Kapitel 40

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Isalie

Schweiß lief mir die Stirn entlang. Ich war kaputt. Erledigt. Müde griff ich nach meiner Wasserflasche und genoss die wohlige Kälte, die meine Kehle hinablief.

„Okay, machen wir weiter.", entgegnete ich Accalia keine zwei Sekunden später.

„Hey, mach mal halblang. Wir trainieren hier schon seit Stunden und haben noch keine richtige Pause gemacht. Was ist mit dir los?", wollte sie wissen.

„Nichts ist los.", log ich. Ohne zu zögern, nahm ich erneut meine Kampfhaltung ein, doch Accalia hielt inne.

„Spuck es schon aus.", forderte sie mich wissbegierig auf. Ich entspannte meine Glieder und atmete laut hörbar aus.

„Ich bin schwach, Lia.", sagte ich ihr leise.

„Ach Quatsch, das ist doch überhaupt nicht wahr."

„Doch, alle, gegen die ich hier gekämpft habe, haben mich besiegt. Ich habe jedes Mal verloren und du..." Sie unterbrach mich, bevor ich meinen Gedanken zu Ende sprechen konnte.

„Nein, hör auf, dich mit mir oder anderen zu vergleichen."

„Aber..."

„Nichts aber. Du hast deine Werwolfseite jahrelang unterdrückt. Natürlich ist sie geschwächt und natürlich braucht sie Zeit, um sich wieder zu erholen. Das geht eben nicht so schnell. Ich finde dafür, dass du erst vor kurzem von deinem neuen Leben erfahren hast, bist du echt gut."

„Echt gut? Ich möchte aber mehr als das sein." Enttäuscht über mich selbst ließ ich mich zu Boden sinken.

„Sei nicht zu streng mit dir." Sie hockte sich zu mir und legte beruhigend eine Hand auf mein Knie. Ich schaute ihr ernsthaft in die Augen.

„Ich habe meine Kräfte nicht unter Kontrolle. Ich habe mich noch nicht mal selbst unter Kontrolle. Ich würde im Kampf nur eine Last für die anderen sein."

„Du bist zu perfektionistisch und hör auf, immer alles kontrollieren zu wollen. Dein Wolf wird schon wissen, was er machen soll, wenn es soweit ist. Vertraue dir."

„Das ist leicht zu sagen.", gab ich ehrlich zu. Sie hielt mir ihre Hand hin. Ich ergriff sie dankend und Accalia half mir hoch. Schnell putzte ich den Dreck von meiner Hose ab und hob meinen Kopf, als ich Lucians Stimme vernahm.

„Hey, ihr beiden." Er trat zu uns. Man konnte ihm richtig ansehen, dass er in seiner Rolle als Beta förmlich aufblühte. Ich war wirklich stolz auf ihn.

„Hey.", murmelten Accalia und ich beinahe gleichzeitig.

„Ist alles okay bei euch? Wie läuft das Training?"

„Ja, alles okay. Das Training läuft gut. Wir kommen voran.", antwortete ich ihm, bevor Accalia es tun konnte.

„Ihr seht beide echt fertig aus. Gönnt euch doch mal eine Pause."

„Sie will keine Pause.", antwortete Accalia ihm schnell. Lucian schaute fragend in meine Richtung, doch ich konnte nur schuldig auf den staubigen Boden blicken.

„Wenn das so ist, möchte ich, dass ihr das Training für heute beendet. Ihr habt genug getan. Euer Körper braucht etwas Ruhe.", befahl er uns mit kräftiger Stimme. Bevor ich etwas erwidern konnte, unterbrach er mich.

„Das meine ich ernst. Ruht euch aus. Isalie, das ist keine Bitte.", wies er mich darauf hin.

„Na schön." Ich gab nach und hob betrübt meine Wasserflasche vom Boden auf.


Gedankenverloren hockte ich im hohen Gras. Ich brauchte dringend ein wenig Ruhe und Erholung von dem ganzen Stress. Natürlich wusste ich, dass ich mir allein sehr viel Druck machte. Niemand sonst war für meine eigene Unruhe verantwortlich. Niemand, außer mir.

Wolfsmädchen - Im Schatten des WaldesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt