𝟜𝟙 - Gefühlschaos

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Miriam und ich hatten nach einem kurzen Gespräch entschieden, uns für den nächsten Tag zu verabreden und in Ruhe alles durchzugehen. In erster Linie war ich viel zu müde und erschöpft, um direkt noch mal den Streit mit Gabriel durchzukauen und jede Kleinigkeit zu analysieren. Zudem wollte ich erstmal zur Ruhe kommen, mir eine Pause gönnen und seelische Vorbereitung schaffen, die ich vor dem anstehenden Gespräch dringend nötig hatte. Bereits am Telefon war Miriam alles andere als amüsiert, dass ich sie über das Wochenende und fast den gesamten Montag ignoriert und weggedrückt hatte. Zwar konnte ich das durchaus nachvollziehen, da sie sich mehr Sorgen um mich gemacht hatte als alles andere, aber mich sofort dafür rechtfertigen zu müssen, schaffte ich einfach nicht. Dementsprechend schleppte ich mich am Dienstag abermals zur Arbeit und versuchte die gewünschte Portion an Ablenkung zu kriegen, die ich dringend nötig hatte. Leider schien selbst das nicht gänzlich zu funktionieren.

"Du siehst echt schrecklich aus, Süße." begrüßte mich Sarah mit einem besorgten Blick, als ich gerade in die Büroküche spazierte und beinahe in sie hineingerannt wäre. Brummend schob ich mich einfach an ihr vorbei, suchte eine Tasse aus dem Hochschrank und machte mir einen Kaffee - inzwischen wusste ich, welchen Knopf ich an der Maschine bedienen musste. "Was ist passiert?" hakte sie nach, als ich noch immer keinen Mucks von mir gegeben hatte. "Liegt es an Thiel? Hat er auf dem Heimweg irgendetwas versucht? Gott, wenn ich ihn das nächste Mal zu Gesicht bekomme, schwöre ich dir, bekommt er..."

"Sarah, schon gut." unterbrach ich sie zügig und versuchte mich an einem schwachen Lächeln. Ich wollte jetzt definitiv nicht über Gab sprechen. "Es liegt nicht an ihm." Eigentlich schon. "Ich habe nur nicht gut geschlafen - vielleicht werde ich krank oder so." Als Beweis hustete ich einmal dramatisch auf, was durch meinen trockenen Hals gar nicht mal so schwer war. Offensichtlich schien es zu funktionieren, denn auch wenn sie mich für wenige Sekunden anstarrte und abwägte, so schien sie mir kurz darauf Glauben zu schenken. "Du nicht auch noch! Mike hat sich schon krankgemeldet und bleibt die gesamte Woche zuhause. Bleib bloß weg mit deinen Bakterien." sagte sie und lachte gegen Ende herzlich auf, auch wenn sie es definitiv ernst meinte. Tatsächlich fühlte ich mich heute wirklich nicht gänzlich gesund, doch das schwache Gefühl in den Gliedern und die penetrante Unlust auf diesen Tag hatten wohl einen anderen Ursprung als eine simple Erkältung. War es falsch dass ich hoffte, vielleicht doch krank zu werden um ein paar Tage zuhause verbringen zu können?

"Keine Sorge, ich halte mich heute zurück." beruhigte ich sie und schnappte mir meine inzwischen volle Kaffeetasse. "Wenn es mir morgen nicht besser geht, gehe ich zum Arzt."

"Besser wäre es." nickte Sarah und schenkte mir einen letzten mitleidigen Blick. "Es bringt ja niemanden etwas, wenn du dich überarbeitest."

Tatsächlich verlief der Arbeitstag eher ruhig, da ich mich lediglich an die ersten Entwürfe für den weihnachtlichen Banner setzte, den wir in einer Rundmail einbinden wollten. Allerdings brachte mir diese Aufgabe nicht die gewünschte Ablenkung, die ich mir erhofft hatte - zu oft wichen meine Gedanken ab und wiederholten den Streit und Gabriels Worte in Dauerschleife. Durch die Auseinandersetzung konnte ich mir zudem auch keinerlei Gedanken um die anstehende Weihnachtsfeier machen. Während die meisten Kollegen schon regelrecht aufgeregt waren, konnte ich bei dem Gedanken nur seufzen - mir war momentan definitiv nicht nach Feiern zumute. Natürlich war noch etwas Zeit bis dahin und der erste Gedanke, Gabriel als Begleitung auszuwählen, konnte auch noch zu einem späteren Zeitpunkt ausgeklügelt werden - allerdings half mir dieser minimale Aufschub herzlich wenig. Egal, was ich tat, meine Gedanken kreisten eh um ihn - so viel zum Thema, die Arbeit würde mich wenigstens etwas ablenken.

Hätte ich es denn tun sollen? Es ansprechen?

Wie hätte ich reagiert, wenn er es direkt gesagt hätte? Wenn er mir am nächsten Morgen beim Frühstück gebeichtet hätte, dass wir uns geküsst hatten? Sicherlich hätte ich es im ersten Moment als Witz empfunden und würde denken, er nahm mich auf den Arm. Das zeigte wohl, wie absurd die ganze Situation war. Ich hätte nicht mal im Traum daran gedacht, dass es jemals soweit kommen könnte zwischen uns.

Damals wie HeuteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt