Dreiunddreißig

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/Leo\

"Mann?", versuchte sie es und band sich lächelnd die Haare hoch.
Ich gröllte genervt auf. "Ja und du?"
Linn grinste und ich wollte den Kopf gegen den Tisch schlagen. "Ne... eine Kappe?"
"Ja... Braune Haare?", riet ich und versuchte die Verzweiflung in mir klein zu halten.
"Nop.", grinste Linn über das ganze Gesicht. Manchmal hasste ich sie. Genauer gesagt in Momenten wie diesen. Mit einem schmierigen Ausdruck auf dem Gesicht sah sie mir genau in die Augen. Warum konnte ich nicht einfach gehen? "Blonde Haare?", sprach sie in einem Tonfall, der mich vor Spott nur so verschmähte.
"Ja." Wieder erklang dieses verfluchte plastische Klackern ihrerseits und ich griff zu meinem Kaffee. Dieses verrücktmachende Geräusch tue ich mir jetzt schon unfreiwillig über eine halbe Stunde an. Ich werde noch durchdrehen. "Dunkle Augen?", riet ich ratlos und starrte auf die Bilder vor mir.
"Nope, aber ich weiß, dass du Joe bist."

Genervt schob ich das Spiel so sehr von mir weg, dass es vom Tisch fiel. "Okay, ich glaube das war genug Beweis." Ich hätte Isabella oder Tom nach etwas stärkerem als Kaffee fragen sollen. "Wer warst du?", fragte ich Linn schlechtgelaunt.
"Anita."
"Du warst die letzte Runde schon Anita!", rief ich empört und richtete mich auf. Ihr Vater lachte nur hinter mir.
"Und du hast es die letzte Runde schon nicht herausgefunden.", meinte Linns Mutter und drückte ihr einen Kuss auf den Haaransatz.
"Warum musste ich eigentlich gegen sie 'Wer ist es?' spielen? Über eine halbe Stunde lang?", murmelte ich schlechtgelaunt in die Runde und lehnte mich zurück. Linn kicherte nur.
Ihr Vater griff an mir vorbei zu einer Birne, die in der Obstschale auf dem Wohnzimmertisch lag. "Du hast bei Schere-Stein-Papier verloren.", meinte er gleichgültig und biss rein.

Und für diese Blamage von 23 verlorenen Spielen habe ich heute die ganze Früh lang dieses schreckliche Spiel auf Flohmärkten gesucht. "Wozu soll das jetzt genau gut sein? Linn ist gut bei 'Wer ist es?', aber das testet noch immer nicht ihre Grenzen und ob ihre Sicht wirklich zurückgekommen ist."
"Doch.", nickte Linn bestätigend und zog ihre Knie an sich. "Als ich keine Gesichter sehen konnte, habe ich auch keine gezeichneten Gesichter oder Fotos erkennen können. Jetzt schon." Und um mich wieder meine schlimmste Niederlage allerzeiten, die keine drei Minuten her war, zu erinnern hob sie das Bild von Anita aus dem Spiel hoch.
"Ich hasse dich.", murmelte ich genervt und meinte es nur halb so gemein, wie es klang.
"Nein, du hasst es nicht zu gewinnen.", grinste sie siegessicher.
"Jetzt bin ich mir sicher, dass ich dich hasse."

Linns Mutter räusperte sich. "Das Spiel sollte dazu dienen zu schauen, ob Linn mehrere oder nur bestimmte Gesichter wieder sehen kann oder nur ausgewählte Merkmale." Klar. Weil das Spiel auch so viel Auswahl und Unterschiede in den Bildern hatte. Als ob. "Außerdem haben wir Linns Gesichtsausdrücke und den Fokus ihrer Augen beobachtet, während ihr gespielt habt. Unsere Erkenntnis ist, dass sie definitiv dein Gesicht, deine Reaktionen und deine Emotionen erkennen konnte." Tom nickte zwischen seinen Bissen.
"Das konntet ihr nicht nach den ersten zehn Runden ausmachen?", quengelte ich genervt. Ich werde nie dieses Klackern mehr aus meinen Ohren bekommen. Es ist schlimmer als damals als wir Kinder waren.
"Wir wollten sichergehen, dass es nicht nur kurzzeitige Schübe sind oder es nachlässt, aber dem scheint nicht so.", fügte Isabella bei.
"Außerdem hatte ich gehofft, dass du zumindestens eine Runde gewinnst.", versuchte mich Tom aufzuheitern, aber ich wank es müde ab.

Schlafprobleme waren meinem Leid wohl noch nicht ausreichend genug. Mein Handy piepte einmal hoch auf und ich nahm es hoffnungsvoll in die Hand. Das war das Signal, dass ich eine Email bekommen habe und mit etwas Glück war es eine gute.
Sehr geehrter Herr- Den Anfang übersprang ich und starrte gleich neugierig zum Fließtext hinab. Wir bedanken uns herzlichst für Ihr Interesse an einer Mitarbeit in unserem Unternehmen und für die Mühe, die Sie sich mit Ihrer Bewerbung gemacht haben. Aufgrund der Tatsache, dass wir eine Vielzahl an Bewerbungen erhalten, fällt es uns schwer eine Entscheidung zu treffen. Blablabla ich sprang bis zum nächsten Absatz. Wir bedauern Ihnen keine bessere Nachricht übermitteln zu können-

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