Ich kam Zuhause an.
Mit heilen Pfoten. Dafür aber mit kaputten Gedanken.
Mein eigener Kopf spielt mir Streiche. Immer und immer wieder aufs Neue.
Er würfelt meine Gedanken durcheinander. Sie schwirren um mich herum und doch kann ich keinen von ihnen richtig fassen.
Ich fühle mich wie ein kleiner Junge, der einen Kescher in der Hand hält und hinter Schmetterlingen her jagt. Die Schmetterlinge fliegen um seinen Kopf und machen sich über den Jungen lustig. Immer wieder setzen sie sich in seinen braunen Haaren fest. Doch sobald er versucht, sie zu greifen, fliegen sie schnell wieder weg. Genau wie meine Gedanken.
Einige Zeit ist vergangen, seit Harry und ich bei Ethan waren. Um genau zu sein vier Wochen. Dreißig Tage. 720 Stunden.
Den Zettel mit dem Testergebnis trage ich seitdem jederzeit bei mir.
Doch Harry weiß immernoch nicht, was darauf steht. Er redet nicht mit mir. Genauso wenig, wie ich mit ihm rede. Die Stille liegt auf uns und scheint uns mit jedem vergangenen Tag mehr zu zerdrücken. Sie wabert zwischen uns umher wie unscheinbarer Nebel, der sich nicht lichtet.
Jeden Morgen, sobald ich meine Augen öffne, nehme ich mir vor, mit Harry zu sprechen. Ihm alles zu erzählen. Ihn um Verzeihung zu bitten. Ihm zu sagen, was ich für ihn empfinde.In meinem Kopf formen sich die wirren Worte zu vollständigen Sätzen. Doch sobald Harry vor mir steht, verschwinden sie Wort für Wort, bis ich schließlich wieder verstumme, ohne überhaupt geredet zu haben. Die bunten Farben der Schmetterlinge verblassen. Sie werden grau, bis ihnen plötzlich die Flügel ausreißen und der Junge nichts mehr hat, dem er nachjagen kann. Nur den Nebel sieht er noch. Dieser verdammte Nebel, der ihn beinahe zerdrückt.
"Ich habe gekocht. Möchtest du vielleicht heute etwas essen? Du hast wieder abgenommen... und das in so kurzer Zeit. "
Mit starrem Blick fixiere ich das Bild vor mir. Das Bild, das Harry vor einigen Wochen für mich gemalt hat. Darauf die acht Sterne. Für jeden aus meiner Familie einen. Seine Worte dazu waren, dass sie immer vom Himmel aus zu mir blicken und stolz auf mich sind.
Aber ist das wirklich so?
Warum fühle ich mich dann so allein, wenn sie doch angeblich bei mir sind?
Noch dazu weiß ich ganz genau, dass meine Mum alles andere als stolz auf mich wäre. Sie würde mich hassen für das was ich getan habe. Natürlich würde sie mich immernoch lieben, schließlich bin und bleibe ich ihr Sohn. Doch ich weiß, dass sie sich fragen würde, wozu sie all die Jahre all ihre Liebe in meine Erziehung gesteckt hatte, wenn ich nicht mit Liebe handelte. Ich handelte dumm und unüberlegt. Doch trotzdem bezweifle ich, dass ich etwas anderes getan hätte.
Aber immerhin wäre ich dann nicht allein.
Harry stellt den Teller voll dampfendem Essen vor mich und mustert mich besorgt. "Warum sprichst du denn nicht mit mir? Kannst du mir so wenig vertrauen?" Wieder einmal erhält er keine Antwort. Er stellt sich direkt in mein Blickfeld. Auch sein Gesicht ist schmal und blass, in seinen Augen glitzern Tränen. Es bricht mir das Herz, ihn so zu sehen. Ich spüre seinen Schmerz in mir, es fühlt sich grausam an.
"Keine Antwort ist auch eine Antwort", erklärt Harry leise, bevor er zur Tür zurück geht. "Weißt du, Louis, ich würde es verstehen, wenn du einfach traurig wärst.. oder wenn du mich vor Wut anschreien würdest. Ich würde es auch verstehen, wenn du alles noch verarbeiten musst. Aber du entfernst dich immer weiter von mir, ohne dass es dich zu interessieren scheint. Ich versuche wirklich alles, dich irgendwie aufzuheitern. Ich koche für dich, ich mache deine Wäsche, ich trage dir alles hinterher. Aber ich ertrage es nicht mehr lange, dass du mich ignorierst. Ich kann doch auch nichts dafür, oder?"Er schnieft ein letztes mal und verlässt das Wohnzimmer. Tränen brennen in meinen Augen. Ich vermisse ihn. Ich vermisse seine Berührungen, seine Worte. Seine Liebe. Ich möchte ihn ja nicht einmal so verletzen, und doch kann ich es nicht verhindern.
So lange Zeit war ich allein, hatte niemanden, mit dem ich reden konnte. Hatte niemanden, der für mich da war, der sich um meine Gefühle gekümmert hat. Und plötzlich habe ich so eine Person, die mich über alles liebt und alles für mich tun würde. Und ich behandle diese Person so schlecht.
Schnaufend stehe ich auf, wische mir über die Augen, damit die verschwommene Sicht verschwindet, und gehe langsam zum Fenster. Draußen sitzt Harry. Er ist allein. Weiter weg sehe ich Liam, der die Anderen zum Training motivieren möchte. Und dann sehe ich Ruth, die mit ihren Welpen spielt. Sie springen wild umher, schnuppern an allem, was sie entdecken können und hüpfen dann wieder auf unbeholfenen Pfoten zu ihrer Mama zurück.
Plötzlich dreht sich Harry zu mir um. Seine Augen blicken direkt in meine. Es scheint, als hätte er gespürt, dass ich hier stehe. Auf seinen Wangen sind glitzrige Tränen zu sehen.
Dann wendet er sich enttäuscht von mir ab, als keinerlei Reaktion kommt.
Zittrig atme ich langsam ein. Und wieder aus. Erneut tief ein. Und wieder aus. Dann fasse ich einen Entschluss.
Mir ist eiskalt, als ich die Tür öffne und zu meinem Alpha trete. Diesmal ignoriert er mich. Es tut weh, aber ich verstehe es.
"Harry, ich..." Meine Stimme versagt, da ich so lange nicht mehr gesprochen habe. Der Lockenkopf reicht mir die Tasse Tee, die er in den Händen hält. Schnell trinke ich einige Schlucke, bevor ich sie ihm wieder zurück gebe.
"Ich.. ich glaube, wir müssen reden.." beginne ich erneut. Harry seufzt leise und auch mir fällt auf, wie doof dieser Satz klingt. Als wäre es nicht offensichtlich, dass wir Redebedarf haben.
"Also vielleicht wäre es besser, das Ganze schonend zu verpacken, aber ich befürchte, dass mir dann wieder die Worte fehlen... deshalb.. ich.. ich sage es einfach ganz direkt. Harry, ich habe drei Leben auf dem Gewissen."
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Soo, das wars dann auch mit dieser Geschichte. Danke an alle, die dabei waren. 😊
Ich hoffe, euch hat-
Seid ihr etwa schonwieder darauf reingefallen?😜
Natürlich ist die Story damit noch nicht beendet. Aber für mich ist hier einfach ein Cut. Ich habe noch ein paar Ideen für Larry, die ich dann im zweiten Teil umsetzen werde. Und ich verspreche euch, die Fortsetzung wird nicht so chaotisch und düster wie dieser Teil.
Vielleicht sehen/ lesen wir uns da ja wieder.🥰
Bis bald✌
~*~
Update: Teil 2 hat begonnen, ihr könnt also direkt rüberwechseln, wenn ihr wollt🙈🥰 (Teil 2 heißt "little white truths")
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Secret white lies - L.S.
FanfictionHarry ist auf der Suche nach einem Omega. Seine Kraft schwindet immer mehr, wenn er sich nicht bald auf ein Bündnis einlässt. Ist es also Zufall, dass genau zur richtigen Zeit ein junger Omega in sein Leben tritt? Doch was ist, wenn Harry herausfind...