38 - mit Ehre

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„Und du willst wirklich nicht mit in die Sauna?" Felix schmiss seine Sporttasche auf's Bett und ich schmiss mich gleich daneben.
„Nein. Ich glaube, das würde meinem Kreislauf endgültig den Rest geben." antwortete ich und legte mir den Arm über's Gesicht.
Schon seit Jahren hatte ich immer mal wieder mit Schwindelanfällen zu kämpfen und heute war es besonders schlimm. Im Gym hatte Felix mich zwischen meinen Übungen immer wieder zu längeren Pausen verdonnert, um mich nicht zu überanstrengen. Zuerst hatte er sich darüber lustig gemacht. Vermutet, ich würde mich nur drücken wollen, aber als ich nach den 20 Minuten Cardiotraining fast in seine Arme gefallen war, merkte er, dass es mir ernst war.
„Du weißt, dass das nicht normal ist?! Du musst dringend zu einem Arzt und das abchecken lassen." hatte er mir verdeutlichen wollen und ich wusste, dass er vermutlich Recht hatte, aber ich hasste Ärzte. Die weißen Kittel, die Gerüche, all diese Geräte. Ich bekam schon Schnappatmung wenn ich nur daran dachte.
„Ich habe bestimmt einfach nur zu niedrigen Blutdruck, hatte meine Mama auch. Ist erblich bedingt. Dagegen lässt sich eh nichts machen. Außerdem bekomme ich bald meine Periode, da ist sowas ganz normal." versuchte ich mich raus zu reden. Der niedrige Blutdruck war natürlich Quatsch, das wusste ich. Eher war mein Puls jedes Mal auf 180 wenn man mir das Messgerät um den Arm schnürte. Bei meinem letzten Arztbesuch, den ich auch nur wahrnahm, weil ich eine schwere Grippe verschleppt und dementsprechend monatelang angeschlagen war, hatte es vier Versuche gebraucht, aufgrund meiner Nervosität einigermaßen brauchbare Werte zu messen. Diese lagen dann aber auch im Normalbereich, daran konnte es also eigentlich nicht liegen.
Ich konnte an seinem Blick erkennen, dass er mir kein Wort glaubte, beließ es aber erstmal dabei.
„Da reden wir noch mal drüber. Ich muss mich beeilen um pünktlich wieder hier zu sein, wenn Tommi anruft." sprach er und nahm sich ein großes, weißes Handtuch vom Haken im Badezimmer. „Und du bleibst da liegen und ruhst dich aus, verstanden?"
„Jawohl, Sir!" antwortete ich und hielt mir, wie ein Soldat, die Hand gegen die Schläfe.
Grinsend schüttelte er den Kopf und lief zur Tür.

Ich schnappte mir mein MacBook vom kleinen Beistelltisch unter dem Fernseher, machte es mir im Bett bequem und lies die erste Folge Dexter laufen. Ich hatte die Serie zwar schon an die 20 Mal gesehen, aber ein 21. Mal konnte nicht schaden. Ich hatte schon immer Schwierigkeiten damit, neue Serien anzufangen und schaute dafür lieber immer die gleichen fünf. Damit fuhr ich gut. Ich wusste, was passiert. Mich konnte nichts überraschen und ich wusste, wie es endet. Das gab mir ein Gefühl von Sicherheit. Mein Therapeut sagte damals, das läge an meiner Angststörung, aber das hielt ich für Quatsch. Sowieso schob er jede Kleinigkeit und jede Charaktereigenschaft auf meine psychischen Probleme.
Diese Serien gaben mir ein gutes Gefühl, also warum sollte ich sie nicht immer und immer wieder schauen, um jedes Mal wieder dieses gute Gefühl zu bekommen? Da steckte kein Psychogeschwurbel dahinter. Comfort-Binge nannte man das. Hatte ich zumindest mal gelesen. Nimm das, Dr. Stender.
Ich schmunzelte in mich hinein. Ich konnte noch so alt werden, sein Nachname würde einfach nie nicht witzig sein.

Es vibrierte neben mir auf dem Bett. Ich setzte mich auf und versuchte auszumachen, woher das Geräusch kam. Mein Handy war es nicht.
Es kam aus Felix' Sporttasche. Er musste sein iPhone darin vergessen haben.
Ich öffnete den Reißverschluss und kramte es aus der Tasche.
Tommi Schmitt.
„Hey Tommi." nahm ich den Anruf freundlich entgegen.
„Ah, Hi Katha. Du, ist Felix irgendwo bei dir zugegen?" fragte er. Im Hintergrund hörte ich ein paar Stimmen und rege Unterhaltungen.
„Der ist noch in der Sauna." erklärte ich ihm.
„Achso. Mhm." er überlegte kurz. „Wir waren eigentlich jetzt verabredet. Naja, dann warte ich noch ein bisschen."
„Ich richte ihm aus, dass er dich zurück rufen soll. Er müsste eigentlich jeden Moment wieder kommen." entgegnete ich.
„Super, danke. Hab' auch selber nicht so viel Zeit. Ist jetzt quasi meine Mittagspause und ich habe extra mein Powernap ausfallen lassen." erklärte er und ich lachte kurz auf.
„Wer kennt's nicht. Die hart arbeitenden Medienullis."
„Klar." lachte er. „Kennst du doch jetzt selber."
„Ich bin kein Medienulli." widersprach ich sofort.
„Im weitesten Sinne." ergänzte er.
„Aber im aller weitesten." lachte ich. „Ich gehöre noch zum gemeinen Volk."
„Dein Freund aber nicht." sprach er und ich musste unwillkürlich lächeln.
Mein Freund. Bis jetzt hatte es noch nie jemand ausgesprochen und es fühlte sich komisch, aber gleichzeitig gut an, es jetzt zu hören. „Stimmt."

Nach dem Telefonat schaute ich auf die Uhrzeit auf Felix' Bildschirm. Er war schon wirklich lange weg. Fast zwei Folgen liefen bereits durch. Ich hatte keine Ahnung, wie lange so ein Saunagang üblicherweise ging, aber das schien mir schon wirklich lang zu sein. Grade als ich aufstehen wollte, um mir ein Glas Wasser zu holen, kam Felix durch die Tür.
„Ey dieses Hotel." sprach er und schüttelte genervt den Kopf.
„Was ist los?" fragte ich.
„Ich hatte doch auf dem Rückweg vom Gym extra hier angerufen und gefragt, ob sie die Sauna schon mal anschalten können, damit die warm ist, wenn ich wieder da bin." erklärte er und ich nickte.
„So und rate mal, wat natürlich noch gar nich' warm war, als ich unten ankam."
Ich lachte. „Und was hast du jetzt gemacht?"
Er setzte sich seufzend neben mich auf's Bett. Seine Haare waren vom Duschgang der Sauna noch feucht und sein Gesicht leicht rötlich.
„Da war noch so ne kleene, 60 Grad Sauna. Die war schon auf 55 Grad aufgeheizt, da bin ick rein. 3 1/2 Sanduhren lang, für den Schwitzeffekt." erklärte er.
„Na dann konntest du deinen Tag ja doch noch mit Ehre starten." sprach ich und wuschelte ihm liebevoll durch's Haar.
Er grinste. „Den Soll hab' ick schon vorm Gym erfüllt."
Ich wusste, worauf er anspielte und erwiderte sein Grinsen.
„Tommi hatte übrigens angerufen. Du sollst ihn zurück rufen." sprach ich und hielt ihm sein Handy hin.
„Ah ja, fuck ey. Fast vergessen." er stand auf, kramte in seinem Koffer herum, positionierte sein Podcast-Equipment auf dem Tisch und setzte sich davor.
„Geht's dir eigentlich besser?" fragte er, als er sich zu mir umdrehte.
Ich zuckte mit den Schultern. „Ja, geht schon."
Skeptisch blickte er mich an. „Wir fahren vor Tourbeginn auf jeden Fall noch zum Arzt mit dir."
Ich setzte grade an, etwas zu sagen, als er mich direkt unterbrach. „Keine Widerrede."
Ich seufzte. „Na gut."
Er nickte zufrieden, drehte sich zu seinem MacBook und einen Moment später erschien Tommis Gesicht auf dem Bildschirm.
„Bevor du irgendwas sagst, Thomas: ick entschuldige mich live on Air bei dir. Lass uns direkt starten."
„Gerne." lachte Tommi und Felix drückte den kleinen, roten Knopf auf dem Interface.

„Some people tell me that I need help, some people can fuck off and go to hell.
Das meine Damen und Herren war Cypress Hill."

„LaFee. LaFee war das."

„Das war LaFee mit ihrem neuen Brett „Fuck off and go to hell". Nee, das war Cypress Hill mit Illusions und damit herzlich willkommen zu einer neuen Folge Gemischtes Hack. Mein Name ist Felix Lobrecht, mir gegenüber sitzt, wie immer, der wunderbare Tommi Schmitt.
Tommi, ich möchte mich direkt einleitend, muss ich ganz klar machen, muss ich mich bei dir entschuldigen. Wir fangen meinetwegen mit einem Delay von bis zu 47 Minuten an. Aber! Ich kann das verargumentieren. Ich kann das wirklich erklären."

„Ja dann mach mal."

„Okay, ich muss dafür aber ein bisschen weiter ausholen. Okay?"

„Das ist völlig in Ordnung."

„Weil guck mal, also..."

Despite it all (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt