Kapitel 25:
Elijah
Grausam. Grausam und noch mal Grausam. Das ist das einzige Wort, welches dieser Abend am besten beschreibt. Mittlerweile sind auch Sarah und Lucy von uns gegangen. Es mit anzusehen, wie dieses Gift die beiden regungslos macht und dann umbringt... Unbeschreiblich. Unbeschreiblich schrecklich. Es sind schon fünf meiner Freunde gestorben. Erst hat Mr no Name Joshua kaltblütig ermordet, dann wurde Eric nach unserem Werwolfspiel zerstückelt, als nächstes folgte ihm seine Freundin Fiona, ungefähr zu beginn des Banketts und jetzt sind ihnen auch noch Sarah und Lucy in den Himmel gefolgt. Jetzt muss nur noch Jace sterben, damit das Gegenmittel für alle reicht. Aber auch er soll eigentlich nicht sterben. Das sollte keiner. Doch es ist passiert. Man kann es nicht mehr rückgängig machen. Leider.
Ich nehme einen großzügigen Schluck seines Bourbon und esse meinen vierten Burger weiter. Wir haben es schon nach 23 Uhr. Nicht einmal mehr eine Stunde bis Mitternacht. Um genau zu sein noch 55 Minuten und 50, 49, 48, 47 Sekunden. Also nicht mehr lange um die anderen zu retten und immer noch habe ich keinen blassen Schimmer, wie ich hier aus diesem Raum entkommen soll. Und langsam macht sich wieder die Panik in mir breit. Wenn ich es nicht schaffe... Ich schüttel gleich darauf den Kopf. Nein. Das ist die falsche Einstellung. Ich werde es schaffen. Nur wie ist die Frage.
Mr no Name und meine Freunde sitzen immer noch am Bankett Tisch. Wie kann man nur so lange Essen und herum sitzen? Ich könnte das nicht. Zumindest nicht um mir mittendrin mindestens einmal die Beine zu vertreiben. Aber das ist ja in dem Fall nicht möglich. Er würde niemals das Risiko eingehen, dass jemand abhauen könnte. Klar sind wir glaube ich immer noch mitten auf dem Wasser, aber meine Freunde sind nicht dumm. Sie würden einen Weg finden. Doch sie würden niemals das Leben der anderen Riskieren.
„Nur noch 45 Minuten bis Mitternacht meine lieben Freunde. Die Zeit tickt. Tick Tack“, sagt er und trinkt sein Glas Bourbon aus. „Wollen wir jetzt die ganze Zeit über nur hier doof herumsitzen? Langsam wird es echt langweilig“, kommt es aus Olivia raus, welche wieder die Augen verdreht. „Du hast recht. Was bin ich nur für ein miserabler Gastgeber. Was wäre denn eine Abschlussfahrt ohne einen angemessenen Abschlusstanz.“ Wie aufs Wort abgestimmt, ertönt plötzlich leise Musik aus den Lautsprechern im Essenssaal. „Na los Leute. Erhebt euch und sucht euch alle einen Tanzpartner aus“, bitter er sie. Anfangs sind alle etwas angespannt und nervös, doch als sich Olivia als erste erhebt, folgen ihr auch die anderen. Sie ist unglaublich stark, aber manchmal, zum Beispiel jetzt, frag ich mich, wo sie ihr ganzes Selbstbewusstsein her nimmt. Dafür bewundere ich sie sehr.
„Olivia? Wirst du für heute Abend meine Tanzpartnerin?“, fragt er sie und mir fallen fast die Augen vor Wut raus. Wenn er ihr auch nur ein Haar krümmt, dann reiße ich ihm sein Herz aus der Brust. Olivia zögert ein wenig. Sie schaut sich um, als wäre sie auf der Suche nach mir, um sich zu vergewissern, ob das für mich in Ordnung ist. Auch wenn sie es nicht sehen kann, nicke ich dennoch, auch wenn es mir sehr schwer fällt. „Natürlich. Gerne“, sagt sie, ohne mit der Wimper zu zucken, als hätte sie mein Nicken gesehen. Wie sehr ich jetzt gerne mit ihr an seiner Stelle tanzen würde. „Du wirst es nicht bereuen“, antwortet er, küsst sie auf die Handfläche und zieht sie auf die Tanzfläche. Oh Gott. Ich kotze gleich. Aber was soll ich machen? Was anderes, als es anzuschauen, bleibt mir ja nicht übrig.
„Wenn ihr euch alle ein Tanzpartner ausgesucht habt, dann stellt euch bitte gegenüber hin, so wie Olivia und ich“, erklärt er und schaut zu den anderen. Irgendwie sind die Tanzpaare schon echt süß. Mia stellt sich gegenüber von Leon hin und Jace hat sich Stella ausgesucht. Da hat er sich aber die richtige ausgesucht, denn so weit ich weiß, kann Stella echt gut tanzen. Nur Feli bleibt ohne Partner. Die Arme. „U...Und was ist mit mir? Mit wem soll ich tanzen?“. Fragt sie nervös nach und spielt mit ihren Fingern. „Nicht abhauen“, flüstert Mr no Name an Olivias Ohr und geht zu Feli. „Als hätte ich eine Wahl“, ruft sie ihm hinterher und kann sich ein Lachen nicht verkneifen. Auch ich muss ein wenig schmunzeln.
„Was machen wir denn jetzt mit dir?“, möchte er wissen und geht um sie herum. „I...Ich weiß nicht“, sagt sie stotternd und fängt an zu zittern. Ihr Brustkorb hebt und senkt sich immer schneller. „Alles außer umbringen bitte“, hängt sie noch schnell hinten dran und versucht ihm in die Augen zu schauen. „Nicht umbringen also?“, wiederholt er ihre bitte und legt seine Hände auf ihren Schultern. Langsam bringt sie ein nicken hervor. „Feli liebes, wärst du bitte so freundlich und holst für dich und deine Freunde etwas neues zu trinken? Das wäre super.“ „M...Mach ich“, antwortet sie und geht los. Ich hab ein ungutes Gefühl bei der Sache. Was ist, wenn das eine Falle von ihm ist? Oh nein.
Mr no Name geht zurück in die Reihe und stellt sich wieder zu seiner Tanzpartnerin Olivia. Währenddessen nehme ich mir eine der Wasserflaschen und setze mich auf die Couch, weiterhin mit dem Blick auf die Bildschirme gerichtet. „So, da wir jetzt alle zusammen sind, können wir jetzt mit dem Tanz beginnen“, verkündet er. Ich kenne ihn und weiß, was jetzt kommt. „Die rechte Hand geht nach oben, aber berührt die eures Partners nicht. Jetzt geht ihr im Uhrzeigersinn, hält eure Hände so und schüchtert den Partner mit euren Blicken ein wenig ein. Dann wechselt ihr die Hände, sowie die Richtung. So wie Olivia und ich“, erklärt er. Ich wusste es. „Ich mag diesen Tanz jetzt schon“, gibt sie zu und lächelt ein wenig. „Weißt du denn auch woher?“, fragt er und ein wenig erkenne ich, wie auch er unter seiner weißen Maske lächelt. Sie nickt. „Aus The Vampire Diaries. Um ganz genau zu sein der Miss Mystic Falls Tanz.“ Ich erinnere mich, wie Olivia und ich damals in Lakeshore immer TVD auf Netflix zusammen geschaut haben. Anfangs mochte ich die Serie ehrlich gesagt nicht sonderlich, aber nach der dritten oder vierten Folge wurde ich süchtig danach, was ihr natürlich gefallen hat. Manchmal haben wir uns vorgestellt, wie es wäre, wenn wir Vampire wären. Wäre schon cool.
„Du tanzt ganz gut, wenn ich das mal so sagen darf“, sagt er zu ihr. Ich muss mich zusammenreißen, nicht auf den Boden zu kotzen. „Versuchst du gerade mit mir zu flirten?“, will sie wissen und versucht in seine Augen zu schauen. Ob sie vielleicht jetzt merkt, wer in Wirklichkeit hinter der Maske steckt? Ich weiß nicht so recht. „Vielleicht“, antwortet er und die beiden wechseln die Richtung. Mit jeder weiteren Sekunde in den die beiden miteinander Tanzen, steigert sich die Wut in meinem Körper. Ganz ruhig bleiben. „Da muss ich sie leider enttäuschen. Ich bin bereits vergeben.“ Mein Herz fängt wieder an ein wenig schneller zu schlagen. Wieso ist sie auf einmal wieder so süß? „Du meinst doch nicht etwa Elijah oder etwa doch?“, hakt er nach und tanzt weiter. Auch die anderen machen weiter. Jetzt sind es mittlerweile nur noch eine halbe Stunde, bis Mitternacht. Wie schnell die Zeit vergeht. Beängstigend.
Olivia nickt. „Doch. Den mein ich. Elijah ist mein Freund und wenn er, wo auch immer er sich gerade auch befindet ausbricht, wird er ihr Herz aus der Brust reißen und sie elendig sterben lassen. Darauf können sie Gift nehmen“, versichert sie ihm siegessicher. Meine Augen weiten sich. Was sie gerade gesagt hat, ist voll süß. Aber sie hat recht, dass werde ich tun. Mit Sicherheit. Und wenn es das Letzte ist, was ich tue. „Soll das etwa eine Drohung sein Oliva?“, will er wissen. Sie nickt. „Vielleicht.“ Mach jetzt ja keine Dummheiten. „Weißt du was?“ „Nein“, antwortet sie und wird ein bisschen nervös. Er legt seine Hände nun an ihre Taille und zieht sie so näher. „Huch“, kommt dabei entlockend über ihre Lippen und schlingt ihre Arme um sein Nacken. Diese Nähe gefällt mir gerade so ganz und gar nicht.
„Du bist die einzige Person meiner Gäste hier, die kein Gift im Bourbon hatte“, flüstert er Olivia ins Ohr. Ich lasse meine geschlossene Wasserflasche fallen und kann meinen Ohren nicht trauen. Sofort breitet sich Erleichterung in meinem gesamten Körper aus, doch auch Angst, dass er lügt ist da. „Und was versichert mir, dass sie mich nicht anlügen?“, fragt sie und grinst. Kein anderes Mädchen könnte in der Situation so ruhig bleiben, wie sie. Nicht einmal Kira würde das schaffen. „Wird das als Antwort reichen?“ Er legt seine Hand an ihre Wange und küsst sie. Das hat er nicht gerade getan? Oki. Er ist sowas von tot! Voller Wut schmeiße ich die Wasserflasche gegen die Wand.
„Haben sie eigentlich komplett den Verstand verloren?! Was fällt ihnen eigentlich ein, mich einfach so zu küssen?! Was an 'Ich habe einen Freund' haben sie nicht verstanden, verdammt noch mal?“, kommt es lautstark aus ihr heraus und verpasst Mr no Name eine wohl verdiente Backpfeife, welche man ganz genau hört. Wie ich dieses Mädchen liebe. Er lacht nur, berührt kurz seine Wange und legt dann seine Hände wieder auf Olivias Taille, als wäre nichts gewesen. Auch sie spielt ihre Rolle perfekt und tanzt einfach weiter. Faszinierend. „Du hast ja ganz schön was drauf“, sagt er, wofür sie ihm am liebsten gleich noch eine verpassen würde, so wie ich sie kenne. Doch darauf antwortet sie nicht. „Und jetzt zurück zu dir und Elijah.“ Sie wird ein bisschen nervös und schaut verlegen weg.
„Lüge mich bitte nicht an Olivia. Beantworte mir eine Frage.“ „Und die wäre?“, will sie wissen. Ich merke, dass sie echt keinen Bock mehr auf diesen Abend hat, was ich voll und ganz verstehen kann. Hätte ich an ihrer Stelle auch nicht. „Bist du mit Elijah wirklich zusammen?“ Oh nein. Er hat sie genau getroffen. Mitten in ihr Herz. Wenn es um mich geht, kann sie meistens nicht lügen. Und wenn, dann nur ganz schlecht. Egal bei welcher Person. Sie antwortet nicht, sondern senkt ihre Blick ganz langsam. „Wusste ich es doch“, flüstert er in ihr Ohr. Ich erkenne, wie ihr eine Träne die Wange hinunter läuft. Wie gern ich diese für Olivia jetzt wegwischen würde. „S...Sind sie jetzt zufrieden?“, stottert sie schluchzend. „Noch nicht ganz. Du weißt doch ganz genau, dass Elijah mit Kira zusammen ist. Was hast du dir dann erhofft?“ „Ich liebe ihn, mehr als alles andere auf dieser Welt. Das hab ich schon immer getan und werde es auch in Zukunft“, gibt sie zu. Mein Herz macht einen Satz nach Vorne. Das bedeutet mir gerade echt viel. Meine Wangen laufen rot an.
„Wie rührend. Was Claire wohl dazu sagt?“ In Sekunden schnelle verändert sich ihr Gesichtsausdruck von Freundlich, zu Wutendbrand. „Lassen sie Claire daraus!“ „Du machst mir keine Angst Olivia.“ Sie kichert. „Es war ein großer Fehler sich mit Elijah und mir anzulegen. Und jetzt verraten sie mir endlich, warum ich kein Gift im Bourbon habe.“ „Ansprüche stellen wir nun also auch schon. Wie reizend.“ „Ich höre?!“ „Weil ich mir dich bis zum Schluss aufhebe. Ganz einfach. Elijah soll leiden und wenn alle anderen Tod sind, werde ICH dir voller Schmerz, ganz langsam das Herz aus der Brust reißen und ihm vor die Füße werfen. Und jetzt tu mir ein gefallen. Lass uns einfach weiter tanzen.“ Das muss ich verhindern.
Und dann öffnet sich plötzlich, komplett unerwartet die Tür und ich hätte niemals damit gerechnet, wer es ist. Ruckartig stehe ich auf und meine Augen weiten sich. Unmöglich.
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Nur die Vergangenheit kennt die Wahrheit 4
Teen FictionElijah ist erschüttert. Noch vor wenigen Stunden hat er erfahren, dass sein Schulfreund Joshua kaltblütig ermordet wurde. Doch wer war es? Zusammen mit seinen Freunden reißt er zurück nach Deutschland, wo ihm der Abschlussball bevor steht. Nur was m...