Der Sonntag verflog schneller als gedacht und brachte den Montag einher. Auch wenn ich mir in den gestrigen frühen Morgenstunden noch gern mit Gab auf der Couch einen Film oder so angesehen hätte, waren wir dennoch fix und fertig von der Schicht in der Kneipe. Der Freitagabend hing uns noch tief in den Knochen, daher war es kein Wunder, dass wir uns zügig verabschiedeten und nur noch ins Bett fielen. Jedenfalls tat das meine Wenigkeit. Ich hatte es lediglich noch geschafft, mir die letzten Make-up-Reste abzuwaschen, bevor ich wie ein nasser Sack unter die weiche Decke fiel und sofort einschlief. Leider war dementsprechend mein Schlafrhythmus völlig im Eimer - da ich bis zur Mittagszeit geschlafen hatte, brauchte es eine halbe Ewigkeit, abends ins Traumland zu gleiten. Zum Dank konnte ich mich nicht mal mehr daran erinnern, ob ich überhaupt etwas geträumt hatte oder nicht. Die Erschöpfung musste meiner Fantasie einen großen Riegel vorgeschoben haben.
Umso mehr freute es mich, dass wir zur Mittagspause ein kleines Café aufsuchten, um die benötigte Portion an Koffein und süßem Gebäck einzuholen. Die frische Luft tat ihr übriges und brachte mich dazu, etwas wacher zu werden. Abgesehen von dem neusten Klatsch und Tratsch von Sarah, natürlich.
"Meinst du das ernst?" hakte ich unterdessen skeptisch nach. Meine rothaarige Kollegin und Freundin bestand nämlich darauf, Haley und Kendra gesehen zu haben. "Warum sollte Haley bei Kendra mitfahren?" Zumal ich ein ähnliches Bild bereits gesehen hatte, nur dass Lars darin involviert war. Mike, welcher uns Mädels ebenfalls begleitete, überlegte angestrengt. "Vielleicht hat Kendra sie nur irgendwo aufgesammelt, weil die Bahn nicht fuhr oder so."
"Nein, das glaube ich nicht." widersprach Sarah und schlürfte an ihrem To-Go-Becher. Natürlich handelte es sich hierbei um einen entkoffeinierten Macchiato mit Mandelmilch und einem Spritzer Vanille. Ich fragte mich wirklich, warum man entkoffeinierten Kaffee trank - der ganze Sinn dahinter wurde doch zunichte gemacht. "Die beiden sahen wirklich vertraut miteinander aus."
"Inwiefern?"
"Keine Ahnung. Es sah halt so aus, als wären sie befreundet oder so."
Stirnrunzelnd starrte ich auf den Weg vor mir. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie man freiwillig mit Haley abhängen konnte. Gut, ich war auch etwas voreingenommen nach der letzten Badezimmer-Aktion von ihr. Apropos - ihr Lippenstift lungerte immer noch in meiner Handtasche herum. Inzwischen hatte ich Sarah bereits von dem Vorfall erzählt und ihren Unmut nur weiter geschürt. Auch wenn ich es eigentlich nicht weitertratschen wollte, so hatte die Story eigenhändig meinen Mund verlassen. Ich war froh, Sarah an meiner Seite zu wissen, auch wenn sie um einiges aggressiver an die Sache herangehen wollte. Wenn es nach ihr ginge, hätte sie den Lippenstift bereits in den nächstbesten Mülleimer oder in Haleys Gesicht geworfen - je nach dem, was näher dran war. Lediglich Mike hatte ich es verschwiegen. Irgendwie war es mir unangenehm, vor allem, da er sich anscheinend gut mit ihr verstand. Ich wollte das nicht kaputt machen, nur weil ich ein schlechtes Bild auf sie warf oder gar hinter ihrem Rücken lästerte. Ja, mir war durchaus bewusst, dass es umgekehrt bestimmt anders verlaufen würde.
"Nur wie hängt das dann mit Lars und Haley zusammen?" fragte ich mich laut, was uns kurz in eine grüblerische Stille brachte.
"Oh mein Gott!" rief Sarah aus, als ihr eine Art Geistesblitz gekommen war. "Was ist, wenn Haley die Tochter von den beiden ist? Vom Alter her würde es ja passen."
Das brachte mich nur noch mehr zum nachdenken. Es war schon beinahe unvorstellbar, dass Kendra und Lars miteinander ausgingen - wie sollten wir dann den Gedanken akzeptieren, dass die unterschiedlichsten Personen auf Erden ein Kind gezeugt hatten?
"Soweit ich weiß, kam Kendra aber erst später zur Berliner Abendpost als Lars." machte Mike den Einwand.
"Das hat ja nichts zu heißen." erwiderte Sarah schnippisch. Offenbar war sie von ihrem Einfall mehr als nur begeistert und überzeugt. "Paare können heutzutage durchaus beim gleichen Arbeitgeber angestellt sein. Muss ja keiner wissen, dass sie zusammen sind. Vielleicht ist das auch der Grund, warum sie es geheim halten."
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Damals wie Heute
Roman d'amour𝐄𝐯𝐞𝐥𝐲𝐧 & 𝐆𝐚𝐛𝐫𝐢𝐞𝐥. Einst unzertrennlich, bis das Leben die besten Freunde auseinander riss. Nach einem heftigen Streit entschließt sich Evelyn, für ihr Studium ihre Heimatstadt zu verlassen und die Geschehnisse hinter sich zu lassen. Do...