Kapitel 3: All the single ladies

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Ich starrte an die Tafel, es war  9 Uhr und wirklich noch verdammt früh für einen Studenten, aber etwas lies mich plötzlich hochschrecken. Eine Hand legte sich vorsichtig auf meine und ich ließ den Stift fallen, als ich sah wer es war. Frau Winterberg höchstpersönlich. Klar, ich hatte mich gemeldet, weil ich etwas zur Literatur erklärt haben wollte, aber dass sie so reagierte, wenn sich jemand meldete war mir neu. Warum auch immer kam ich mir in ihrer Gegenwart wie etwas ganz zerbrechliches vor. Ein Falscher Schritt von mir und ich ging kaputt, eine falsche Bewegung von ihr und es hatte verheerende Folgen für mich. Sie war so groß und ich winzig wie ein Zwerg, David gegen Goliath. Genauso kam ich mir vor und war mir sicher, dass sie es nicht anders empfinden sollte, wenn sie vor den Studenten stand, die alle keine Ahnung hatten was sie hier eigentlich taten. Schon wieder waren meine Gedanken mit mir durchgegangen und ihre Hand ruhte immer noch auf meiner während sie mit Adleraugen auf meinen Block starrte und sich meine Notizen zu ihrem Unterricht durchlas. "Sehr ordentlich Claire, ich bin begeistert wie gut Sie im Unterricht aufpassen und all das verfolgen, was ich zusätzlich zu den Präsentationen noch sage", ertönte es in meinen Ohren und ich gab nur ein leises "Dankeschön, das ist doch selbstverständlich" von mir. Plötzlich fing sie an an sich an den ganzen Hörsaal zu richten: "Nehmen Sie sich doch bitte alle mal ein Beispiel an ihrer Kommilitonin Claire. Sie macht gewissenhaft ihre Aufgaben, lässt nichts aus den Augen, wird nicht von irgendwelchen Partys am Wochenende abgelenkt und konzentriert sich voll und ganz auf ihr Studium und ihre Zukunft. So viel Engagement würde ich gerne von mehr Leuten hier sehen." Lächelnd wandte sie sich wieder an mich und mir blieb nur der Mund offen stehen. Hatte mir diese wunderbare Frau grade vor dem ganzen Kurs ein Kompliment gemacht? Auch Minuten später lächelte sie zwischendurch immer noch zu mir rüber und ich merkte wie mein breites Grinsen nicht mehr von meinem Gesicht wich. Ich konnte mein Glück kaum fassen und mich packte die Motivation und der Mut. So sehr ich auch versuchte mich auf die Aufgabe zu konzentrieren, es funktionierte hinten und vorne nicht, ich war zu abgelenkt. Vielleicht erzähle ich ihr einfach von meinen Gefühlen? Frage sie nach ihrer Meinung zu meinen Gefühlen?

Nach der Stunde wartete ich bis alle aus dem Hörsaal verschwunden waren und packte betont langsam meinen Hefter, Laptop und Block ein in der Hoffnung, dass Frau Winterberg an mir vorbei laufen und noch kurz stehen bleiben würde. Ich war viel zu schüchtern um von alleine auf sie zu zu gehen. Und tatsächlich. Auf dem Boden lag noch ein Konzeptpapier für meine Projektarbeit und ich hob es auf. Als ich den Kopf hob blickten mir ein paar grüne Augen in den Ausschnitt und ich zupfte meine Haare zurecht, als ich aufstand. "Claire, Sie haben heute wirklich gute Arbeit geleistet, ich bin sehr froh eine so motivierte Studentin wie Sie im Kurs zu haben", ertönte der Klang ihrer bezaubernden Stimme in meinen Ohren. Glücklich lächelte ich vor mich hin, wollte etwas sagen aber brachte keinen einzigen Ton heraus. So nervös war ich schon in ihrer Gegenwart geworden. Grinsend sah sie mich an und verstand sofort was los war. "Kein Problem, mir verschlägt es auch die Sprache, wenn ich Sie nur ansehe Claire...", sagte sie mit einem Mix aus selbstbewusster und gleichzeitig schüchterner Stimme. Meine Wangen glühten und ich merkte wie mir die rote Farbe ins Gesicht schoss. Keinen Millimeter konnte ich mich bewegen, ich stand vor ihr wie ein Baum der soeben Wurzeln geschlagen hatte. Starke, unkaputtbare Wurzeln. Niemand hätte mich zu diesem Zeitpunkt von ihr trennen können. Gespannt sah ich ihr weiter in die Augen. Das Grün schimmerte nur so vor sich hin und ich war mir sicher, dass sie sichtlich Spaß daran hatte, mich so durcheinander zu bringen. Eine Eigenschaft die ich unglaublich toll fand, denn nur wenige Menschen brachten mich wirklich dazu, ernsthaft freudig nervös und durcheinander zu sein. Doch sie war eine der Wenigen, die es ausnahmslos in allen Situationen schaffte und so sehr ich die Kontrolle über mich behalten wollte, so sehr ging sie und ließ mich im Stich. Im Sekundentakt merkte ich quasi, wie ich ihr immer mehr verfiel und das Bedürfnis spürte sie um mich herum zu haben.

Wir standen immer noch im Hörsaal, sie lächelte mich an, ich lächelte zurück und fühlte mich als hätte grade jemand alles Glück dieser Welt nur auf uns gekippt. Ich konnte noch nie sehr lange Blickkontakt  halten und sah kurz auf den Boden. Doch Frau Winterberg war damit scheinbar nicht einverstanden, denn sie umfasste mein Kinn mit ihrer Hand. Bevor ich überhaupt reagieren konnte, sah ich schon wie hypnotisiert in ihre grünen Augen und empfand es als wäre ich in Trance. "Wow" war das Einzige was ich denken konnte bei diesem Anblick. Doch ich spürte etwas kaltes, störendes an meinem Kinn und löste meinen Blick von ihren Augen. Meine Augen hingegen wanderten über ihren Arm bis hin zu ihren Fingern und entdeckten etwas, was mir den Atem verschlug. An ihrer linken Hand trug sie doch tatsächlich einen Ring am Ringfinger. Doch es war nicht irgendein Ring, es stand ein Name eingraviert. Stefan.

Dieser Ring war ein Ehering. Und Frau Winterberg somit verheiratet.

Aber ich liebe sie...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt