Ein bedeutendes Geschenk

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Natalia beugt sich nach unten und streicht sanft über die zerbrechlichen Köpfe der gelben Narzissen. Ein frischer, blumiger Duft strömt ihr in die Nase, was ihr ein sanftes Lächeln auf das Gesicht zaubert. „Du scheinst diese Zierblume wirklich sehr zu mögen." Da hebt die Farmerin überrascht den Blick und sieht ihn an. „...Du?" Sie legt den Kopf schief und mustert ihn verwirrt. Sein blondes Haar weht wie seidiges Gold sanft hin und her. Schließlich fängt er an um sie herumzugehen und von allen Seiten her zu begutachten. „Erzähl mir von deiner Farm", fordert er sie dazu auf. „...Wie bitte...?" Natalia wirkt ein bisschen verunsichert und unbeholfen, doch dann kommt sie seiner Bitte nach. „Verstehe. Dann ist es also noch ein Stück unberührtes Land." Seine grünen Augen funkeln wie Edelsteine im Sonnenlicht. Irgendwie erinnern sie Natalia an jemanden. „Was ist denn los? Du wirkst auf einmal etwas durchweicht", sagt er. Die Farmerin faltet ihre Hände vor dem Bauch und lächelt etwas schüchtern. „Du hast mir einmal deinen Namen gesagt. Aber leider habe ich ihn vergessen." Nun strahlt sie wieder voller Freude. „Bitte sag mir nochmal deinen Namen." Schweigend grinst er sie an und kommt näher. „Ich heiße..." Als er den ersten Buchstaben ausgesprochen hat, reißt Natalia die Augen auf und sieht sich verwirrt in ihrem Schlafzimmer um. Die vertraute Wärme und der altbekannte Geruch von Estarossa tröstet sie sofort wieder. Sie hat nicht einmal mitbekommen, wann er nach Hause gekommen ist. Sanft schmiegt sie sich an ihn und seufzt einmal glücklich. „Du bist doch wieder zurückgekommen..." Da schließt Natalia die Augen, um noch ein bisschen vor sich her zu dösen.

Eine Stunde später ist die Farmerin dann aufgestanden, um wie jeden Morgen das Frühstück für ihre Kinder herzurichten. Keine fünf Minuten später, rumpelt es in der oberen Etage und Xander klebt an seiner Mutter. Wenn sie sein Gesicht sieht, geht in ihr die Sonne auf. „Mein kleiner Liebling." Sie geht auf die Knie und verwöhnt ihren Sohn mit Küssen. Inzwischen ist der Halbdämon zu schwer für sie geworden. Doch sein Vater kann ihn noch problemlos hochheben. „Haben du und Papa auch Spaß gehabt?" Sofort nickt er, was seine Mutter zum lachen bringt. „Später könnt ihr mir alles erzählen." Nun steht sie wieder auf und streicht ihm durch sein silbernes Haar. „Setz dich, mein Schatz. Ich mach dir Eier und Speck zum Frühstück." Nur eine kurze Zeit später kommt Zeldris herunter. An ihm klebt Anunnaki, die noch einen schläfrigen Eindruck macht. „Morgen...", brummt der Dämon nicht gerade fröhlich. Als die kleine Halbdämonin ihre Mutter erblickt, ist sie auf einmal hellwach und will von ihr auf den Arm genommen werden. „Guten Morgen, Zeldris." Natalia nimmt ihre Tochter auf den Arm und verwöhnt auch sie mit ein paar Küssen. „Setz dich doch. Ich bring dir gleich etwas zu essen", sagt sie. Geschickt hat die Farmerin ihre Kleine auf einem Arm und mit dem anderen bereitet sie das Frühstück für ihren Sohn zu. Manchmal ist es nicht einfach, gleichzeitig Mutter und Hausfrau zu sein. „Daddy!" Anunnaki quietscht laut auf, als ihr Papa leise die Treppe herunterkommt und sie sofort auf den Arm nimmt. Estarossa drückt sie liebevoll an sich und schmust erstmal ein paar Minuten mit ihr. Sein markant, männliches Gesicht löst in Natalia immer starke Gefühle aus. „Du bist heute aber bald auf, habe ich dich aufgeweckt?" Doch der Dämon schüttelt den Kopf. „Nein, alles in Ordnung. Ich habe es nur nicht mehr ohne dich ausgehalten." Estarossa grinst, während Natalia hochrot anläuft.

Nachdem Xander sein Frühstück aufgegessen hat, kann er es einfach nicht mehr abwarten und will seiner Mama ihr Geschenk geben. „Ich hab ein Geschenk für dich, Mama." Er grinst sie mit seinen lückenhaften Zähnen an und tatsächlich legt sie den Kopf schief. Sie geht auf die Knie herunter und lächelt ihn liebevoll an. „Hast du denn wirklich dein Taschengeld nicht für dich selbst ausgegeben?" Alleine das strahlende Gesicht ihres Sohnes ist ihr Geschenk genug. Schon seid er aufgestanden ist, konnte er diesen Moment kaum noch abwarten und flitzt schnell in sein Zimmer, um die kleine Schachtel zu holen. Natalia wartet einen Augenblick und nimmt dann das lieb verpackte Geschenk entgegen. „...Estarossa?" Ihre sonst so sanfte Stimme hat an Schärfe zugenommen, woraufhin der Dämon in schallendes Gelächter ausbricht. „Es war seine eigene Entscheidung. Ich habe damit absolut nichts zu tun", verteidigt er sich. Da nimmt ihr Gesicht wieder diese sanfte Mimik an, während sie sorgfältig und vorsichtig das Papier um das kleine Geschenk entfernt. Schließlich öffnet sie diese und eine kleine Geste hat eine große Wirkung. Die Farmerin schaut die zwei Ohrringe einen Moment lang einfach nur an. Auf einmal hat Xander Angst, dass seiner Mutter sein Geschenk nicht gefällt. „...Mama...?" Ohne ein Wort zu sagen, legt sie die Schachtel zur Seite und drückt ihr Kind voller Liebe an sich. „Ich danke dir, mein Schatz. Das ist ein wunderschönes Geschenk. Ich habe mir schon solange ein paar Ohrringe gewünscht." Ein paar Tränen laufen ihr über die Wangen. „Ich hab dich lieb, Xander." Nun erwidert der Junge ihre Umarmung und schmiegt sich an sie. „Ich hab dich auch lieb, Mama." Sie gibt ihm einen Kuss und löst die Umarmung wieder. „Waren diese Ohrringe denn nicht teuer?" Für einen Moment macht sie sich Sorgen, dass Xander ein kleiner Dieb geworden ist und sie blickt seinen Vater durchdringend an. Estarossa kratzt sich am Kopf. „Eigentlich waren sie wirklich teuer. Allerdings hat der Händler ihm die Ohrringe dann viel günstiger gegeben, nachdem er das enttäuschte Gesicht von dem Bengel gesehen hat. Du hättest echt mal seine Schnute sehen müssen, die er gemacht hat."

Nun muss Natalia doch einmal herzlich auflachen. „Es gibt eben doch noch gute Menschen auf dieser Welt. Ich muss jetzt aber schnell auf die Weide. Die Schafe werden sonst nervös.." Bevor sie geht, zieht Xander an ihrem Rock. „Darf ich dir ein bisschen helfen, Mama?" Sie nickt. Ihr Sohn ist wirklich ein guter Junge. „Natürlich darfst du das. Wir können dann zusammen die Eier einsammeln gehen." Ihr Blick fällt nochmal auf Estarossa. „Kannst du Anunnaki bitte Frühstück zubereiten?" Er nickt. „Kein Problem." Seiner Tochter muss er Fleisch noch schmackhaft machen. Zeldris kaut ein paar Minuten später auf einer Leber herum und kommt dann auch auf die Weide. Und es ist kein Zufall, dass er zum Hühnerstall geht, wo die Farmerin und ihr Sohn gerade die Eier aufsammeln. Natalia wirft ihm einen freundlichen Blick zu. „Ich weiß warum du hier bist", sagt sie. „Umso besser, dann muss ich mich nicht von hinten anschleichen", grinst er und verschlingt ein paar Eier. Auf einmal kommt Natalia wieder das Gesicht des blonden, jungen Mannes ins Gedächtnis zurück. Wenn sie Zeldris so ansieht, dann kann sie zu ihm eine starke Ähnlichkeit erkennen. Noch immer kann sie sich nicht erklären, warum sie immer wieder von der selben Person träumt. Vielleicht sollte sie einfach mal mit Estarossa darüber reden.

Für Xander ist es ein ganz normaler Tag gewesen. Er hat viel mit Bruno gespielt, hat mit Molly geschmust und ist am Nachmittag auf dem Schoß seines Urgroßvaters eingeschlafen. Kurz vor dem Abendessen legt Hannah den Kopf schief und sieht die Treppe nach oben. „Was macht sie denn solange da oben?" Gerade will ihre Kindheitsfreundin nach oben gehen, als die Farmerin in die Küche kommt. „Entschuldigt bitte, dass es solange gedauert hat." Natalia setzt ein schönes Lächeln auf und kann den Schmerz in ihrem Gesicht dennoch nicht verbergen. Zeldris kann genau riechen, dass sie Tränen in den Augen hatte. Doch auf einmal leuchten die kleinen Kinderaugen von Xander auf. „Mama...deine Ohren..." In ihren Läppchen hängen die Ohrringe mit dem Sonnen und dem Mondanhängern. Die Stichkanäle sind mit Pflastern abgeklebt, damit kein Schmutz in die frische Wunde kommt und sich entzündet. Estarossa hat ihr dabei geholfen, mit einer sterilen Nadel Löcher für den Ohrschmuck zu schaffen. „Tut es noch sehr weh?" Sie schüttelt den Kopf. „Es brennt noch ein bisschen, ansonsten geht es mir gut. Keine Sorge." Der Dämon mustert sie einmal argwöhnisch und wird sie die nächste Zeit noch beobachten. Doch nun isst sie erst einmal zu Abend und fällt danach gleich der Müdigkeit zum Opfer. „Weißt du, Natalia...ich denke, dass du die nächsten Tage eher ins Bett gehen solltest. Sonst könnte unser Ausflug ins Wasser fallen." Verwirrt blinzelt sie einmal und sieht ihn dann an. „...Ausflug...? Wie meinst du das?" Jetzt ist der perfekte Moment gekommen, damit Estarossa ihr sein Geschenk gibt. Also greift er in seinen Mantel und zückt zwei Eintrittskarten hervor, die er ihr sogleich hinhält. „...Oh...?" Auf einmal werden ihre Augen glasig, als sie dieses für sie wertvolle Geschenkt erblickt. „...Tickets für das Windfest..."

Sie nimmt sie in die Hand und lächelt einmal überglücklich. „Estarossa, das ist so lieb von dir. Aber..." Da nimmt ihr Gesicht eine enttäuschte Mimik an. „Ich kann nicht auf das Fest gehen...ich muss arbeiten..." Mit dieser Reaktion hat der Dämon schon gerechnet. Aber er wird nicht locker lassen, bis sie dazu nachgibt und Ja gesagt hat. Umso überraschter ist er dann, als sich plötzlich Hannah in das Gespräch einmischt. „Darüber solltest du dir mal keine Sorgen machen, Natalia. Das Smaragdäugchen und ich werden deine Pflichten übernehmen. Du musst dich auch einmal amüsieren." Die Farmerin schaut ihre Freundin überrascht an. „Aber..." Doch Hannah schneidet ihr das Wort ab. „Nichts mit aber. Du und das Silberlöckchen werdet zusammen auf das Windfest gehen. Du kannst nicht immer nur arbeiten, also nutze die Chance." Hannahs Worte haben Gewicht und scheinen Natalia sehr zu beeindrucken. Sie scheint darüber nachzudenken und seufzt dann einmal schwer. „Und das ist wirklich in Ordnung für euch? Ich will meine Arbeit auf niemanden abwälzen." Da lacht ihre Kindheitsfreundin und legt ihr eine Hand auf die Schulter. „Sonst würden wir es dir nicht anbieten." Da zuckt Zeldris einmal mit der Augenbraue und räuspert sich. „Was meinst du mit wir?" Hannah wirft ihm einen zerstörerischen Blick zu. „Halt gefälligst die Klappe, Doofnuss. Du kannst auch einmal für sie etwas tun, wenn du hier schon umsonst wohnst und dich Tag für Tag dreist bei ihr durchfrisst." Total perplex über diese Ansage, grunzt Zeldris nur einmal unzufrieden. „Meinetwegen", brummt er. Schließlich muss Natalia einmal herzlich auflachen und bekommt rote Wangen. „Einverstanden", sagt sie und lächelt. „...Danke für dieses schöne Geschenk, Estarossa. Lass uns zusammen auf das Windfest gehen."


Mein Freund, der DämonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt