Prolog: Claire

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Es war Montag morgen, viel zu früh um eigentlich aufzustehen. Und es war der 1. Oktober. Das hieß genaugenommen, dass der Ernst des Lebens nun tatsächlich anfing. Ich begann zu studieren, endlich mal, wie mein Vater sagen würde oder leider, wie all die Studien boykottierenden Menschen aus meiner Jahrgangsstufe. Das Jahr der Freiheit war vorbei und ich hatte gemischte Gefühle und fragte mich ständig ob ich schnell Freunde finden würde. Germanistik war immer schon das gewesen, was ich machen wollte. Seit Jahr und Tag und in der Schule konnte ich nie genug vom Deutsch LK bekommen. Dies lag auf jeden Fall zu 90% am Fach, aber vielleicht auch ein ganz kleines bisschen an meiner damaligen Lehrerin. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass es an ihr lag.
Gedankenversunken stand ich aus meinem Bett auf, schlüpfte in meine Lieblingsjeans, einen Pullover (denn die liebte ich) und zog mir meine Sneaker an bevor ich im Bad verschwand. Ich hasste es abgrundtief mich zu schminken und klatschte mir deshalb nur ganz schnell etwas Mascara drauf und meine Augenringe mussten leider so bleiben wie sie waren.
Todmüde aber total motiviert ging ich zur Bahn und fuhr in die Innenstadt. Realisieren, das heute mein Studium anfing, konnte ich noch nicht so wirklich. Ich war aufgeregt, im positiven sowie im negativen Sinne. Manchmal dachte ich zu viel nach. Nein eigentlich immer und brachte mich damit meist selbst um den Verstand. Ich war gut darin meine geordneten Gedanken so sehr zu verwirren, dass ich nicht mehr wusste was real war und was nicht.

Mittlerweile war meine Bahn an der Uni angekommen und ich bahnte mir meinen Weg durch die Menschenmassen um zum Haupteingang zu kommen. Vorne angekommen schaute ich auf meinen digitalen Stundenplan und sah, dass ich als erstes Deutsche Geschichte hatte. Als ich den Raum betrat, starrten mich nur unbekannte Gesichter an. Ich kannte niemanden hier und ich hasste Aufmerksamkeit, weswegen ich auch umgehend einen Sitzplatz am Rand suchte und mich neben ein freundlich aussehendes Mädchen setzte. "Hi, ich bin Maria und werd bist du?", fragte sie mich und grinste mich an. "Vor Allem verwirrt und neu hier", entgegnete ich, bevor ich noch ein "oh äh sorry...Claire heiße ich", hervorbrachte. Maria lachte nur und war mir dabei sofort sympathisch. Freudig stellten sich die Mädchen neben uns vor:  Lucie, Emily und Sarah. Wir verstanden uns auf anhieb super gut, lachten über unseren Dozenten der erstmal eine Viertelstunde zu spät kam und so jung aussah, dass er locker einer unserer Kommilitonen hätte sein könnte. "Ein bisschen heiß ist er aber schon", sprudelte es etwas zu laut aus Emilys Mund und Herr Bach schaute nur entgeistert in die Runde. Scheinbar hatte er nicht gehört, von wem dieser Kommentar kam. Maria stieß ihr in die Seite und sah sie gespielt ernst an: "Das kannst du doch Nichtmitglieder ihm machen, der Arme" und wieder musste unsere Reihe lachen. On wir an unserem ersten Uni Tag überhaupt aufpassten? Wahrscheinlich nicht, aber das war ja auch nicht so tragisch, immerhin waren wir ja in der Uni. Normalzustand sozusagen. "Und dass Sie mir ja nicht die Projektarbeit vergessen", hörten wir Herrn Bach noch sagen, als wir schon halb aus dem Raum raus waren. "Was war das denn?", fragte Sarah in die Runde und Carla antwortete nur "Uni war das...ich glaube das wird lustig die nächsten Wochen mit dem, so motiviert wie er ist." Damit sollte sie gar nicht so Unrecht haben. 

Am Dienstag Abend hatten wir eine Universitäts interne Party zu der nicht nur alle Studenten, sondern auch unsere Dozenten eigeladen waren. Sarah und ich warteten vorm "Vinos", einem angesagten Club, auf den Rest der Mädels und auch Emily stieß kurze Zeit später zu uns. "Hoffentlich ist der Bach auch hier, ich würde ja zu gerne wissen ob er eine Freundin hat", lallte Emily uns zu. Sie hatte scheinbar schon das ein oder andere alkoholische Getränk intus. Als dann auch Lucie und Maria angekommen waren, schleppten wir Emily mit uns in den Club. Die Musik war dröhnend. Techno - so gar nicht meins, wenn ich ehrlich bin. Es war überall dieser weiße Kunstnebel um uns herum, so dick dass wir einander grade so sehen konnten und aufpassen mussten, dass Emily nicht plötzlich auf die dumme Idee kam unseren Dozenten suchen zu gehen. Maria holte uns einen Gin Tonic, den Anderen Bier und wir tasteten uns durch den Nebel zur Tanzfläche vor. Ein paar Drinks später hatte Emily nun endgültig ihren freien Willen verloren und tanzte ausgelassen mit einem Jungen aus unserem Germanistik Kurs, wir sahen nur belustigt zu, aber auch ich merkte wie mir der Alkohol langsam aber sicher zu Kopf stieg. "Das ist jetzt schon mein vierter Gin, vielleicht sollte ich eine kurze Pause machen", antwortete ich Sarah, die gerade auf dem Weg war neue Getränke zu holen. Plötzlich spürte ich eine Hand auf meinem Rücken und drehte mich um. Ich sah Herrn Bach auf mich zu taumeln, auch er schien sich nicht mehr wirklich unter Kontrolle zu haben. Bevor ich ihn fragen konnte, ob es ihm gut geht wurde er allerdings schon von einer älteren Dozentin weggezogen die mich nur belustigt ansah und lachte. Warum haben manche Menschen nur so wenig Selbstkontrolle? Ich musste kurz über Herrn Bach schmunzeln und war nur froh, dass er nicht Emily erwischt hatte, die wahrscheinlich mit Fragen über ihn hergefallen wäre. "Wo ist Lucie eigentlich?", Maria sah mich fragend an und ich sah mich im Vinos  um, aber keine Spur von ihr. Mein Blick ging auf die Uhr und dann in Richtung der Toiletten. Wir hatten schon halb 3 und müssten morgen um 8 Uhr in der Vorlesung sitzen. Sarah und ich gingen Lucie suchen und schauten zuerst auf den Toiletten ein Stockwerk tiefer nach. Doch bis dort hatte Lucie es gar nicht mehr geschafft, denn wir fanden sie davor, wie sie mit Sam, einem gutaussehenden Jungen aus unserer Klasse rummachte. Beide schienen schon ziemlich angetrunken zu sein. Sam sah uns aus dem Augenwinkel und ließ sofort von Lucie ab. Diese sah sich nur verdutzt um und als sie uns entdeckte sagte ihr Blick sarkastisch "Danke". Mit Lucie im Schlepptau gingen wir nach oben und sammelten Emily und Maria ein und packten unsere Sachen zusammen. Draußen standen ein paar Jungs die mit einem älteren Dozenten rauchten und sich über Mathe unterhielten. Die Luft war eiskalt und ich war froh, dass meine Mutter mir eine dicke Jacke aufgedrängt hatte, sonst wäre ich Frostbeule vermutlich erfroren. Im Taxi fuhren wir zusammen nach Hause, Sarah und ich stellten fest, dass wir nur eine Querstraße voneinander entfernt wohnten und liefen das letzte Stück zusammen. Zum Abschied umarmte sie mich und wir wünschten uns eine Gute Nacht. Fast so todmüde wie ich am Vortag zur Uni aufgestanden war, fiel ich jetzt in mein Bett und schlief fast sofort ein. 

Am nächsten Morgen hätte ich einen Wecker töten können, er ging um 7 Uhr und ich drückte bestimmt 5 mal auf snooze, bis ich feststellte, dass ich in einer halben Stunde an der Uni sein musste. Also probierte ich mich so schnell es ging fertig zu machen und schaffte es um 7:45 Uhr aus der Hautür, als mein Papa mir noch ein "Schönen Tag Schatz" hinterher rief. So abgehetzt war ich selten irgendwo angekommen und schloss daraus, dass die Nacht gestern einfach zu lang für mich gewesen war. "Mit 21 ist man jetzt auch nicht mehr so ganz jung", hauchte Maria mir ins Ohr. Im Hörsaal angekommen war es gähnende leer und ich wusste nicht recht ob das an Vorlesung und dem Fach Literatur lag oder daran, dass gestern die Uni Party war. Jetzt hab ich mich so abgehetzt und unsere Dozentin ist noch nicht einmal pünktlich. Schnell kramte ich meine Sachen raus und mein Kopf steckte gerade unter dem Tisch, als ich Schritte hörte, die an uns vorbei zum Pult gingen. Nun hörte man Kreide an der Tafel quietschen und ich musste unweigerlich meinen Kopf unter dem Tisch hervor holen. Al sich grade auf meinem Stuhl saß und zur Tafel sah, blickte ich geradewegs in ein paar strahlende, grüne Augen und obwohl mir das noch nicht oft vorgekommen war, stockte mir der Atem. Wow, sie ist wunderschön!

Aber ich liebe sie...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt