Vierundzwanzig

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× Jonas ×

Schritte trampelten in der Ferne auf den Boden herum und weckten mich unsanft aus dem Schlaf. Die Schritte wurden immer mehr und jagten hektisch den Gang auf und ab. Gröllend drehte ich mich auf den Rücken und starrte zur Decke hoch.
Dienstagmorgen. Die Kinder machen sich gerade für die Schule fertig und die Erwachsenen für die Arbeit.

Manchmal liebe ich es im Packhaus zu schlafen und manchmal war es pure Qual. 13 Großfamilien leben konstant hier und einige sind ab und zu da. Die Bettdecke neben mir murrte auf und ich musste mir ein Grinsen verdrücken. "Blöder Dienstag, blöde laute Schritte, blöde Sonne die mir in die Augen scheint.", beschwerte sich das Etwas unter der Decke und zog diese noch weiter hoch. Schwungvoll stieß ich mich vom Bett und schlang einen Arm um sie, bevor sie noch weiter unter der Bettdecke versenken konnte.
"Guten Morgen.", säuselte ich ihr zu, während ich den Kopf in ihre Haaren steckte. "Hast du genauso gut geschlafen wie du riechst?" Lachend zog ich sie näher an mich und reiste mit meinem Kopf von ihren Haaren zu ihrer Halsbeuge. Über der leichten Bissspur an ihrem Hals drückte ich ihr einen Kuss auf. Über meine Markierung.

Sie hummte amüsiert auf und versuchte sich in meinem Griff zu mir umzudrehen. Das Licht der Sonne schien durch die Spalten der zugezogenen Jalousie genau auf sie drauf. Ein Strahl des Lichts lag quer über ihrem Gesicht, während sie mich mit großen Augen musterte. Meine Mate.
Meine Seelenverwandte.

Für einen Moment musste ich innehalten und mich versichern, dass ich nicht einen Fehler gemacht habe. Für den einen Moment sah ich plötzlich nicht meine Mate, sondern Hanna - meine Ex.

Ich sah Hannas rote Haare und ihre brauen Augen, die mich liebevoll musterten, wie sie es schon die ganzen 3 Jahre unserer Beziehung immer getan haben. Wie sie es wahrscheinlich heute noch tun würden, wenn ich nicht mit ihr von heute auf morgen Schluss gemacht hätte - weil ich meine Mate Sammy traf.

Hanna und ich waren 3 Jahre fest zusammen gewesen und wir hatten nur auf den Tag gewartet, an dem wir unsere Mates fanden. Hanna war meine Traumfrau gewesen - äußerlich und innerlich. Wir haben uns perfekt ergänzt und wir haben uns noch besser verstanden. Wir waren praktisch die Definition von zwei gleiche Seelen. Und wir waren beide Werwölfe. Ich hatte bereits alle Papiere fertig gehabt, sodass sie wann immer sie wollte in unser Rudel - oder besser gesagt in mein damaliges Rudel - wechseln konnte.

Aber dann kam der Tag, an dem ich zum dritten Mal zur praktischen Prüfung meines Führerscheins antreten musste und dort dieses Mädchen traf, das blondrotes Haar hatte und schrecklich nervös war. Sie war so unruhig, dass sie kaum ein Wort herausbrachte und glatt den ganzen Tag über links und rechts vertauschte. Sie und ich wurden vom Prüfer als letzte eingeteilt, sodass wir am längsten auf dem Übungsplatz warten mussten, bis wir den letzten Teil der Prüfung machen konnten. Wir kamen natürlich ins Reden und ich konnte vom ersten Moment an nicht ignorieren, wie intensiv gut sie roch.

Und als sie dann noch durch die Prüfung ratterte, stand ich neben ihr um sie zu trösten. Aus Trösten wurde dann mehr, weil wir nach und nach verstanden, wer wir waren. Wir waren Mates - nicht Hanna und ich. Sammy und ich.
An dem Tag habe ich Hanna betrogen und noch am selben Tag bin ich vor ihrer Tür gestanden und habe Schluss gemacht. Ich habe sie tränenüberströmt vor ihrem Wohnblock stehen gelassen und habe dannach ein Date mit Sammy vereinbart.

Ich konnte und durfte nicht meine Verbindung zu meiner Mate wegen Hanna gefährden, auch wenn ich sie drei Jahre geliebt habe. Ein Mateband war ewig.

"Jonas? Ist alles in Ordnung?", brachte mich Sammys Stimme wieder auf den Boden der Tatsachen. Besorgt hatte sie die Augenbrauen zusammengezogen und mich gemustert, während ich sie gedankenverloren angestarrt habe. Für den kurzen Moment, in dem ich in ihr Hanna gesehen hatte, hatte es mir die Sprache verschlagen.
Räuspernd riss ich mich zusammen. "Ja, alles okay. Ich musste mir nur etwas Zeit nehmen um die Schönheit meiner Freundin wertzuschätzen.", log ich sie lächelnd an.
Sie wickelte mir daraufhin geschmeichelnd die Arme um den Nacken und zog mich kichernd näher. "Ich hab einen Charmeur als Freund." Dem folgte ein Kuss, in den ich gerne versank. Sammy küsste besser als Hanna, dachte ich mir innerlich, während aus dem Kuss mehr wurde und eins zum anderen führte.

ᴡɪᴇ ʜᴇɪßᴛ ᴅᴇɪɴᴇ ᴡᴏ̈ʟғɪɴ? ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt