Kapitel 33

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Zwei Tage vergehen, in denen ich mich nicht von der Stelle rühre. Ich habe Schmerzen ohne Ende. Der Bluterguss am Bauch hat sich ausgebreitet, sodass jeder Atemzug und jede Bewegung schmerzt. Dies ist auch der Hauptgrund dafür, dass ich mich nicht mehr als nötig bewege. Ich weiß nicht, wie viel Harry im Moment von meiner Gefühlslage mitbekommt, doch es wird nicht allzu viel sein. Hoffe ich.

Vermutlich dachte er vorgestern noch, dass ich einfach ein wenig Ruhe brauche. Immerhin fing er wieder mit diesem doofen Thema an. Naja, zu diesem Zeitpunkt hätte er auch noch meine Spur nachverfolgen können. Doch da es zwischendurch geregnet hat, glaube ich kaum, dass das noch möglich ist. Sonst wäre er schon lange hier. Aber dass ich Schmerzen habe, wird er spüren.
Ein leises Wimmern entkommt mir, als ich mich langsam aufsetze und versuche, auf die Beine zu kommen. Und siehe da- es klappt. Ich bin zwar wackelig und sehr langsam unterwegs, aber immerhin geht es ein wenig voran.
Erleichtert seufze ich auf, als ich kurz darauf in meiner Wolfsform stecke und eine Pfote vor die andere setze. Vier Beine tragen einen eben doch besser als zwei.
Gegen Abend gelange ich endlich wieder auf den Pfad, der zu mir nach Hause führt. Die Erschöpfung wird immer größer, mit jedem Schritt, den ich gehe. Doch schließlich komme ich an. Verwirrt bleibe ich auf der Terasse stehen und betrachte die beiden Möbelstücke, die dort stehen. Zwei Stühle, die mit dunkelbraunem Lack angestrichen wurden. Nachdem ich mich gewandelt habe, streiche ich gerührt über die Lehne, die mit eingeschnitzten Blumen verziert wurde. Für Louis, steht in kleinen Buchstaben darunter.
"Gefallen sie dir?"

Erschrocken zucke ich zusammen und fahre herum, was meine Schmerzen natürlich nicht wirklich bessert. Harry tritt aus der Hütte und steht mir gegenüber. Er ist blass. Tiefe Schatten zeichnen sich unter seinen Augen ab. "Sie.. sie sind schön", murmle ich leise. Er sieht wütend aus. Und besorgt. Ich trete einen Schritt zurück. "Wo warst du?", fragt er. Schnell senke ich meinen Blick. "Unterwegs."
- "Lüg mich nicht an, Louis." Er zieht sein Shirt etwas hoch. Zwei dunkle Flecken sind an seiner Brust und seinem Bauch zu sehen. Er dreht den Kopf ein wenig, damit ich nun auch die Stelle seines Kiefers betrachten kann, die ebenso einen Fleck trägt. "Ich bin gestolpert und hingefallen", murmle ich. Sein Anblick schockiert mich mehr als ich zugeben möchte. Ich hatte keine Ahnung, dass die Verletzungen sich auch auf Harry übertragen. Nur dass sie bei ihm eben schneller verheilen als bei mir. Automatisch verschränke ich die Arme vor meinem Bauch. "Also. Wo warst du?", wiederholt Harry seine Frage. "Nicht hier." Seine Augen verkleinern sich warnend. "Ich habe gesagt, du sollst mich nicht anlügen."

Ohne es verhindern zu können, knurre ich plötzlich. "Du hast mir aber nichts zu sagen, Harold." Er schnaubt wütend und kommt auf mich zu. Ich weiche zurück, bis plötzlich das Geländer der Terasse mich stoppt. Erschrocken bleibe ich stehen. "Louis, ich habe mir wirklich viel gefallen lassen, was dein respektloses Verhalten angeht, aber irgendwann ist auch mal Schluss! Du kannst nicht ständig auf allem und jedem herumtrampeln, dem du etwas bedeutest! Ich weiß, dass du Schlimmes erlebt hast Herrgott, aber du kannst doch nicht von jedem erwarten, dass er dir erneut so etwas antut! Und vor allem kannst du nicht von mir erwarten, dass ich einfach zusehe, wie du dich in Gefahr begibst! Also ich frage dich noch ein letztes mal: Wo zum Teufel warst du?!" - "I-ich..." Mehr bringe ich nicht hervor. Harry schüchtert mich ein. Viel mehr noch, er macht mir Angst. Und er scheint es selbst nicht einmal zu bemerken. "Louis, so etwas passiert nicht einfach durch einen Sturz!" Bevor ich reagieren kann, tritt er weiter zu mir, schnappt sich den Bund meines Shirts und zieht es nach oben. "Lass das!" Verzweifelt versuche ich, seine Hände wegzuschlagen, doch er ist schlichtweg zu stark. "Woher kommt das, hm?!" Immer wieder deutet er auf meinen Bauch. Seine Augen funkeln mich wütend an. "Geh weg!"

"Warum sagst du mir nicht einfach die Wahrheit, Louis?!"

Ohne dass ich es verhindern kann, bilden sich Tränen in meinen Augen. "Weil ich Angst vor dir habe", flüstere ich. Der wütende Ausdruck in seinem Gesicht verschwindet. Erst jetzt scheint er zu merken, wie dicht er mir gekommen ist. "Ich.. es tut mir leid, Lou, ich wollte nicht-"

Secret white lies - L.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt