Die Sonne scheint. Bruno wedelt mit dem Schwanz und wartet darauf, dass Xander endlich das Stöckchen wirft. Er holt aus und das Spielzeug fliegt durch die Luft. Mit heraushängender Zunge, prescht der kluge Bernhardiner hinterher und fängt das Stöckchen auf, um es seinem Freund wieder zurückzubringen. „Das hast du gut gemacht, Bruno. Du bist einfach der Beste." Der junge Halbdämon nimmt ihm sein Spielzeug ab und wirft es erneut weg. Und auch diesmal rennt der brave Hund hinterher. „Hallo, mein Kleiner. Ist das dein Hund?" Xander reißt die Augen auf und wirbelt erschrocken herum. Er schaut in ein smaragdgrünes Augenpaar. Plötzlich wird er ganz still und klammert sich an Bruno, der inzwischen wieder zurückgekommen ist und versteckt sich hinter ihm. Sofort schmiegt er seinen Kopf an Xander und will mit ihm schmusen. Nun geht sein Besucher in die Hocke und lächelt den Jungen an. „Ein schönes Tier ist dein Hund. Wie heißt er denn?" Noch immer schaut der kleine Halbdämon ihn an und versteckt sich weiter hinter seinem Freund. „Meine Mama sagt, dass ich nicht mit Fremden sprechen soll", antwortet Xander nun leise. „Und das ist auch richtig so. Aber lass mich dir ein Geheimnis verraten. Ich kenne deine Mutter." Nun schaut er ihn misstrauisch an und überlegt, ob er die Wahrheit sagt oder nicht. „Ich kann verstehen, dass du mir nicht vertraust. Dabei hast du eigentlich keinen Grund dazu, Xander." Nun reißt er ängstlich die Augen weit auf und geht nochmal ein Stück mehr auf Abstand. Dabei fällt ihm gar nicht auf, dass Bruno auf seinen fremden Besucher gar nicht reagiert. „Überrascht, dass ich deinen Namen kenne? Ich habe dir doch gesagt, dass ich deine Mutter kenne. Und ich weiß auch, dass du eine kleine Schwester hast." Nun schließt er für einen Moment die Augen und lächelt ihn freundlich an. „Möchtest du auch meinen Namen wissen?" Der Junge zögert, doch dann nickt er auf seine Frage. Langsam kommt er näher und flüstert ihm etwas ins Ohr. „Ich heiße..."
Xander fängt an wild zu zappeln und fällt dabei beinahe aus dem Bett. „Papa! Papa! Da ist ein gruseliger Mann in meinem Zimmer." Estarossa schießt aus dem Bett und rennt sofort in das Kinderzimmer und schaltet das Licht an. „Xander, was ist passiert?" Sein Sohn ist total verstört und weint ziemlich heftig. „Papa..." Er krabbelt aus dem Bett und klammert sich an ihn. Da nimmt er Xander erstmal auf den Arm und setzt sich mit ihm auf sein Bett. Nun kommt auch Natalia zu ihm und ist ganz blass vor Sorge geworden. Sie drückt ihn einmal liebevoll an sich. „Mama...", schluchzt er leise. Sie wischt ihm erstmal die Tränen aus dem Gesicht. „Was ist denn los, mein Schatz? Du bist ja ganz verweint." Die Nähe seines Vaters beruhigt ihn allmählich wieder und er kuschelt sich an ihn. „Da war ein gruseliger Mann bei mir, Mama. Er sah aus wie Onkel Zeldris. Nur, dass seine Haare blond und nicht schwarz waren." Natalia und Estarossa tauschen einen Blick miteinander. Und dem Dämon überkommt ein eindeutiger Verdacht. Dennoch hält er es für besser nichts zu sagen. „Jetzt ist alles wieder gut, Junge. Der gruselige Mann kommt bestimmt nicht wieder", tröstet sein Vater ihn. „Und was, wenn er doch wieder kommt?", fragt Xander kleinlaut. „Dann reiß ich ihm den Kopf ab." Das scheint ihn tatsächlich etwas zu trösten, denn nun lächelt er wieder. „Darf ich den Rest der Nacht bei euch schlafen?" Die Farmerin nickt und gibt ihm einen Kuss auf die Stirn. „Ja, mein Schatz. Darfst du." Wo sich Anunnaki wieder hin geschlichen hat, braucht sie gar nicht nachzudenken. Natalia linst kurz in das zweite Schlafzimmer und sieht ihre Tochter an, wie sie zwischen Hannah und Zeldris schläft. Daraufhin lächelt sie einmal sanft und kehrt nun in ihr eigenes Bett zurück. Sofort kuschelt sich ihr Sohn an sie und schmiegt sein Gesicht in ihre weichen Brüste. Zwischen seinen Eltern fühlt sich Xander beschützt und sicher, woraufhin er auch bald wieder eingeschlafen ist.
Durch den nächtlichen Zwischenfall schläft der junge Halbdämon am nächsten Morgen länger als sonst. Normal wacht er in der Nacht nicht auf, doch dieser seltsame Traum hat ihn so erschreckt, dass er sogar beinahe aus dem Bett gefallen wäre. Xander reibt sich müde die Augen und blickt sich im Schlafzimmer um. Seine Eltern sind nicht da. Bestimmt sind sie schon draußen auf der Weide und arbeiten. Also flitzt er die Treppe nach unten in die Küche, um dort sein Frühstück auf dem Tisch vorzufinden. Xander ist wirklich glücklich, eine solch liebevolle Mutter zu haben. Natalia liebt ihre beiden Kinder wirklich über alles und würde alles für sie tun. Brav setzt er sich an den Tisch und isst sein Frühstück auf. „Guten Morgen, mein Schatz." Sofort schießt der Junge auf und rennt zu ihr. „Hallo, Mama", sagt er glücklich. Sie geht auf die Knie und nimmt ihn in den Arm und drückt ihn zärtlich an sich. „Hast du den Rest der Nacht gut geschlafen?" Er nickt und will sie gar nicht mehr loslassen. Xander ist in den letzten Monaten wirklich groß geworden. Er kommt mit Sicherheit nach seinem Vater und schießt in die Höhe. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit lässt er sie wieder los. „Wo ist denn Papa?" Sie lächelt ihn an. „Papa ist draußen auf dem Feld das Korn ernten." Ihr Sohn schaut sie mit großen Augen an. „Kann ich ihm helfen gehen?" Da muss sie lachen. „Geh ihn doch mal fragen." Xander grinst und gibt seiner Mama einen Kuss, bevor er das Haus verlässt und zu seinem Vater auf das Kornfeld flitzt. „Papa!" Estarossa hebt den Kopf und hält mit der Sense inne. „Morgen, du Bengel. Gut geschlafen?" Sofort schiebt er einen Schmollmund vor. „Ich bin kein Bengel. Mama sagt ich bin ein braves Kind." Darauf schmunzelt der Dämon einmal. „Tatsächlich? Das musst du mir erst einmal beweisen." Er legt die Sense zur Seite und streckt die Arme aus. „Na los, wenn du ein paar Klimmzüge schaffst, akzeptiere ich, dass du kein Bengel mehr bist." Nun starrt er ihn mit riesengroßen Glubschaugen an. Und nachdem sein Vater ihm erklärt hat was das ist, hängt er sich an seine Unterarme und versucht sich an ihnen hochzuziehen. „Ganze dreimal, ich bin beeindruckt. Also gut. Ab sofort heißt du nicht mehr Bengel, sondern Grünschnabel." Der Blick von Xander ist wirklich ein Anblick für die Götter. Darauf muss Estarossa erstmal kräftig lachen. „Ich mache nur Spaß." Liebevoll wuschelt er ihm durch die Haare und nimmt seine Sense wieder zur Hand.
Der Nachmittag ist hereingebrochen. Nachdem Xander seinem Papa fleißig auf dem Feld geholfen hat, sitzt er auf einer hübschen Decke und hat zur Belohnung einen Hühnerschenkel bekommen. Er reißt das Fleisch von den Knochen, so wie sein Vater es ihm beigebracht hat. Anunnaki hingegen knabbert an einem schönen, saftigen Apfel herum. Estarossa hat zwar versucht sie zum Fleisch essen zu bewegen, doch die kleine Halbdämonin hat ihm frech die Zunge raus gestreckt. Vielleicht schadet das ihrem Organismus auch nicht, immerhin ist sie zur Hälfte auch ein Mensch. „Willst du mir vielleicht was sagen, Goldfasan?" Hannah starrt ihn schon eine ganze Weile an, während er seinen Kopf in den Schoß von Natalia gebettet hat und sie ihm immer wieder ein Fleischbröckchen in den Mund steckt. „Das hast du nicht umsonst gemacht, Silberlöckchen." Seit sie den Ring am Finger ihrer besten Freundin entdeckt hat, knurrt sie das jeden Tag vor sich her. Nun dreht Estarossa den Kopf ein wenig und schaut sie direkt an. „Hannah, meine Beste. Wenn du sonst keine Probleme hast, dann bin ich ja beruhigt. Wieso gehst du nicht mit Zeldris in den Wald und ihr beide schiebt mal ne heiße Nummer?" Es ist äußerst selten, dass er sie beim Namen nennt. Unbeeindruckt öffnet sein jüngerer Bruder ein Auge, schielt genervt zu ihm, während sich das Gesicht von Hannah feuerrot färbt. „Du elendiger, verdammter Bastard! Wenn du nicht auf Natalias Schoß liegen würdest, hätte ich dir gnadenlos die Augen aus dem Schädel gestochen", faucht sie ihn an. Darauf bricht der Dämon in schallendes Gelächter aus. „Du weißt aber schon, dass die wieder nachwachsen, oder?" Nun schaut Hannah ihn richtig dumm an. Mit dieser Antwort hat sie wirklich nicht gerechnet. „Du lügst doch. Das ist völlig unmöglich." Estarossa richtet sich auf und schaut zu seinen Kindern. „Geht doch mal einen Moment mit Bruno und Molly spielen." Die beiden tauschen einen Blick, stehen auf und spielen mit den Haustieren.
Natalia wird bleich um die Nase. Sie macht sich Sorgen, dass ihr Dämon etwas dummes tut. Ohne Vorwarnung, beißt sich Estarossa den kleinen Finger ab. Die Farmerin gibt einen entsetzten Laut von sich, während Hannah fast das Mittagessen wieder rauskommt. Dickes, dunkelrotes Blut fließt aus der Wunde. Doch nach nur wenigen Sekunden fängt es an zu gerinnen und färbt sich schwarz. Ein neuer Knochen bildet sich. Fleisch, Muskeln und Sehnen umschmeicheln ihn und ein neuer Finger ist wieder an seiner Hand, als ob absolut nichts passiert wäre. „Na? Beweis genug, Hühnerbeinchen?" Er grinst sie an, während sie ungläubig auf seinen Finger starrt. „Solange ein Dämonenkörper mit solchen Verletzungen fertig wird, regenerieren wir uns in wenigen Minuten wieder." Die schlimmen Verbrennungen von damals sind da ein ganz anderer Schlag gewesen. Da ist selbst der alte Johann erstaunt. Und er hat wirklich schon viel in seinem Leben gesehen. Seit er nicht mehr auf der Farm arbeitet, hat sich seine Gesundheit wieder deutlich verbessert. „Das ist krank, Silberlöckchen. Einfach nur ekelhaft und krank." Er legt seinen Kopf in den Schoß von Natalia zurück. „Oder du bist einfach nur neidisch, dass du sowas cooles nicht kannst." Sofort will Hannah ihm wieder mit schneidender Zunge ein Gegenargument ins Gesicht spucken. Doch nun erhebt sich Zeldris schwerfällig, dreht sich zu ihr um und lässt seinen Kopf in ihren Schoß sinken. Sofort schießt ihr eine sichtbare Röte ins Gesicht. „Was fällt dir ein, Smaragdäugchen? Nimm sofort deinen schwarzhaarigen Schädel von mir, oder es knallt." Zeldris ignoriert sie. Heute ist er ziemlich faul und döst wieder leicht vor sich her. „Smaragdäugchen!" Sie tippt ihn sogar an und noch immer zeigt er ihr die kalte Schulter. Hannah stöhnt genervt. Schließlich gibt sie es auf und legt ihre Hand in seinen Nacken. „Da hast du es. Du magst ihn also doch", stichelt Estarossa.
Die folgende Nacht ist für Natalia sehr ereignisreich. Verunsichert, schaut sie sich auf dem dunklen Feld der Narzissen um. „Wieso ist es so dunkel?" Ein kalter Wind kommt auf und haucht ihr eine unangenehme Gänsehaut auf. Ein greller Blitz zuckt vom Himmel und lautes Donnergrollen lehrt ihr das fürchten. Eine unnatürliche Angst kriecht ihr über den Rücken. Sie schreit laut auf, als sie plötzlich von hinten gepackt und herumgerissen wird. Beinahe hätte sie seine grünen Augen in der Düsternis nicht erkannt. Er lässt ihr keine Zeit um Fragen zu stellen, sondern packt sie grob an den Schultern. „Hüte dich vor dem Feind, der zu schlafen scheint." Sein harter Griff schüttelt sie regelrecht, sodass ihr kurzerhand schwindelig wird. Natalia umfasst seine Handgelenke und stöhnt einmal hilflos. „Lass mich...du tust mir weh..." Doch sein Griff löst sich nicht, wird nur noch fester. „Der Feind, der zu schlafen scheint. Hüte dich vor ihm", schreit er sie schon regelrecht an. Langsam verdunkelt sich ihre klare Sicht. Natalia hat das Gefühl, dass eine unbekannte Macht ihr die Luft abschnürt. Der Boden unter ihr löst sich auf und sie fällt schreiend in ein unendlich tiefes Loch. „Der Feind...er wird dich töten, wenn du nicht aufpasst." Sie fällt immer weiter nach unten, streckt die Hand nach ihm aus und schreckt nun schreiend nach oben. Der Farmerin steht der Schweiß auf der Stirn. Sie keucht schwer, ihre Augen sind weit aufgerissen und erst der warme Körper von Estarossa beruhigt ihren Herzschlag wieder. „Natalia..." Er legt einen Arm um sie und drückt sie schützend an sich. „Schon wieder...", presst sie erschöpft hervor. „Ich hab schon wieder von ihm geträumt. Warum...warum nur...träume ich immer wieder von ihm?" Der Dämon ist sich nun sicher, von wem sie spricht. Auch wenn sie nicht in der Lage ist, seinen Namen auszusprechen. „Er ist ein Traumwandler. Es muss einen Grund geben, warum er dich immer wieder aufsucht." Nur das 'warum' ist noch ungeklärt.
Eine Woche später, hat Natalia diesen äußerst bizarren Traum beinahe wieder vergessen. Der Herbst ist dabei ins Land zu ziehen und langsam wird es Zeit für die Apfelernte. Ein großer, alter Apfelbaum hängt dieses Jahr besonders voller Früchte. So viele, dass um den Stamm herum ganz schön viel Fallobst herumliegt. Die Farmerin ist dabei es aufzusammeln und an die Schweine zu verfüttern. Immerhin kann sie diese Früchte nicht mehr verwenden. Sie schaut einmal nach oben und da fällt ihr auf, wie groß und alt dieser Baum schon ist. Die majestätische Pflanze zählt bestimmt schon ein Jahrhundert. Es ist bestimmt großartig, zwischen Himmel und Erde zu sein. Natalia lächelt und kümmert sich wieder um das herumliegende Fallobst. Es knackt und ein kleiner, toter Ast fällt aus der Krone des mächtigen Apfelbaumes. Sie hebt ihn auf und schaut ihn sich an. Auf einmal bekommt sie eine enorme Gänsehaut. Ungewollt, schießen ihr die ausgesprochenen Worte durch den Kopf. Immer und immer wieder. Hüte dich vor dem Feind, der zu schlafen scheint. Nun hebt Estarossa den Kopf, der gerade eben noch die letzten Eier ins Haus tragen will. Er lässt den Korb fallen, sprintet los. Doch sein warnender Schrei erreicht sie zu spät. Die Farmerin schaut nach oben, als sie das laute Knacken hört. Ein gigantischer, toter Ast ist abgebrochen, stürzt schwer in die Tiefe und droht sie zu erschlagen. Er wird dich töten, wenn du nicht aufpasst. Estarossa schreit immer wieder ihren Namen. Doch es ist zu spät. Er wird sie nicht mehr rechtzeitig erreichen können. Natalia ist nicht in der Lage sich zu bewegen. Ihre Beine sind weich wie Butter und weigern sich, ihr zu gehorchen. Nun laufen ihr die Tränen über die Wangen. In fünf Sekunden wird sie sterben. Erschlagen von einem toten Ast. „Natalia!" Sie richtet ihren Blick zu Estarossa. Zumindest wird sein Gesicht das letzte sein, was sie gesehen hat. Und dann schließt sie die Augen. Nun stehen auch dem Dämon die Tränen in den Augen. Er wird sie verlieren. Er wird sie niemals heiraten können. Doch plötzlich, im allerletzten Moment, bevor der Ast sie trifft und ihren Schädel zertrümmert, fegt sie eine gewaltige, unsichtbare Macht aus dem Weg. Dabei wird ihr kurzzeitig die Luft aus den Lungen gedrückt, sodass ihr für einen Moment schwarz vor Augen wird. Der tote Ast schlägt auf dem Boden auf und zerbricht in viele, kleine Einzelteile. „Das ist nicht wahr...", haucht Estarossa. Langsam kehrt ihre Sicht wieder zurück. Sie blinzelt und ist für einen Moment stark verwirrt. Blondes, geschmeidiges Haar weht im Wind und nun reißt sie die Augen auf. „Du...?" Langsam dreht sich die muskuläre Gestalt um, sodass sie in seine warmen, grünen Augen schauen kann. Doch diesmal ist sie nicht am träumen. In seinem Gesicht liegt ein sonderbares Lächeln und wie von selbst, formen ihre Lippen einen Namen, den sie zum ersten mal ausspricht. „...Meliodas..."
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Mein Freund, der Dämon
FanfictionDer Krieg gegen die Dämonen war gewonnen. Doch was macht alle so sicher, dass sie wirklich tot sind? Estarossa der Nächstenliebe hat den brutalen Angriff von Escanor wie durch ein Wunder überlebt. Halb tot wurde er von einer Farmerin gefunden und ge...