Kapitel 2: Es war einmal...

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Ich vertraute Sarah, also erzählte ich ihr die ganze Geschichte von Anfang an.

Es begann damals schon in der Grundschule. Ich hatte nie wirklich Freunde, keine Ahnung warum. Schon damals habe ich mich sehr auf die Schule konzentriert und schon relativ jung realisiert, dass ich lernen muss um später im Leben etwas zu erreichen. Dieser ständige Druck den ich mir selbst zugefügt habe, hat mich belastet. Meine Eltern wollten mir immer helfen, mir den Druck nehmen, aber ich habe von alleine einfach weiter gemacht und wollte nicht die Versagerin sein. Also habe ich gelernt und gelernt, was sich ausgezahlt hat, aber ich hatte wie gesagt keine wirklichen Freunde. Mich haben alle für die Streberin gehalten, mit der man werde Spaß habe kann noch sonst irgendwas anfangen kann. "Und das hat sich einfach so durchgezogen bis jetzt? Niemand wollte mit dir befreundet sein?", fragte Sarah mich, zögerte aber, denn sie wusste dass dies kein einfaches Gespräch für mich war. "Naja sie haben mich einfach ignoriert...". So kam es dass ich meistens mit Lehrern das Gespräch suchte oder mit deutlich älteren Menschen gesprochen habe. Ich habe mir immer Vorbilder gesucht, jemanden den ich toll fand und mir vorstellen konnte auch so zu sein, wenn ich groß bin. Mein 12-jähriges Ich war nicht sonderlich selbstbewusst und deshalb habe ich auch nicht den Kontakt zu denen gesucht, die mich ohnehin nicht haben wollten. In der 7. Klasse gab es da einen Jungen den ich ganz toll fand. Er hieß Moritz, hatte blondes Wuschelhaar und schöne, blaue Augen. Wir hatten uns durch eine Gruppenarbeit kennengelernt und ich half ihm manchmal bei Englisch, da ich Klassenbeste war und er so gar keinen Durchblick hatte. "Keine Ahnung, aber irgendwie mochte ich ihn total gerne...ich hatte mich ein kleines bisschen in ihn verliebt und das war das erste Mal, dass ich solche Gefühle hatte", sprach ich weiter. "Eines Tages küsste Moritz mich aus heiterem Himmel". "Aber Claire das ist doch wunderbar oder nicht?", fragte Sarah gespannt nach. Ich gab nur ein "Ja schon, wäre es keine Wette von den Jungs aus meiner Klasse gewesen...dann vielleicht schon", von mir. Damit war das Thema Moritz erledigt. Sarah sah mich verwundert an "Aber das passiert uns allen doch mal, war es wirklich das, was du mir erzählen wolltest?". Sie kannte mich einfach jetzt schon viel zu gut. Wie kann es sein, dass wir uns erst seit ein paar Tagen kennen? Da Sarah natürlich alles hören wollte sprach ich weiter und kam nun zu dem, für mich, unangenehmeren Teil, wo ich nicht recht wusste, wie Sarah reagieren würde. Ich atmete kurz tief durch und brummelte "Und dann gab es da so eine Lehrerin die ich toll fand...". Einen Moment lang war es still. Sarah sagte nichts und ich fühlte mich schon schlecht, weil ich ihr es erzählt hatte, doch im nächsten Moment umarmte sie mich einfach fest und flüsterte in mein Ohr. "Claire, hör zu das ist doch gar nicht schlimm, ich stand auch schonmal auf einen meiner Lehrer und nur weil es bei dir eine Lehrerin war, ist das doch kein Grund jetzt so traurig zu schauen. Ich verurteile dich deswegen nicht, mach dir da mal keine Gedanken." Erleichtert atmete ich auf, warf Sarah einen dankenden Blick zu und fuhr fort "Ich hatte total Angst, dass ihr das komisch finden könntet oder so, aber ich wollte ehrlich sein, ich mag keine Geheimnisse mehr mit mir rumschleppen und jetzt habe ich endlich Menschen gefunden, mit denen ich darüber reden kann." Sarah blickte zu mir und ich sah ein Leuchten in ihren Augen aufblitzen.

"Warte mal kurz, wolltest du mir damit jetzt andeuten, dass du deshalb Frau Winterberg heute die ganze Zeit so angestarrt hast?". Mit einem zaghaften Lächeln auf den Lippen nickte ich ihr zu und wir mussten beide lachen. "Ich werde sie dir auf jeden Fall nicht wegschnappen", warf Sarah in unser Gelächter ein und ich musste ihr kurz in die Seite stoßen. Sobald nur dieser Name über meine Lippen kam, ertappte ich mich selbst dabei, wie ich unausweichlich an sie denken musste. Ihre wunderschönen, dunkelbraunen Haare, die strahlend-grünen Augen, ihre Art zu sprechen und einfach alles an ihr, was mich so faszinierte. "Claaaaiiiireeee?!", hört ich nur eine dumpfe Stimme schreien. Scheinbar war ich schon wieder in meinen Gedanken versunken gewesen. Was machte diese Frau bloß mit mir? Als wäre nie etwas anderes gewesen drehte ich mich zu Sarah um, die grade anfing zu lachen, als ich dann auch mal viel zu spät realisierte, dass ich durch meine ganzen Erzählungen und Geschichten aus meiner Kindheit an der Bahnhaltestelle vorbeigefahren war. Dort hätten sowohl Sarah als auch ich aussteigen müssen. Also stiegen wir an der nächsten Station aus, machten uns auf den Weg zum anderen Gleiß und fuhren zurück in Richtung Amselstraße. Bis Sarah in ihre Querstraße abbiegen musste sagte niemand von uns etwas und ich spürte ein Gefühl der Dankbarkeit, weil ich gut und gerne auf die Art der "awkward coversation" verzichten konnte. Als wir uns umarmten flüsterte ich ein kurzes, warmes "Danke" in Sarahs rechtes Ohr und spürte wie sie mich etwas fester drückte. Daraufhin machten wir uns beide auf den Weg zu unseren Wohnungen.

Als ich zur Tür reinkam und das Haus betrat, hörte ich nur meinen Vater, der in der Garage Krach machte. Höchstwahrscheinlich bastelte er schon wieder an seinem Laubbläser herum. Dieser war seit einiger Zeit kaputt und obwohl meine Familie nicht die Brotkrumen von der Straße sammeln musste war mein Vater einfach zu geizig um einen Reparateur zu bezahlen. "Hey Papa, ich geh hoch", brüllte ich durchs ganze Haus und empfing als Antwort nur ein "Ja Schatz, ist okay". Meine Eltern waren wundervolle Menschen. Offen, freundlich und herzlich, manchmal etwas peinlich, aber das ist ja bei den Meisten so. In meinem Zimmer angekommen kramte ich erst einmal mein Literatur Zeug aus der Tasche und sah auf meinen Stundenplan. Ich hatte weder Hausaufgaben noch morgen ein anderes Fach außer Literatur. Somit konnte ich mir ohne schlechtes Gewissen ein Bad einlassen, musste keine Hausaufgaben machen oder etwas für eine Stunde vorarbeite. Warum Studenten das überhaupt machten, war mir immer noch ein riesiges Rätsel. Schnell zog ich alle meine Sachen aus, schnappte mir ein Handtuch und legte mich in die Badewanne, welche mit einem nach Rosen duftendem Badezusatz gefüllt war und freute mich innerlich schon auf morgen.

Aber ich liebe sie...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt