Man sollte meinen, mich würde interessieren, wohin er mich bringt. Doch es ist mir schlichtweg egal.
Ich habe aufgegeben.
Der Alpha hat gewonnen.
~*~
Laute Stimmen wecken mich. Mein Mund ist staubtrocken und meine Augen brennen. Verdammt, bin ich in der Wüste gelandet?
Ich öffne mühsam meine Augen und reibe einige male darüber. Dann blinzle ich fest und sehe mich um. Ich liege auf einem Bett, welches mit sämtlichen Tierfellen ausgestattet ist. Der Raum ist nicht gerade sehr groß, doch ich gehe davon aus, dass ich mich in einer Holzhütte befinde. Eine Kerze auf dem Tisch neben mir spendet ein wenig Licht, welches unheimlich an den Wänden flackert. Ich schiebe die Decken etwas von mir und atme erleichtert auf, als die kühle Luft des Raums mich trifft.
Wo bin ich hier?Wieder ertönen Stimmen vor der Tür. Ich verstehe jedoch keine richtigen Worte. Dann ist ein leises Jaulen zu hören. Kurz darauf öffnet sich die Tür und ein junger Mann tritt ein. Ich kneife die Augen etwas zusammen und erkenne, dass es Liam ist. Er murmelt verärgert etwas vor sich hin und tritt zu mir. Als er sieht, dass ich wach bin, erhellt sich seine Miene und er setzt sich neben mir auf die Matratze. "Hey, du bist ja wieder unter den Lebenden. Wie geht es dir?", fragt er und fasst prüfend an meine Stirn. Ich zucke ratlos mit den Schultern. "Ich.. ich weiß nicht", sage ich mit gerunzelter Stirn. Dann sehe ich mich erneut um. "Wo bin ich?"
Liam reicht mir eine Tasse Tee. Ich rieche kurz daran, nur um angeekelt das Gesicht zu verziehen. "Igitt, was ist das?", frage ich schockiert. "Trink das. Halt dir einfach derweil die Nase zu, dann schmeckt es nicht so scheußlich. Aber es wirkt entzündungshemmend".
Ich seufze und führe die Tasse an meinen Mund. Dann befolge ich Liams Rat und trinke den Tee aus, während ich mir meine Nase zuhalte. Sobald ich den letzten Schluck leer habe, huste ich ein paar mal. "Ich habe noch nie so etwas ekelhaftes zu mir genommen", beschwere ich mich, doch Liam lacht nur. "Kein Wunder, das ist auch der Urin eines Rehs". Augenblicklich habe ich das Gefühl, mich übergeben zu müssen. Ich starre Liam schockiert an und presse meine Hand vor den Mund. Als er merkt, dass ich das gerade gar nicht lustig finde, hebt er abwehrend die Hände in die Luft. "Hey, das war nicht, um dich zu ärgern, Kleiner! Der Urin ist mit ordentlich Wasser und Kräutern gemischt und hilft bei starken Entzündungen. Du hast in den letzten Wochen fast nur das getrunken", erklärt er."In den letzten Wochen?!", wiederhole ich schockiert. Liam nickt. "Ja, ich habe dich im Wald aufgesammelt und mit hierher genommen, um dich aufzupäppeln. Deine Wunde hatte sich entzündet und du hattest dadurch eine schwere Blutvergiftung. Aber das haben wir wieder in den Griff bekommen", erklärt er lächelnd. - "Wir?", wiederhole ich. Sofort verschwindet sein Lächeln. "Ähm also... du und ich... so meinte ich das", stottert er herum. Bevor ich jedoch weiter nachfragen kann, wechselt er schnell das Thema. "Und wie fühlst du dich jetzt?"
Ich bewege kurz prüfend all meine Gliedmaßen und nicke dann zufrieden. "Erstaunlich gut. Ich hatte nur einen merkwürdigen Traum." Als Liam mich fragend ansieht, erzähle ich weiter. "Ich lag im Wald und ein riesiger, schwarzer Wolf ist vorbei gekommen. Er hat ein Glühwürmchen beobachtet und ist dann wieder weiter getrabt. Und davor hat er so wunderschön den Mond angeheult. Es hat sich so echt angefühlt".Der Brünette schluckt einmal und wendet kurz seinen Blick ab. "Naja, du hattest in den letzten Wochen sehr oft mit hohem Fieber zu kämpfen. Vielleicht hattest du deshalb so verwirrende Träume". Ich nicke nachdenklich. "Ja, das wird es gewesen sein". Liam hebt kurz das Tuch über meiner Mitte etwas hoch und betrachtet meine Wunde. Auch ich werfe neugierig einen Blick darauf. "Das ist ja fast komplett verheilt!", sage ich begeistert. Liam nickt und streicht ein paar mal prüfend über die Narbe. "Ja, du kannst wirklich froh darüber sein. Ich hätte absolut keine Lust gehabt, dein Bein abnehmen zu müssen". Ich starre ihn schockiert an. "War es so schlimm?", frage ich.
Er nickt ernst. "Ja, absolut. Die Entzündung hat dein ganzes Bein betroffen. Ein Wunder, dass du diese Schmerzen überhaupt ausgehalten hast. Und das als ein Omega..."
Ich halte erschrocken die Luft an. "I-ich... wie bitte?"
Liam schmunzelt und verdreht die Augen. "Louis, stell dich nicht so dumm. Ich habe sofort gemerkt, dass du ein Omega bist. Schon als ich dich in der Stadt gesehen habe. Das sieht und riecht man meilenweit".
Ich hebe langsam meinen Arm und schnuppere prüfend. "Ich rieche nichts", sage ich leise. Nun lacht Liam laut los und klatscht sich auf die Oberschenkel. "Ich meinte damit doch auch nicht, dass du stinkst, du Trottel! Aber Fakt ist, dass du nunmal die Größe und auch das Verhalten eines Omegas hast. Schon allein durch dein Arschwackeln". Ich schnaube empört. "Bitte was?!", wiederhole ich beleidigt. - "Na dein Arschwackeln. Du versuchst, einen Alpha anzulocken. Und da du allein unterwegs warst, gehe ich davon aus, dass du ungebunden bist".Ich atme tief durch und zähle innerlich bis zehn.
"Du hast doch keine Ahnung", sage ich dann leise und drehe mich mit dem Rücken zu Liam. Ich ziehe die Decken über meinen Kopf und schließe fest meine Augen. Einige Minuten ist es ruhig. Dann höre ich ein Rascheln. Liam legt vorsichtig seine Hand auf meine Schulter, doch ich schüttle ihn ab. Dann seufzt er. "Habe ich etwas Falsches gesagt?", fragt er vorsichtig. Ich reagiere nicht. Zumindest nicht äußerlich sichtbar. Innerlich verzweifle ich gerade. Liam hat mir das Leben gerettet und was mache ich? Ich zicke ihn an und verhalte mich mehr als undankbar. Doch es geht gerade nicht anders.
Ich habe Angst, etwas ausplaudern.
Je weniger man weiß, desto sicherer lebt man.
"Ich komme später wieder. Ruh' dich noch etwas aus, Kleiner".
Ich höre Schritte. Dann klappert eine Tür und ich bin allein.
Ich schlage seufzend die Bettdecke zurück. Ein paar Sekunden länger und ich wäre erstickt.
Meine Hand wandert zu der großen Narbe an meiner Leiste. Es fühlt sich unglaublich unangenehm an. Die Haut ist nahezu taub und doch kribbelt und piekt es. Als würden Ameisen darüber laufen. Oder darauf pinkeln. Das brennt mehr.
Nachdem ich noch einige Zeit still im Bett lag, wird mir langweilig. Es wird auch nicht interessanter, als ich alle Holzleisten an der Zimmerdecke gezählt habe.
Ich stöhne genervt, dann schiebe ich die Decken von mir und lasse meine Beine aus dem Bett baumeln. Meine Zehenspitzen berühren gerade so den Boden. Ich bin leider nicht sehr groß. Liegt wohl in den Genen. Omegas sind kleiner als andere Artgenossen. Sie sollen möglichst begehrenswert und schutzlos aussehen, um das Interesse der Alphas zu wecken. Lächerlich das Ganze. Als könnte ich nicht auf mich selbst aufpassen...Okay, vielleicht kann ich das auch nicht. Aber der Wille zählt.
Ich lasse mich langsam etwas mehr aus dem Bett gleiten, bis schließlich meine kompletten Fußsohlen auf dem kalten Boden stehen. Ich erschaudere kurz vor Kälte. Dann stoße ich mich mit Schwung vom Bett ab, um in den Stand zu kommen. Naja, was soll ich sagen, ich stehe.
Für genau eine Sekunde. Anschließend liege ich auf dem Boden und reibe meine schmerzenden Knie. "Aua", fluche ich vor mich hin. Es dauert nicht lange, da steht Liam wieder in der Tür. Er starrt mich einen Moment an, dann hebt er mich kurzerhand hoch und setzt mich auf dem Bett ab. "Was sollte denn das werden?", fragt er. Ich verdrehe die Augen. "Mir war langweilig". - "Und deshalb stehst du einfach allein auf!?"
"Darf ich etwa nicht?!", entgegne ich zickig.
- "Nein, du siehst doch, was dabei rauskommt! Louis, du bist wochenlang mit einer Blutvergiftung im Bett gelegen, deine ganze Muskulatur ist geschwächt. Du kannst nicht von deinem Körper erwarten, dass er gleich wieder einen Marathon laufen kann!" Er packt mich bestimmt und drückt mich auf die Matratze zurück, sodass ich flach liege. Dann zieht er die Decke bis zu meinem Bauch. "Bleib liegen. Ich bringe dir gleich etwas zu essen".
Ich befolge widerwillig seine Anweisung und starre wieder an die Decke.
Dann fällt mir meine Frage ein, die sich immernoch nicht geklärt hat.
Wo bin ich?
Und mit wem diskutiert Liam gerade wieder vor der Tür?
———
Das Kapitel ist sehr unspektakulär, ich weiß. Aber bald geht die eigentliche Handlung los.
Ich würde mich wie immer über Votes und Kommis freuen 🤗
Bis bald✌
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Secret white lies - L.S.
Fiksi PenggemarHarry ist auf der Suche nach einem Omega. Seine Kraft schwindet immer mehr, wenn er sich nicht bald auf ein Bündnis einlässt. Ist es also Zufall, dass genau zur richtigen Zeit ein junger Omega in sein Leben tritt? Doch was ist, wenn Harry herausfind...