/Leo\
Ich hatte gedacht, dass das Wegziehen von Zuhause schwer sein wird und sich in einem fremden Land einzuleben Gewöhnungssache sein wird. Alles rund um Linns Versiegelung habe ich auf die leichte Schulter genommen und mir einfach geredet. Was war schon groß dabei einen Teilwolf in sich zu halten? Linns Eltern hatten eine Wolfsstimme schon jahrelang in sich gehalten und ihnen ging es super. Ich bildete mir ein, dass es nur Zeit bräuchte bis ich mich in der neuen Siedlung pudelwohl fühlte und mich die anderen akzeptierten.
Und ich hatte noch nie im meinem Leben so oft mit meinen Gedanken falsch gelegen. Zum Glück hatte ich nirgendwo gewettet ansonsten wäre ich jetzt schon unter einer Brücke leben.
Nach all den Fehltritten kam nun heute ein Tag, der alles ändern kann. Mein ganzes Leben.
Heute würde sich entscheiden ob ich einem Rudel wieder beitreten kann und wie ebendieses auf mich reagieren wird. Und mir ging es so schlimm wie noch nie.Die Tage nach Linns Versiegelung bin ich kaum zu Schlaf gekommen selbst als ich aus Verzweiflung zu Tabletten gegriffen habe. Immer wenn ich kurz vor dem Träumeparadis war, wachte Linns Wölfin voller Schadenfreude in mir auf, spielte in meinem Kopf herum, sandte mir blutige Bilder zu und redete so sehr auf mich ein, dass ich es kaum mehr in einem dunklen Zimmer aushalten konnte. Die erste Nacht in meinem alten Haus war... befreiend, aber ungewohnt - trotz allem habe ich sie durchgeschlafen wie ein Traum voller Zucker und Regenbögen. Linns Wölfin erklang nicht so laut und nervig in meinem Kopf, aber dennoch war das Haus totenstill. Papas altes Transistorradio - das anscheinend nicht wertvoll genug war, um es mit nach Dänemark zu nehmen - half dabei aus das Haus mit Lärm aufzufüllen. Abends, wenn die Nacht eintraf wurde es gruselig und dunkel. Vor allem weil es keinen in der Siedlung außer mich gab. Ich hatte gedacht, dass ich mich wie Kevin allein Zuhause fühlen werde, aber es kam mir eher so vor, als hätte mich jemand in einem alten, öden Altersheim abgeworfen, wo jeder jedem aus dem Weg geht, weil jeder jeden hasst. Mir war so langweilig, dass wenn ich gestern nicht gearbeitet hätte, ich nicht wüsste was ich mit meinem Leben anfangen sollte.
Dabei lebte ich gerade erst drei oder vier Tage wieder in meinem alten Haus. Doch was soll ich sagen. Ich hatte weder Strom noch Wasser und musste den Wald als Klo benutzen. Um ehrlich zu sein weiß ich nicht einmal wie und ob ich was alles anmelden muss geschweige denn wie viel sowas normalerweise kostet.Ich hasse jetzt schin den Papierkram, der auf mich wartete und die Behörden, die es kaum abwarten können mir meine letzten Nerven zu rauben und sich daran zu ernähren.
"Leo? Leo."
Ich schrak auf und schluckte gleichzeitig das Fleckchen Mut an, das ich in mir angesammelt habe, um nicht in dem Moment mich zu verwandeln und abzuhauen, indem mir Noahs Vater zuversichtlich anlächte, während er mich in das Packhaus lotzte. "Was ist?"
"Du sollst dich setzten.", sprach mir Noah genervt zu und stieß mich im Vorbeigehen mit der Schulter an. Jason folgte ihm laut gähnend und beide ließen sich völlig ruhig auf zwei nebeneinanderstehende Stühle fallen. Noahs Vater und sein Beta saßen schon neben den beiden und breiteten allerlei Zettel und Akten auf den Tisch vor sich aus. Ich bekam Angst.
"Ehm... setzten?", bekam ich gerade noch so heraus. Warum war hier die Luft so dünn? Dieser Besprechungsraum lag auf dem ersten Stockwerk und es gab noch ein paar über uns.
"Leo.", gröllte Noah genervt und musterte mich wie einen Idioten. Dann gestikulierte er mit der Hand auf die Mitte des Raumes. "Da ist ein Stuhl, der dir bestimmt keine schriftliche Einladung schicken wird."
"Oh." Unsicher ging ich auf ebendiesen Stuhl zu und musste eine Sekunde zu lange darüber nachdenken, wie man noch einmal sitzt."Okay, Leo.", begann Noahs Vater zu reden. Er schien im Gegensatz zu mir total ruhig und gegenteilig von Noah nett. Auf seinen Lippen lag ein kleines Lächeln, dass beinahe schon so schien, als ob er mich im Rudel haben will. "Wenn du nichts dgegen hast, dann nehmen wir das Gespräch mit einem Diktiergerät auf für das spätere Protokoll."
Ich nickte übereilig. Die dumme Angst kroch in mir hoch, dass wenn ich 'nein' sagte, sie mich gleoch hochkant aus dem Fenster werfen und aus dem Wald verbannen.
"Gut. Dann fangen wir mal an."
Und ich wechselte meine Sitzposition. Dieser Stuhl fühlte sich an wie ein Foltergerät. "Deinen Namen, bitte." Noahs Vater und sein Beta sahen in ihre Akten und um ehrlich zu sein schienen sie mir als einzige zu dieser Besprächung vorbereitet zu sein. Noah und Jason saßen nur locker auf ihren Stühlen, lehnte halb auf dem Tisch vor ihnen und starrten mir durch meine Seele.
Ich schluckte. "Leo.", sprach ich sicher.
"Dein ganzer Name.", wiederholte Noah unbeteiligt.
"Oh." Ich Idiot. "Leo Durmberg."
Aus Jason brach Kichern aus und er musste sich lachend aufrichten. "Warte, jetzt wirklich?"
Habe ich was falsches gesagt? Mit aller Kraft musste ich mich davon abhalten in meine Tasche zu greifen und auf meinem Ausweis nachzulesen, ob ich nicht meinen Namen vergessen habe.
"Sei leise, Namar.", gröllte ihm Noah genervt zurück.

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ᴡɪᴇ ʜᴇɪßᴛ ᴅᴇɪɴᴇ ᴡᴏ̈ʟғɪɴ? ✔️
Manusia SerigalaDas Drama um Linn und Noah scheint sich immer wieder im Kreis zu drehen. Ihre Freunde machen sich auf die Suche nach Antworten, warum Linns Zustand sich rapide verschlechtert und sie plötzlich verschwindet und warum Noah kälter und verschwiegener d...