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Mir bleibt die Luft zum Atmen weg. Mit offenem Mund starre ich der Person entgegen und alles, was ich in meinem Leben bisher geglaubt haben mochte, stelle ich in diesen Sekunden in Frage. Es war unmöglich.

Kalte Hände legen sich in meine, umschließen mich fest. Sie geben mir Halt, geben mir alles, was ich brauche.

Liebe

All die Jahre habe ich danach gesucht und jetzt, wo ich sie gefunden habe, halte ich daran fest, als würde ich untergehen.

Denn diese Liebe war mein Untergang.

***


„Ich habe Angst." Meine Stimme bebte. Mit zittrigen Fingern band ich meine Krawatte um und betrachtete mich skeptisch im Spiegel. Plötzlich wirkte jede einzelne Faser meines Körpers so unglaublich falsch und hässlich.

Zayn steppte neben mich und ein Grinsen umspielte seine Lippen. Er legte einen Arm um meine Schulter und deutete mit einem Finger in unser Spiegelbild. „Mach dir nicht so viele Gedanken, Lou. Es wird gut gehen. Und wenn du sie nicht mit deinen Worten überzeugen kannst, präsentiere ihnen deinen Hintern. Der Job ist so gut wie sicher." Er verpasste mir einen freundschaftlichen Klaps auf den Po und sein selbstgefälliges Grinsen wurde nur noch breiter.

Ich haute ihm spielerisch in die Seite, woraufhin er aufkeuchte. „Mein Hintern wird gar niemanden überzeugen, wenn ich nicht abliefere."

Er schlang seinen Arm um die Hüfte, wo ich ihn soeben getroffen hatte und zog ein gespielt schmerzverzerrtes Gesicht. „Dein Hintern reicht völlig aus.", zischte er und beugte sich nach vorne.

„Dafür muss der Chef aber auf Männerhintern stehen."

„Tut er?", fragte er und stellte sich wieder aufrecht hin, nachdem der ‚Schmerz' abgeklungen war.

Ich zuckte ahnungslos mit den Schultern. „Ich habe das gesamte Internet nach Bildern und Informationen über ihn durchforstet. Keine Ergebnisse. Und damit meine ich absolut nichts. Nada, niente.", betonte ich scharf und rückte meinen Anzug zurecht, auf dem sich Falten gebildet hatten.

Er kräuselte seine Nase und schaute verwirrt drein. „Du hast dich also in einer Firma beworben, dessen Chef dir unbekannt ist?"

Ich nickte. Ich hatte wirklich alles versucht, um irgendwie an Informationen zu kommen, aber egal, wie tief ich im Netz herumgrub, ich kam an keinerlei Auskünfte. Deshalb hatte ich unglaublichen Respekt vor dem Bewerbungsgespräch. Ich wusste nicht, worauf dieser gewisse Jemand Acht gab, oder was er überhaupt nicht mochte. Es war ein Sprung ins kalte Wasser.

Er streichelte mir besänftigend über den Rücken. „Du machst das schon, Lou. Du bist der beste Grafikdesigner, den ich kenne.", sagte er aufmunternd.

Ich zog meine rechte Augenbraue hoch und musterte ihn. „Das mag daran liegen, dass ich der einzige Grafikdesigner bin, den du kennst.", betonte ich scharf.

„Meine Mutter war auch Grafikdesignerin. Und du bist besser als sie.", gab er schulterzuckend zurück und ließ von mir ab.

Ich lachte auf. „Das mag wiederum daran liegen, dass sie bloß darauf aus war, mit ihrem Chef zu schlafen, anstatt ihre Aufgaben zu erledigen.", meinte ich und schüttelte grinsend den Kopf. Ich blickte von ihm zurück in den Spiegel und richtete mein Haar.

„Na ja, zumindest gab es ein besseres Gehalt für meine Mum und ich konnte mir nach vier Jahren endlich eine PS4 kaufen. Ich habe ja nur seit ich zwölf bin darauf gewartet.," witzelte er mit einem Augenrollen.

„Jetzt sind die Beiden verheiratet und du kannst dir Tausend PS4s kaufen.", sagte ich und schmunzelte leicht. Ich kannte Zayn bereits seit vielen Jahren. Um ehrlich zu sein, seitdem ich acht Jahre alt bin. Wir waren seit sechszehn Jahren befreundet und nichts und niemand konnte uns trennen. Wir hatten jedes Drama, jeden Schicksalsschlag miteinander erlebt. So hatte ich auch mitbekommen, als Zayns Mutter ihren Ehemann betrog und mit ihrem Chef geschlafen hatte. Dass aus dieser Affäre Liebe werden würde, hatte zum damaligen Zeitpunkt niemand gedacht.

Zayn klopfte mir auf die Schulter. „Danach kannst du ja zu Caden gehen. Vielleicht wird ja aus einer belanglosen Affäre auch Liebe.", sagte er und lächelte verschmitzt.

Ich seufzte. „Vielleicht"

„Ach, Lou. Er will dich, du willst ihn... geht doch einfach den nächsten Schritt.", sagte der Schwarzhaarige. Ich wusste, wie sehr er sich wünschte, dass ich endlich eine Beziehung führte. Meine letzte lag bereits drei Jahre zurück und ist alles andere als schön ausgegangen. Als ich mich von Eleanor trennte, gestand ich ihr, dass ich auf Männer stand. Sie hat mir die Hölle heiß gemacht, mich wochenlang terrorisiert und gestalkt. Es war der reinste Horror.

„Ich weiß nicht, Zen. Meine Gefühle für ihn sind noch nicht so weit, dass ich von Verliebtheit oder so sprechen könnte."

Er lächelte beschwichtigend und nickte wissend. Dann drehte er sich um und verschwand in der Küche. Unsere WG bestand schon, seitdem wir beide mit achtzehn Jahren ausgezogen waren. Nun waren wir beide vierundzwanzig und Zayn war schon auf der Suche nach etwas Eigenem. So sehr ich ihn auch liebte, diese Situation konnte kein Dauerzustand sein.

Ich schlüpfte in meine eleganten Lederschuhe. Die Krawatte saß, letzte Falten hatte ich aus dem Anzug gestrichen und auch meine Schuhe schauten blitzeblank aus. Zufrieden lächelte ich und schnappte meinen Schlüssel und die Bewerbungsunterlagen, die auf der Kommode im Flur lagen.

„Ich bin dann mal weg.", rief ich Zayn zu und schlüpfte durch den Türrahmen unserer Wohnung. Ich schnellte die Treppen herunter und lief zu meinem Auto. Ein Blick auf die Uhr verriet, dass ich noch gute vierzig Minuten hatte. Der Weg zur Werbeagentur dauerte bestimmt zwanzig Minuten, mit Stau würde es sich sicherlich noch ziehen.

Ich holte tief Luft und hoffte auf ein wenig Ruhe in meinem Bauch, der vor Aufregung wie wild kribbelte. Ich startete den Motor und lenkte den Wagen auf die Straße.

Jetzt gab es kein Zurück mehr.

Gone For Love - Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt