Kapitel 7

220 12 0
                                    

— Isalie —

Vier Wochen vergingen. Ich hatte mich hier mittlerweile schon richtig gut eingelebt. Ich fand es hier gar nicht mal so übel. Immer mal wieder tauchten Kindheitserinnerungen in mir auf, wo ich mich mit meinen Großeltern sah. Ich war glücklich und inzwischen lächelte ich, wenn ich über die Vergangenheit nachdachte... Ein großer Fortschritt für mich.

Der Wolf war in letzter Zeit nicht mehr aufgetaucht. Jedenfalls hatte ich es nicht bemerkt. Ich hatte die Begegnung für mich behalten... Vielleicht war sie wirklich nur ein Traum gewesen.

Kyra wurde zu einer richtig guten Freundin, der man auch Geheimnisse anvertrauen konnte. Ich habe sie meiner Mom vorgestellt und überraschenderweise findet sie Kyra auch ganz nett, was ebenfalls ein großer Schritt für meine Mom war. Ich glaube, sie reißt sich zusammen und versucht, sich zu freuen, dass ich eine gute Freundin gefunden hatte.

Lucian und ich hatten noch zwei weitere Kurse gemeinsam. Ich setzte mich jedes Mal zu ihm, was ihn nicht gestört hat. Wir verstehen uns von Tag zu Tag besser. Er macht es mir leichter, mit meiner derzeitigen Situation umzugehen. Ich fühle mich wohl in seiner Nähe. Wir lachten gemeinsam und lernten uns durch unsere regelmäßigen Unterhaltungen besser kennen. Er machte auf mich einen unfassbar netten Eindruck. Ich habe das Gefühl, dass ich beim ihm einfach Ich-Selbst sein kann. Ich muss mich nicht verstellen und ungewöhnlicherweise kann ich mich ihm gegenüber öffnen. Ich denke, dass aus dieser Verbindung eine großartige Freundschaft entstehen kann. Ich wünschte es mir jedenfalls.


Es war Freitag. Ein sehr bewölkter Tag, dennoch war er schön. Kyra war krank, weshalb ich die heutigen Pausen allein verbrachte. Ich brauchte einfach mal Zeit für mich. Ich saß auf der Tribüne im Stadion nicht weit vom großen Campus entfernt und schaute auf das leere Feld. Die Vögel zwitscherten und ab und zu liefen ein paar Schüler vorbei, um vom Haupt- zum Nebengebäude zu gelangen.

Plötzlich sah ich ihn. Und er sah mich. „Hey Isalie, schön dich zu sehen." Lucian stockte als er sah, dass ich allein war. „Oh, störe ich dich? Du wolltest bestimmt allein sein."

„Nein, ich meine ja, ich wollte allein sein, aber du störst mich nicht. Bitte setz dich." Seine Gegenwart konnte ich jetzt ehrlich gesagt wirklich gebrauchen. Bei ihm fühle ich mich immer so geborgen und sicher und selbst, wenn wir schwiegen, verstanden wir uns. Das Schweigen spricht, wenn Worte es nicht können.

Er setzte sich neben mich und begann zu essen. Nach einer Weile unterbrach er die Stille...

„Wie wäre es mit einem Gedankenaustausch? Ein Gedanke für einen anderen?"

„Hm, gerne.", antwortete ich ihm kauend. Ich schluckte mein Essen herunter und vertraute ihm meine Gedanken an... „Ich frage mich, ob das Schicksal ist. Das alles hier: mein Opa, meine Therapie, der Umzug, ich treffe Kyra und dann dich. Ich meine, ist das Schicksal? Will das Universum mir irgendetwas damit sagen oder passiert das alles aus einem dummen Zufall?"

„Ich denke an Schicksal. Irgendwann wird alles Sinn machen. Ich verspreche es dir. Überstehe die ganzen Verwirrungen und die Trauer. Blicke nach vorn. Sei stark und denk daran, alles hat einen Grund." Ich schaute ihm verständnisvoll in die Augen. „Du hast eine Therapie gemacht?"

„Ja, mein Opa war alles für mich. Mit seinem Tod ist eine Welt für mich zusammengebrochen. Ich war nicht mehr ich selbst. Ich konnte mit niemandem reden. Meine Mom hat sich verschlossen und viel Zeit mit Simon verbracht. Und eine beste Freundin hatte ich auch nicht zum Reden, also beschloss ich, mir professionelle Hilfe zu holen."

„Das war ziemlich stark von dir. Hat es dir geholfen?"

„Ja sehr. Mir ging es besser."

„Es ging dir besser? Ist es jetzt nicht mehr so?" Er wirkte neugierig.

Wolfsmädchen - Im Schatten des WaldesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt