurück geben. Wenn du mal über irgendwas reden möchtest, ich höre dir immer zu“, erwidere ich. Ich mache etwas Shampoo auf meinen Lappen und Seife sie vorne erneut ein. „D...Du machst das toll“, höre ich sie leise sagen. Es fühlt sich so an, als wäre ich eine Marionette, denn wie durch Zauberhand lege ich meine Hände an ihre Taille und gehe mit ihr ein paar Schritte zurück. „G...Gracie...“, flüster ich und schaue in ihre Augen. Aber ich mag doch Dylan. Warum passiert das hier gerade? Mag ich sie etwas auch so sehr wie ihn? Das kann doch nicht sein. Nein. Das darf nicht wahr sein. Das würde nicht gut gehen. Doch das hier ist gerade so schön. Ich kann einfach nicht aufhören. Ihre Augen... Sie ziehen mich magisch an. Dieses Mädchen... Es macht mich verrückt. Und ich habe ein Verlangen...
„L...Lea“, ist das letzte was ich höre. Sie lässt mich nicht antworten, sondern legt ihre Hände an meine Wange. Gracie zieht mich ganz nah und dann passiert es. Unsere Lippen berühren sich und es entsteht ein Kuss. Ein wunderschöner Kuss. Mein erster mit einem Mädchen. Doch so schnell wie es passiert ist, so schnell endet er auch wieder. Hab ich etwa was falsch gemacht? Bin ich ihr zu nahe getreten? Verdammt. Sie wurde gestern Abend vergewaltigt und was mach ich? Ich küsse sie. „Es war... schön. Aber wir sollten fertig werden.“ Ich nicke nur und stelle das Wasser ab.
Nach ein paar Minuten verlassen wir beide angezogen das Bad und gehen wieder ins Wohnzimmer. „Was hast du jetzt vor Lea?“, fragt mich das Mädchen, welches ich vor ein paar Minuten in der Dusche geküsst habe. „Es ist besser, wenn ich es dir nicht sage Gracie“, antworte ich und ziehe mir meine dunkelblauen Chucks an. „Bitte sag mir, was du vor hast. Ich merke doch, dass dich etwas bedrückt.“ Ich atme tief durch, bevor ich es ihr sage. „Dein Chef hat dich gestern Abend vergewaltigt. Er hat dir weh getan. Ich kann das nicht einfach so verdrängen. Dieses Schwein muss dafür bezahlen! Und dafür werde ich Sorgen“, sag ich etwas lauter. „Nein! Bitte nicht. Das kannst du nicht machen“, reagiert sie sofort panisch und springt auf. Sie kommt zu mir rüber gelaufen und hält mich am Arm fest. In ihren Blick kann ich zu 100 Prozent Angst erkennen. „Aber...“, versuche ich was zu sagen, aber irgendwie gewinnt Gracie die Überhand. „Kein aber Lea! Ich will das nicht!“, wehrt sie sich und in ihren Augen bilden sich Tränen, die auch nur wenige Augenblicke später über ihre Wange kullern. „Heyy ganz ruhig“, und zieh sie in eine Umarmung. „Wovor hast du Angst?“ Sie schlingt ihre Arme um mich und krallt sich dabei an meinem schwarzen T-Shirt fest.
„I...Ich hab so Angst“, sagt sie nur und schluchzt. Ich drücke sie und streiche ihr über ihren Rücken, in der Hoffnung, dass sie sich ein wenig beruhigt. Ich hab das Gefühl, dass ich es nur noch schlimmer mache. „Wovor hast du Angst?“, frag ich mit ruhiger Stimme. „Vor ihm...“, antwortet sie und ihre Umarmung wird stärker. „Ganz ruhig Gracie. Du bist hier in Sicherheit. Er kann dir nichts mehr tun“, wiederhole ich immer und immer wieder und wünsche mir, dass sie mir genug vertraut, um mir zu glauben. „Aber was ist mit Kate? Oder wenn du da jetzt hingehst. Was ist, wenn du die nächste bist? Das könnte ich mir niemals verzeihen.“ Ihre Atmung, sowie ihr Herzschlag werden wieder schneller. Scheiße. Sie hat erneut eine Panikattacke. Was soll ich denn nur machen? Ich kenne mich mit so etwas doch gar nicht aus.
„Gracie bitte. Ganz ruhig ja? Alles wird gut. Ich pass auf dich auf.“ „Wirklich? Versprochen?“, will sie wissen und schaut mich an. Ich nicke mehrmals. Ich blicke wieder in ihre Augen und dann ändert sich plötzlich ihre Miene. Eben war sie noch voller Angst und Panik. Jetzt sehe ich Hass und Wut. „Ich hab meine Meinung geändert Lea“, sagt sie und löst sich von mir. „W...Wie meinst du das?“, frag ich etwas besorgt nach. „Du hast recht, mit dem was du gesagt hast. Er ist ein widerlicher Mistkerl und muss für das was er getan hat, betraft werden. Ich will ihn leiden sehen. Damit er sieht, was er mir angetan hat. Ich will das er stirbt. Und ich werde es selbst tun.“ Die Worte kommen wie eine Kanone aus ihrem Mund. Wenn ich es nicht besser wissen würde, könnte man behauptet, vor mir stehe ein ganz anderes Mädchen.
„Gracie nein! Das tust du nicht. Er ist es nicht wert.“ „Lass mich los Lea!, und entreißt sich meinem Griff. Sie will zur Tür laufen, doch daraus wird nichts. „Ahhhhh“, schreit sie auf, knickt ein und hält sich an den Bauch. „Was ist los?!“, frag ich sofort und lasse mich neben sie nieder, um sie zu stützen. „Ach nichts“, antwortet sie und versucht wieder aufzustehen. „Gracie was ist los?“, will ich jetzt mit ernstem Ton wissen. „Man verdammt mir tut alles weh. Mein Schädel brummt. Einfach alles schmerzt. Ich will, dass es aufhört“, bittet sie und fängt erneut an zu weinen. Ich fasse vorsichtig unter ihrem Po, unter ihre Arme und trage sie zurück auf die Couch. „Bleib bitte liegen. Ich komme gleich wieder“, sag ich zu ihr und tapse zurück in mein Zimmer.
Das kann doch wohl jetzt nicht wahr sein oder?, fluche ich in Gedanken, als ich mein Zimmer betrete und sehe, wie Dylan nur in Boxershorts vor mir steht. Ich werde sofort rot und als er mich sieht, ebenfalls. „Da bist du ja wieder“, sagt er und zieht sich seelenruhig weiter an. „Ja, aber gleich wieder weg. Ich muss kurz Elijah anrufen“, erkläre ich und wähle seine Nummer. Bitte lass ihn wach sein.
DU LIEST GERADE
Nur die Vergangenheit kennt die Wahrheit 4
Genç KurguElijah ist erschüttert. Noch vor wenigen Stunden hat er erfahren, dass sein Schulfreund Joshua kaltblütig ermordet wurde. Doch wer war es? Zusammen mit seinen Freunden reißt er zurück nach Deutschland, wo ihm der Abschlussball bevor steht. Nur was m...