Natalia setzt sich unter ihren Lieblingsbaum zu Estarossa und reicht ihm ein Glas, das mit einer roten Flüssigkeit gefüllt ist. Am Geruch erkennt er, dass es sich dabei um Blut handelt. „Danke", sagt er und nimmt einen großen Schluck davon. Johann hat eines der Rinder schlachten müssen, da es unglücklich gestürzt ist und sich dabei alle vier Beine gebrochen hat. Die Farmerin ist sehr traurig über dieses Erlebnis, doch der Tod ist etwas ganz normales. Sie lehnt sich an ihn heran und genießt einfach den Trost und die Wärme, die er ausstrahlt, während sie Xander beim spielen zusieht. Der kleine Junge rennt einem Schmetterling hinterher. Da setzt sich der kleine, hübsche Falter auf ein Blatt und steckt seinen Rüssel in eine rot leuchtende Sommerblume. Xander schleicht sich an ihn heran und versucht ihn zu fangen. Doch bevor seine kleinen Hände zu seinem Gefängnis werden, beendet der Schmetterling seine Mahlzeit und fliegt ihm knapp davon. Enttäuscht, blickt der Halbdämon ihm hinterher und geht dann zu seine Eltern zurück. „Was ist das, Papa?" Sein Vater lässt ihn daran einmal schnuppern. „Blut", sagt er. „Probier mal, wird dir schmecken." Für Natalia war es lange Zeit sehr ungewohnt, dass die beiden solche Dinge zu sich nehmen, doch inzwischen ist es das normalste auf der Welt für sie. Xander nimmt das Glas in die Hände und versucht daraus zu trinken. Allerdings unterschätzt der Junge seine Kräfte, sodass er sich den gesamten Inhalt ins Gesicht kippt. Während Natalia sofort aufspringt, um einen Lappen zu holen, lacht Estarossa seinen Sohn erst einmal kräftig aus. Er leckt sich ein bisschen von den Lippen, bevor seine Mutter ihn sauber macht und noch in der gleichen Stunde in die Badewanne setzt.
Der Dämon zieht seinen Sohn in der Wanne näher zu sich und wäscht ihm die Haare. „Jetzt mach nicht so ein Gesicht, Xander. Unfälle passieren eben." Dennoch schmollt der kleine Halbdämon und schämt sich dafür. „Ich hab dich enttäuscht, Papa...", jammert er und droht das weinen anzufangen. „Also ich fand es lustig", sagt er und grinst. „Ehrlich?" Sein Sohn sieht ihn überrascht an. Seine Mutter kommt ins Badezimmer, die frische Kleider für ihr Kind dabei hat. „Mama...fandest du das auch lustig?" Sie lächelt einmal schief. „Nun...es war schon lustig...", sagt sie. „Aber das deine Kleider jetzt versaut sind, ist nicht lustig. Nicht einmal ich bekomme Tierblut aus Kleidern heraus." Jetzt wo Xander wieder sauber ist, nimmt Estarossa ihn auf den Arm und steigt aus der Wanne. Während Natalia ihn abtrocknet, schaut sie dem Dämon penetrant ins Gesicht und weigert sich, den Blick zu senken. „Was denn, ist dir das immer noch peinlich? Ich hab den Bengel damit gemacht", sagt er. Die Farmerin errötet ziemlich stark darauf und dreht ihm den Rücken zu, damit sie ihren Sohn besser abtrocknen und anziehen kann. „Was meinst du damit, Papa?" „...Das erkläre ich dir, wenn du sechzehn bist, du Knirps." Zumindest das Abendessen verläuft ohne große Katastrophen. Xander hat von seiner Mutter eine Rippe von dem Rind bekommen, das geschlachtet wurde. Ungeschickt, versucht er das rohe Fleisch vom Knochen zu nagen, was ihm nicht wirklich gelingen will. „Schau...du musst es so machen." Estarossa nimmt ihm den Knochen ab und zeigt ihm, wie man am besten das Fleisch davon nagt. „Benutze deine Reißzähne, dafür hast du sie immerhin." Er macht es seinem Vater nach und schafft es nun auch besser.
Nun kratzt sich Johann einmal am Hinterkopf und stöhnt leise auf. „Was für ein Unglück, dass die arme Sina dran glauben musste." Dadurch, dass sie sich alle Beine gebrochen hat, waren ihre Überlebenschancen ohnehin sehr gering. Daher hat sich Natalia schweren Herzens dazu entschieden, die Kuh von ihrem Leid zu erlösen. Zumindest, kann sie ihrer Familie noch als Nahrung dienen. Xander sieht auf, als sein Vater die Rippe zerbeißt und der Knochen unter seinen Zähnen nachgibt. Dieses Geräusch ist wirklich fürchterlich, weshalb nicht nur er eine Gänsehaut bekommt. Natalia hingegen stört das schon lange nicht mehr. „Vergiss nicht deinen Reis zu essen, mein Schatz", sagt sie und streichelt ihrem Sohn durch die silbernen Haare. Sofort fängt er das schmollen an und will ihn nicht essen. „Ich will den Reis nicht essen...", quengelt er. „Xander...", sagt sie und blickt ihn streng an. „Iss deinen Reis, Kleiner. Du bist zur Hälfte auch ein Mensch", mischt sich nun Estarossa ein. Der kleine Halbdämon blickt seinen Vater nun mit riesigen Augen an. Sofort nimmt er seinen Teller und isst den Reis auf. Die Farmerin stöhnt einmal. „Wenn er denn auf mich auch so gut hören würde..." Ein breites grinsen legt sich auf das Gesicht des Dämons. „Gut gemacht, Junge. Dafür, dass du auf deine Mutter gehört hast, hab ich eine kleine Belohnung für dich." Estarossa hält ihm ein Stück Leber hin. Xander schaut seine Mutter an, ob er das auch wirklich essen darf. „Natürlich...und danach gehen wir dich waschen und deine Zähne putzen." Eine Stunde nach dem Abendessen, muss er immer ins Bett. Seine Mutter, erzählt ihm jeden Abend eine Geschichte. Doch heute, soll sein Vater ihm eine Geschichte erzählen.
„Was...soll ich dir denn erzählen....?" Xander kuschelt sich in seine Decke. „Erzähl mir, wie du Mama kennengelernt hast." Nun kratzt sich Estarossa am Hinterkopf. „Besser nicht...das ist mir wirklich peinlich...", sagt er. Stattdessen, erzählt er seinem Sohn von Britannia, von seinem Leben dort und von seinen Brüdern. Doch bevor er überhaupt zum Ende gekommen ist, war Xander schon eingeschlafen. „Meine Güte...Respekt, dass du das jeden Tag mitmachst, Natalia." Zusammen verlassen die beiden nun das Kinderzimmer. Langsam wird es in ihrem Haus wirklich eng. Die Farmerin hat ihr Arbeitszimmer inzwischen in ein Schlafzimmer umfunktioniert, das mittlerweile Hannah bezieht. Sie ist ohnehin mehr bei ihrer Freundin als Zuhause. Der nächste Tag ist beinahe genauso eintönig, wie der letzte. Dennoch genießt Estarossa sein neues Leben in vollen Zügen. Oft liegt er stundenlang einfach nur unter einem Baum und genießt die Ruhe, spielt mit seinem Sohn verstecken, oder kuschelt mit Molly und Bruno. Doch da macht er eine interessante Beobachtung. Xander schleicht sich gerade an ein Huhn heran und versucht es zu fangen. Doch das flinke Tier bemerkt ihn vorher und läuft davon. Sofort darauf, sucht er sich ein anderes Huhn und schleicht sich nahe an es heran. Doch auch dieser Angriff, endet als ein Fehlschlag. Gerade will er es nochmal versuchen, als der Hahn ihn auf einmal attackiert. Xander schreit und rennt nun vor dem Gockel davon. Da brüllt sein Vater vor lachen und setzt sich auf. „Vom Jäger zum Gejagten, was? So wird das nie etwas werden, Junge."
Estarossa steht nun auf und geht zu ihm. „Komm mit, Sohn...ich bringe dir bei, wie man richtig jagen geht." Xander bekommt große Augen, doch vorher muss er seine Mutter noch um Erlaubnis fragen. Natalia lächelt und geht nun auf die Knie, um ihn ansehen zu können. „...Es ist sehr lieb von dir, dass du mich immer fragst, Xander. Hab viel Spaß...und bitte höre auf deinen Papa, in Ordnung?" Er nickt und rennt zu Estarossa zurück. Der Dämon hebt eine Hand und signalisiert ihr, dass er gut auf ihn aufpassen wird. Danach nimmt er Xander auf den Arm und geht mit ihm ein Stück außerhalb der Farm und sucht ein kleines Waldstück, wo er ihn auch runter lässt. „In Ordnung, Junge...als erstes lass dir gesagt sein, dass es zwei verschiedene Techniken von Jägern gibt. Den Schleichjäger und den Lauerjäger." Estarossa zeigt auf einen dicken Ast eines Baumes. „Als Lauerjäger brauchst du viel Geduld. Man klettert auf einen höheren Ort, in den meisten Fällen ist das ein Baum und wartet. Und zwar solange, bis deine ahnungslos Beute unter dir auftaucht. Wenn sie am richtigen Punkt ist, lässt man sich einfach auf sie fallen und tötet sie schnell mit einem Biss in die Kehle, oder man dreht ihr den Hals um." Der Dämon schont seinen Sohn mit diesen Begriffen nicht. Er soll schon von Kindesalter an lernen, dass die Natur nicht nett ist. Xander hört ihm aufmerksam zu und versucht zu verstehen, was sein Vater ihm beibringt. „Beim Schleichjäger hingegen, kommst du viel schneller an deine Beute. Doch es gibt viele Dinge, die man beachten muss."
Er tippt ihm auf seine kleine Nase. „Auch du als Halbdämon hast einen sehr ausgeprägten Geruchssinn. Hebe doch mal den Kopf und schau, ob du ein Tier riechen kannst." Xander hebt den Kopf und nimmt tiefe Atemzüge. Tatsächlich, weht ihm ein Geruch in die Nase, der ihm nicht unbekannt ist. „Hannah hat mir mal ein Kaninchen gezeigt. Das hier riecht ganz ähnlich." Estarossa nickt. „Richtig, ein Kaninchen ist in der Nähe. Wenn du es fangen willst, musst du drei Dinge beachten. Erstens: Achte unbedingt auf die Windrichtung. Er muss dir immer entgegen kommen. Weht er nämlich in die Richtung deiner Beute, bemerkt es dich schneller, als du schauen kannst. Zweitens: Verschaffe dir einen Überblick und suche den kürzesten Weg von deinem Versteck zur Beute. So sparst du wertvolle Zeit und die Gefahr, dass du entdeckt wirst ist geringer. Drittens: Mach dich klein und benutze kurze, lautlose Schritte. Für den Anfang, kannst du dich auch im Schlamm wälzen, um dich noch besser verstecken zu können." Xander fängt bei diesem Gedanken an zu grinsen. „Wenn du diese drei Dinge beachtest, ist es sehr wahrscheinlich, dass du beim jagen erfolgreich bist. Und jetzt lassen wir nach Worten direkt Taten folgen. Holen wir uns das Kaninchen." Zusammen mit seinem Vater, macht Xander seine Beute ausfindig. Doch vorher, gehen sich alle beide noch kräftig im Schlamm wälzen. Das unvorsichtige Nagetier, knabbert gerade an einem Zapfen und ahnt nicht, dass es belauert wird. „Jetzt sieh zu und lerne, Sohn..." Estarossa hält den Finger in die Luft und überprüft die Richtung des Windes. Er kommt direkt auf ihn zu, was ihm einen großen Vorteil verschafft. „Komm mit...", flüstert er und pirscht sich näher an sein Opfer heran. Die Ohren des Kaninchen schießen nach oben. Es blickt sich einmal kurz um und knabbert dann an dem Zapfen weiter herum.
„Es ist unaufmerksam...das ist die Chance um zuzuschlagen. Versteck dich hier und schau gut zu." Xander nickt und beobachtet jede Bewegung seines Vaters. Estarossa schleicht sich zwischen den Büschen so nahe wie möglich an das Tier heran. Als er seine Deckung verlässt, macht er sich so klein wie möglich und schleicht sich mit kurzen, lautlosen Schritten näher heran. Der Halbdämon ist aufgeregt und kann es kaum erwarten, bis sein Vater zuschlägt. Kurz bevor Estarossa es anspringt, bemerkt das Kaninchen ihn. Doch es ist zu spät. Der Jäger springt das Nagetier an und dreht ihm mit einem Ruck den Hals um. „Du hast es geschafft, Papa. Du hast das Kaninchen gefangen." Er schnauft einmal triumphierend und ist zufrieden mit seinem Fang. „Und so fängt man ein Tier, mein Sohn. Allerdings kann das sehr gefährlich sein. Je größer ein Tier ist, umso schwieriger ist das auch. Versuch dich doch mal an Bruno heranzuschleichen und erschrecke ihn." Doch langsam neigt sich der Tag dem Ende zu, weshalb Vater und Sohn den Weg nach Hause antreten. Estarossa lässt ihn sogar das erlegte Kaninchen tragen. Auch das soll er vom Kleinkindalter auf lernen. „Mama! Wir sind wieder da", ruft Xander nach ihr. Natalia sieht auf und sofort fällt ihr der Kiefer nach unten. „Du meine Güte...wie seht ihr zwei denn aus?" Der Schlamm klebt noch immer an den beiden, sodass sie kaum zu erkennen sind. „Papa hat gesagt, dass der Schlamm unseren Geruch überdeckt. Aber dafür haben wir ein Kaninchen gefangen", sagt er und grinst sie mit einem fröhlichen Gesicht an. Natalia stöhnt einmal lautstark, fängt aber noch im gleichen Atemzug das lachen an. „Ach du liebes bisschen...so geht ihr beide mir nicht an den Essenstisch. Runter mit den Kleidern und ab in die Badewanne." Estarossa und Xander tauschen einen Blick miteinander. Heute sehen sie schon wieder die Badewanne. „Siehst du, Papa? Ich habe dir gesagt, dass Mama nicht richtig böse sein wird..."
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Mein Freund, der Dämon
FanfictionDer Krieg gegen die Dämonen war gewonnen. Doch was macht alle so sicher, dass sie wirklich tot sind? Estarossa der Nächstenliebe hat den brutalen Angriff von Escanor wie durch ein Wunder überlebt. Halb tot wurde er von einer Farmerin gefunden und ge...