𝟛𝟟 - Streit im Paradies

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Kurz nach dem Frühstück verabschiedete sich Gabriel mit der Begründung, endlich unter die Dusche springen zu müssen und mit Max über die nächsten Schichten auf Arbeit zu sprechen. Auch wenn ich ihm das durchaus glaubte und es demnach akzeptierte, so konnte ich nicht anders, als diese ulkige Stimmung zu bemerken. Selbst die Verabschiedung verlief irgendwie angespannt, als würde noch immer etwas zwischen uns stehen. Auch wenn er zwar behauptet hatte, dass gestern nichts weiter passiert war, konnte mein überdrehtes Hirn einfach nicht zur Ruhe kommen. Selbst bei der abschließenden Umarmung zwischen Tür und Angel wirkte er angespannt, hielt sich kurz und klopfte mir sogar einmal auf den Rücken. Ernsthaft - ein Rückenklopfer?

Möglicherweise interpretierte ich auch zu viel hinein. Gabriel war, genauso wie ich, noch ziemlich angeschlagen und übermüdet. Daher war es nur verständlich und nachvollziehbar, dass er nicht ganz auf der Höhe war. Also blieb mir nichts anderes übrig, als abzuwarten und zu hoffen, dass ich mich tatsächlich irrte und nichts zwischen uns stand. Was sollte auch schon so fatales geschehen sein, dass er sich so untypisch verhalten würde? Egal, wie oft oder lang ich darüber grübelte, ich würde eh auf kein Ergebnis kommen, welches mich zufrieden stellen würde. Also gab ich vorerst auf, schob den Gedankenstrudel zur Seite und konzentrierte mich auf andere Dinge. Zum Beispiel, erstmal aufzuräumen und anschließend die Couch für den restlichen Tag zu reservieren. Mit einer übergroßen Tasse Tee, Keksen und einer neuen Netflix-Serie bewaffnet war ich bereit, dort den restlichen Samstag (und wohlmöglich auch den Sonntag) zu verbringen. Tatsächlich hatte ich mich gerade hingesetzt, als das Schicksal mal wieder dazwischen funkte.

Oder in meinem Fall: meine beste Freundin.

„Miriam?"

„Du glaubst nicht, wie sauer ich bin." begrüßte sie mich am Telefon und atmete zusätzlich entrüstet aus. Im Hintergrund konnte ich schwach den typischen Lärm von vorbeifahrenden Autos und die sonstigen Geräusche der Stadt hören - sie war definitiv nicht zuhause. Stirnrunzelnd setzte ich mich gerade hin und stellte die Teetasse auf den Tisch vor mir ab. Ich hatte das starke Gefühl, dass dies entweder ein längeres Gespräch werden würde oder ich innerhalb der nächsten fünf Minuten aufspringen müsste. „Was ist passiert?" Meine Frage wurde leicht durch ein penetrantes Hupen eines Autos und dem darauffolgenden Fluchen ihrerseits verschluckt. Wenn möglich, wurde meine Sorgenfalte auf der Stirn noch breiter. „Mir? Wo bist du?" hakte ich nach und stand schlussendlich doch von der Couch auf. In solchen Momenten konnte ich einfach nicht still sitzen. „Hast du Hunger? Ich könnte jetzt echt ne fette Pizza oder so vertragen."
Neben der allgemeinen Sorge um den Zustand meiner besten Freundin, wuchs auch eine gewisse Frustration heran. Konnte sie mir nicht einfach eine Frage beantworten? War das so schwer?
„Miriam! Wo zum Teufel steckst du?" brach es aus mir heraus, als ich es nicht länger  zurückhalten konnte. Offensichtlich brachte dieser kleine Gefühlsausbruch zumindest etwas, denn sie seufzte nur und beantwortete endlich meine Frage. „Gleich vor deiner Tür. Kommst du runter? Super, bis gleich!"

Das Tuten des Handys verdeutlichte mir, dass sie einfach aufgelegt hatte. Mehr als nur perplex starrte ich für wenige Sekunden auf den Bildschirm und versuchte herauszufinden, was gerade passiert war. Offensichtlich war etwas vorgefallen und sie brauchte jetzt definitiv seelische Unterstützung. Mit leichtem Bedauern betrachtete ich meinen sich langsam abkühlenden Tee und die dazugehörigen Kekse - der gemütliche Samstag würde wohl warten müssen. Seufzend sprach ich mir innerlich Mut und Elan zu und schlüpfte in Jeans und einen dickeren Pullover, bevor ich auch schon zügig die Wohnung verließ. Einerseits wollte ich Miriam nicht so lange warten lassen und andererseits interessiere es mich stark, was geschehen war. Durch meinen kleinen Blackout konnte ich leider auch nicht einschätzen, ob bereits im Club etwas vorgefallen war oder erst, nachdem ich den Heimweg angetreten war. Gabriel schien jedoch auch nichts weiter gewusst zu haben, sonst hätte er mir sicherlich davon erzählt. Demnach konnte nur etwas nach der Feier passiert sein.

Damals wie HeuteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt