Kapitel 15: Stefan

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Während ich mir noch immer, beziehungsweise schon wieder, Gedanken machte was ich gerade getan hatte, für was ich verantwortlich war, kam Anne langsam auf mich zu. Ich konnte mich nicht bewegen. Wie festgefroren saß ich auf der Couch. Ihre Augen waren noch immer gerötet, die Tränen aber inmittels getrocknet. Das Taschentuch, welches sie in ihrer rechten Hand hielt, war durchnässt. 

"Sch..scheiße. Anne? Es tut mir so leid. Ich weiß nicht was gerade passiert ist", murmelte ich als mich die Schockstarre wieder verließ. Ich sprang auf und die Decke über meinen Beinen riss die Teetasse auf dem Couchtisch mit sich. 

"Fuck!", brüllte ich etwas zu laut und erschrak vor der Kraft meiner eigenen Stimme. 

"Ist nicht schlimm", piepte Anne mit gebrochener Stimme.

"Doch ist es! Ich mache alles kaput, keine Ahnung was mit mir falsch ist. Das gerade war unsinnig und dumm von mir. Ich hätte nicht so neugierig sein sollen und dir einfach mal vertrauen sollen. Warum sollte ich das auch nicht tun? Es gibt keinen Grund dafür."

Wütend auf mich selbst rannte ich aus dem Wohnzimmer, hatte aber keine Ahnung wohin ich eigentlich wollte. Am liebsten hätte ich mir selbst irgendetwas gegen den Kopf geschlagen, einfach weil ich mich so unmöglich verhalten hatte, ließ mich aber dann kraftlos in der Küche nieder. Also saß ich auf dem Fußboden und tat was? Bemitleidete mich? Wer hatte denn gerade wen zum weinen gebracht. Wütend stand ich wieder auf und stapfte auf Anne zu. 

Ich begann zu weinen. Das tat ich immer wenn ich wütend war und mich mit jemandem stritt. Ein Überfluss aus Emotionen kam dann in mir auf. Schniefend fiel ich in Annes Arme, die sich nicht zu wundern schien, dass ich das gerade tat und umschloss mich mit ihren Armen, während sie mir mit zarter Stimme Ich liebe nur dich ins Ohr hauchte. Ich begann immer mehr zu weinen. Anne führte ihre Hand zu meinem Kinn und hob meinen Kopf vorsichtig, während sie ihre salzigen Lippen auf meine drückte. Einen Moment lang schien wieder alles vergessen und ich konnte an nichts anderes denken, als die Wärme, welche Anne in mir auslöste, jedes Mal wenn sie mich anfasste. Doch dann lies Anne wieder von mir ab, griff nach meiner Hand und zog mich in Richtung Schlafzimmer. Hatte sie die ganze Konversation gerade vergessen? Dass ich irgendwie bereit war und irgendwie auch nicht? Draußen begann es zu dämmern und ein paar Sonnenstrahlen fielen auf Annes Gesicht, während sie sich langsam neben mich aufs Bett setzte. 

"A..anne ich..mir..."

"Ich weiß dass es dir leid tut. Ich habe überreagiert, aber dieses Thema lässt mich nicht so kalt, wie du es dir wahrscheinlich gedacht oder erhofft hättest und das tut mir leid Claire..." Ihre Stimme klang ruhig und emotionslos, als würde sie gerade gegen eine Betonwand sprechen.

"Liebst du ihn noch?", erkundigte ich mich mit einem Zweifeln in meiner Stimme, wie ich ihn nie zuvor gespürt hatte.

"Ja...aber da ist noch etwas..." 

Nach ihrem Ja hakte ich ab. Meine Augen füllten sich zum wiederholten Male an diesem Tag  mit Tränen und ich konnte nicht erkennen wie Anne mich anblickte, weil ich alles nur noch verschwommen sah. Eine Mischung aus Enttäuschung und Wut stieg in mir auf. Warum hatte sie etwas mit mir angefangen, wenn sie verheiratet war und diesen Stefan auch noch liebte?

Das Radio in der Küche stand noch immer an. Florence & the Machine's You've got the love lief im Hintergrund. 

"Sometimes I feel like throwing my hands up in the air
I know I can count on you
Sometimes I feel like saying "Lord I just don't care"
But you've got the love I need to see me through
Sometimes it seems that the going is just too rough
And things go wrong no matter what I do
Now and then it seems that life is just too much
But you've got the love I need to see me through"


Ich mochte diesen Song, hatte aber keine Zeit darüber nachzudenken. In meinem Kopf herrschte ein einziges Chaos. Ich wollte einfach nur weg hier, alleine sein. Aus Annes Nähe verschwinden, damit sie mir nicht noch mehr weh tun konnte. Entschlossen sprang ich vom Bett auf und zog mir meinen Pulli über. Annes Jogginghose lies ich einfach an, es war mir egal. Ich würde sie ihr irgendwann wieder zurück geben, wenn ich mich beruhigt hatte und sie Geschichte war. Geschichte wiederholte ich in meinem Kopf. Es klang absurd und ich konnte in diesem Moment auch keinen klaren Gedanken fassen, also packte ich nur meine Tasche und öffnete die Tür zum Flur. Im Hintergrund hörte ich Anne irgendetwas sagen, aber ich war wieder so in Gedanken dass ich sie nicht wirklich hören konnte. Eigentlich wollte ich sie auch gar nicht hören. Ich wollte weg von hier. Mir war es egal, was die Nachbarn denken könnten, wenn sie mich aus dem Haus rennen sehen würden. Verheult und mit roten Augen.

Schon wieder hörte ich Annes Stimme dumpf in meinem Kopf erklingen. Ignorier sie Claire, sie hat nur mit dir gespielt. Sie hat dir weh getan!  Als ich gerade die Treppen zur Haustür erreicht hatte, drang ihre Stimme weiter  zu mir durch und ich hörte nur, wie Anne irgendetwas sagte und den Namen Stefan in den Mund nahm. 

"Du musst mir gar nichts erklären! Du liebst ihn noch und ich war nur eine dumme, kleine Studentin für dich mit der du Spaß haben konntest, die du in den Wahnsinn treiben konntest und ich bin darauf reingefallen!" Meine Stimme klang vorwurfsvoll und ich brüllte mit aller Kraft durch den Flur. Die Nachbarn hatten mich bestimmt ohnehin schon gehört.

"Claire verdammt, hör mir doch einfach mal..."

"Zu? Ich habe genug gehört!", entgegnete ich scharf und war bereits dabei die Haustür aufzuschließen. Das alles war zu schön gewesen um wahr zu sein.

"Claire er ist...", hörte ich Anne noch schreien, bevor ich einen Fuß aus der Tür setzte.

"Stefan ist tot!"


Heute  mal ein etwas kürzeres Kapitel. Hättet ihr mit dieser Entwicklung gerechnet? Wünsche und/oder Anregungen sind natürlich immer Willkommen.

Habt einen schönen Tag!

Aber ich liebe sie...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt