Kapitel 44

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Ich schlucke geräuschvoll und blinzle ein paar mal. "E-ein Arzt?", wiederhole ich. Harry nickt ernst und scheint kurz zu überlegen, wir er es mir erklären soll. "Mum kennt jemanden, der dir helfen könnte. Er ist ebenso ein Werwolf, also brauchst du keine Angst haben. Allerdings wohnt er ziemlich weit weg von hier, es wäre ein Fußmarsch von zwei Tagen hin und wieder zwei Tagen zurück." - "Aber ich bin unfruchtbar, was sollte er da machen?"

"Lou, du bist gerade einmal achtzehn Jahre alt. Dein Körper ist immernoch dabei, sich zu entwickeln. Zu diesem Zeitpunkt kann nicht definitiv gesagt werden, dass du keinen Nachwuchs bekommen kannst", erklärt Harry, bevor er kurz inne hält. "Woher weißt du das überhaupt?"
Ich wende meinen Blick ab und starre auf meine Hände. "Ich.. ich weiß es eben", murmle ich, doch Harry brummt nur unzufrieden. War klar, dass er sich mit dieser Antwort nicht zufrieden gibt. "Erstens spüre ich es und zweitens... also meine Mum hat es mir gesagt. Keine Ahnung, das wurde früher wohl schon festgestellt." - "Hattest du schon einmal eine Untersuchung?" Ich nicke langsam. Dass dies nicht ganz der Wahrheit entspricht, muss er ja nicht wissen. "Und hattest du mit Alec.. also habt ihr damals miteinander geschlafen?" Mir roten Wangen knete ich meine Finger im Schoß und weiche Harrys Blick aus. "Harry, so etwas kannst du mich doch nicht fragen", murmle ich beschämt. "Du musst es mir nicht sagen, wenn du dich unwohl fühlst. Ich versuche nur, das alles ein wenig zu verstehen... dich zu verstehen... es gibt so vieles aus deiner Vergangenheit, was bei mir Fragen aufwirft. Du weißt, dass mir Ehrlichkeit wichtig ist, Louis." - "Ja, natürlich... Aber.. es fühlt sich einfach komisch an, mit dir darüber zu reden", gestehe ich.

Harry runzelt die Stirn. "Warum?" - "Weil.. keine Ahnung, ich habe noch nie mit jemanden über so etwas gesprochen und nun willst du solche privaten Sachen wissen". Erst jetzt scheint er zu begreifen, worauf ich hinaus will. Die letzten Jahre lebte ich ohne meine Familie, ich hatte niemandem, mit dem ich reden konnte. Und mit Alec wäre das ohnehin ausgeschlossen gewesen. Reden wurde bei ihm überbewertet. "Ich verstehe, was du meinst", beginnt Harry langsam, "es tut mir leid, wenn ich dich damit überrumpelt habe. Aber du musst auch verstehen, dass ich mich nicht gut fühle, wenn ich so wenig über dich weiß, obwohl wir schon seit Wochen aneinander gebunden sind." Seufzend sehe ich ihn an und überlege kurz. Dann kommt mir eine Idee. "Vielleicht würde es mir helfen, wenn wir abwechselnd Fragen stellen und beantworten. Dann würde ich mich nicht so... nackt fühlen." Sofort nickt Harry begeistert. "Gern, dann machen wir das so. Aber ich habe gleich erst mal Training. Möchtest du mitkommen oder hierbleiben?" Wie selbstverständlich tripple ich Harry hinterher, der bereits zur Tür gegangen ist. "Ich komme mit", stelle ich überflüssigerweise fest. Vorsichtig schiebe ich meine Hand in seine und unterdrücke ein Grinsen, als er den Druck gleich erwidert und seine Finger um meine schließt. "Haben heute alle Training?", frage ich, doch Harry schüttelt mit dem Kopf. "Nur die Betas und ich. Letzte Woche sind ein paar fremde Wölfe hier in der Nähe entdeckt worden. Wir wollen vorbereitet sein, falls sie erneut hier auftauchen." - "Was würde dann passieren?"

"Naja, zuerst würden wir herausfinden, wer diese Wölfe sind, zu welchem Rudel sie gehören. Wenn wir den Alpha kennen und mögen, wird die Situation friedlich gelöst."- "Und wenn nicht, wird gekämpft?", hake ich nach, weshalb er als Antwort nickt. "Es ist gefährlich, wenn sich hier fremde Wölfe aufhalten. Besonders für die Welpen und ihre Mamas", erklärt er weiter. "Dann müsstest du kämpfen?" Harry bleibt stehen und mustert mich lächelnd. "Das ist als Alpha mitunter meine Hauptaufgabe, Lou."

Unwohl scharre ich mit meinem Fuß ein wenig Erde auf dem Boden umher und beiße auf meine Unterlippe. "Ich möchte nicht, dass du kämpfst. Dir darf nichts passieren", murmle ich leise. Der Lockenkopf lehnt seine Stirn an meine und gibt mir einen Stupser gegen meine Nase. "Mir wird nichts passieren. Aber wenn ich nicht kämpfe, würde dir etwas passieren. Und Ruth, meiner Mum, Gemma, Niall... euch allen. Das darf nicht geschehen. Ich verspreche dir jedoch, dass ich immer vorsichtig bin, Louis. Immer." Ein wenig erleichtert über sein Versprechen nicke ich langsam und gebe ihm einen kleinen Kuss auf die Lippen. Lachend zieht Harry mich an sich und vertieft den Kuss. Ich stelle mich auf die Zehenspitzen, um ihm ein wenig näher zu sein. "Du bist süß", murmelt Harry gegen meine Lippen und erntet dadurch ein empörtes Schnauben und einen Klaps gegen die Brust von mir. "Süß?!", wiederhole ich und strecke mich ein wenig, um größer zu erscheinen. "Zuckersüß", erklärt der Lockenkopf grinsend und macht schnell einen Satz beiseite, als ich erneut auf ihn losgehen will. "Ich muss jetzt los", redet er sich heraus und zeigt auf Liam, der einige Meter entfernt steht und auf ihn wartet. "Bis später. Viel Spaß", sage ich lächelnd. Harry gibt mir noch einen kurzen Kuss und wuschelt mir durch die Haare.

Secret white lies - L.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt