Kapitel 9

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Isalie

Es war abends. Ich saß gerade mit meinen Eltern beim Essen, als Simon das Wort ergriff und sich an mich richtete. Er versuchte, die Stimmung ein wenig aufzulockern, nachdem wir ein tiefgründiges Gespräch über meine Zukunft hatten.

„Also, bist du schon aufgeregt wegen den Prüfungen, Superstreberin?" Ich schaute Simon mit einem genervten Blick an, der pure Ironie ausstrahlte. Er wusste ganz genau, dass ich es hasste, wenn er mich so nennt. Ich versuchte, die Tatsache zu ignorieren und das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken...

„Nein, eigentlich überhaupt nicht. Aber gut, dass du es ansprichst. Ich wollte euch nämlich noch fragen, ob Kyra herkommen kann, damit wir zusammen lernen können." Ich schaute meiner Mom bittend in die Augen, weil ich wusste, dass die Entscheidung nur bei ihr lag.

„Ich weiß nicht. Du sollst dich doch konzentrieren beim Lernen und ich weiß, dass Kyra das Ganze nicht so ernst nimmt."

„Victoria, bitte.", warf Simon ein. Er war eindeutig auf meiner Seite.

„Ja Mom, bitte. Tu es für mich. Ich will Kyra nur ein bisschen helfen." Wir schauten nun beide flehend in ihre Richtung. Ihr Gesicht wurde weicher und sie begann nachzugeben...

„Na schön, ich bin einverstanden. Aber versprich mir, dass sie dich nicht vom Lernen ablenkt. Du weißt ja, wie sie ist... Zwei gegen einen ist echt gemein." Sie lachte. Ich gab ihr einen Kuss auf die Wange zum Dank und räumte mein dreckiges Geschirr in die Küche.

Meine Mom kann manchmal echt streng sein. Früher war sie nicht so. Irgendetwas schien ihre Meinung geändert zu haben.

Ich ging hoch in mein Zimmer und schickte Kyra eine Nachricht, dass das mit dem Treffen in zwei Tagen klar gehen würde. Zur Bestätigung bekam ich unfassbar viele Smileys zurück, die mir angeblich zeigen sollten, dass sie sich freut, mich zu sehen, jedoch absolut keine Lust hat, die Zeit mit Lernen zu verschwenden. Ich machte ihr klar, dass es wichtig für sie sei, damit sie überhaupt ihren Abschluss schafft. Statt nach einer Ausrede zu suchen, schickte sie mir ein Foto von ihr mit einem genervten Blick.

Kyra war einfach so faul, wenn es um Schulsachen ging. Ich habe ihr versprochen, ein wenig zu helfen. Und das Versprechen würde ich so schnell auch nicht brechen.


Die Tage vergingen wie im Flug. Es klingelte. Kyra stand vor der Tür und schien gründlich unser Haus zu mustern.

Sie war zum ersten Mal bei mir. Wir hatten uns sonst immer bei ihr getroffen, aber da sie eine sehr große und laute Familie hat, überredete ich sie dazu, lieber bei mir zu lernen. Außerdem musste ich so nicht meine ganzen Notizen mitschleppen, die ich Kyra ab und zu ausleihe, weil diese versäumt hat, im Unterricht mitzuschreiben. Als es langsam ernst wurde mit den ganzen Prüfungen, kam sie flehend zu mir und ich gab nach.

Ich öffnete die Tür.

„Wow, krasses Haus." Kyra wirkte überrascht. Sie trug sehr bunte Klamotten. Irgendwie ausgefallen... Das liebte ich so an ihr. Sie gibt nichts auf die Meinung anderer und tut das, was sie allein für richtig hält.

„Äh, ja. Komm rein." Wir begrüßten uns und ich zeigte ihr den Weg in mein Zimmer. Sie staunte und sah sich alles ganz genau an. Wir setzten uns auf mein Bett, auf dem ich schon sämtliche Bücher bereitgelegt hatte, die wir zum Lernen gebrauchen könnten. Kyra beäugte diese kritisch und versuchte, ein Gespräch aufzubauen, das mich vom Thema »Lernen« abbringen soll...

„Was läuft eigentlich zwischen dir und Lucian?" Sie musterte mich interessiert. Kyra versuchte, unser Vorhaben zu verdrängen oder es zumindest hinauszuzögern.

„Nichts, was soll da laufen?", fragte ich sie, um herauszufinden, was sie dachte.

„Naja, er ist offensichtlich der begehrteste Junge der Schule. Nur er zeigt wenig Interesse an anderen Mädels. Bei dir ist es aber anders... Ihr verbringt sehr viel Zeit miteinander und er scheint dich zu mögen."

„Ja, wir verbringen viel Zeit, weil wir Freunde sind. Er ist sehr nett."

„Nett? Mag sein, dass du ihn nett findest, aber eure Blicke sagen mehr als tausend Worte. Ich habe euch beobachtet."

„Und das heißt?", fragte ich Kyra eindringlich.

„Naja, eindeutig ist da mehr als nur Freundschaft zwischen euch."

„Kyra, ich kann dir versichern, dass..." Sie unterbrach mich.

„Ist er wirklich so geheimnisvoll und mysteriös, wie alle denken?", fragte Kyra mit einem erwartungsvollen Gesichtsausdruck. Sie wartete gespannt auf meine Antwort.

„Kyra, das kannst du alles selbst herausfinden. Wir werden gemeinsam zu seiner Party gehen und du wirst sehen, wie er ist. Ich werde euch einander vorstellen, da ihr ja noch nie ein Wort miteinander gewechselt habt."

„Ich war noch nie auf einer seiner Partys. Kann ich da einfach so aufkreuzen? Bin ich überhaupt eingeladen?"

„Ja, ich habe Lucian gefragt und er meinte, dass ich sehr gern jemand mitbringen kann."

„Siehst du er hat..." Diesmal unterbrach ich sie. 

„Nein Kyra, er ist lediglich nett." Ich wusste, was sie sagen wollte. Sie sah meine Worte ein und nickte stumm. Ein Zeichen, dass sie verstanden hatte. „Lass uns endlich anfangen, zu lernen, sonst werden wir heute nie mit dem fertig, was ich mir vorgenommen habe." Sie stöhnte genervt und warf sich aufs Bett. „Kyra, es muss aber sein."

„Meinetwegen. Gerade, wo es lustig wird, wechselst du das Thema." Ich verdrehte belustigt die Augen.

Schon bald würde es ernst werden. Wir würden unseren Abschluss haben. Ich werde die meisten aus der Schule vermutlich nie wieder sehen. Mal abgesehen davon, dass ich viele davon nicht kennengelernt habe oder jemals mit ihnen ein Wort gewechselt habe. Wie auch, ich war schließlich »die Neue«.

Unfassbar, wie schnell die Zeit vergeht. Aber ich denke, ich bin bereit. Bereit, mit dem Teil in meinem Leben abzuschließen. Bereit, mit einem neuen anzufangen. Ich wusste zwar nicht, was mich alles erwarten wird, aber ich würde das tun, was mich glücklich macht.


Danke fürs Lesen. Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen. Über eure Meinung würde ich mich sehr freuen, also lasst gerne ein Kommentar oder ein Vote da. Lots of Love, Larissa <3

Wolfsmädchen - Im Schatten des WaldesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt